Branche fordert bessere Wettbewerbsbedingungen
Diese Folge der Serie meiner “Bahngespräche” befasste sich mit dem Schienengüterverkehr. Zum Thema „Klimaretter Schienengüterverkehr“ diskutierten Dr. Sigrid Nikutta (DB Cargo AG), Peter Westenberger (Netzwerk Europäischer Eisenbahnen) und Dr. Martin Henke (Verband Deutscher Verkehrsunternehmen).
Für die meisten Menschen ist dies ein sperriges, schwer zugängliches Thema. “Mehr Güter auf die Schiene” ist schnell gefordert. Die Realisierung ist jedoch ein komplexes Unterfangen.
Dabei ist die Verlagerung von Güterverkehren auf die Schiene ein zentrales Instrument für alle, die Klimaziele erreichen, Ressourcen schonen und Straßen entlasten wollen. Schließlich sind die Güterbahnen um den Faktor vier bis fünf energieeffizienter als der Lkw. Damit die Verkehrsverlagerung ins Rollen kommt, müssen viele Stellschrauben gedreht werden. Eine davon ist die Infrastruktur, die deutlich leistungsfähiger werden muss. Wir brauchen also den Aus- und Neubau von Eisenbahnstrecken, um infrastrukturseitig die Voraussetzungen für mehr Güterverkehr auf der Schiene zu schaffen. Hinzu kommt die Digitalisierung, um langwierige Prozesse schneller, zuverlässiger und damit wirtschaftlicher abwickeln zu können. Eine sehr wichtige Stellschraube liegt in den Wettbewerbsbedingungen, die derzeit von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Schiene geprägt sind. Durch eine dauerhafte Senkung der Trassenpreise, die Abschaffung des Dieselprivilegs und eine Ausweitung der Lkw-Maut muss der Wettbewerb fairer organisiert werden, damit die Bahn eine Chance im Güterverkehrsmarkt hat.
Frau Dr. Sigrid Nikutta betonte zu Beginn ihres Vortrags, dass die zahlreichen Vorteile des Schienengüterverkehrs in der Öffentlichkeit noch stärker hervorgehoben werden müssen. DB Cargo will mit der Kampagne „Wir sind güter“ und „Cargo Montag“ genau diese Lücke schließen und auf diese Weise mehr Aufmerksamkeit und Bewusstsein für den Güterverkehr auf der Schiene schaffen. Für DB Cargo ist der so genannte Einzelwagenverkehr weiterhin eine wichtige Säule des Geschäfts. Für das Gelingen einer Verkehrswende und der Verkehrsverlagerung auf die Schiene spielt der Einzelwagenverkehr eine wichtige Rolle. In das fixkostenträchtige System müsse deshalb mehr Gütervolumen eingespeist werden; außerdem müsse die Wirtschaftlichkeit des Einzelwagenverkehrs durch Investitionen in Innovationen wie beispielsweise die digitale automatische Kupplung verbessert werden.
Peter Westenberger ging auf den zu Lasten der Güterbahnen verzerrten Wettbewerb im Güterverkehrssektor ein und unterstrich die Bedeutung fairer Wettbewerbsbedingungen für den Markterfolg der Bahnunternehmen im Güterverkehr. Dazu zählt aus Sicht des NEE die Abschaffung des Dieselprivilegs, das dem Lkw einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschafft. Auch die Infrastrukturpolitik des Bundes muss neu ausgerichtet werden. Peter Westenberger sprach sich dafür aus, die Umsetzung des Bedarfsplans Straße auszusetzen. Es dürfen demnach keine neuen Fernstraßenprojekte des Bundes mehr begonnen werden, bis eine grundlegende Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans stattgefunden hat. Um schnell Kapazitätseffekte im Netz zu erzielen, ist nach Auffassung des NEE ein Schwerpunkt auf die Umsetzung kleinteiliger bzw. kurzfristiger Infrastrukturmaßnahmen zu legen. Dazu zählt beispielsweise die Schaffung zusätzlicher Gleiswechsel auf hochbelasteten Strecken.
Auch Dr. Martin Henke hob die Bedeutung von „Kleinmaßnahmen“ für die kurzfristige Kapazitätssteigerung im Schienennetz hervor. Dazu zählt beispielsweise eine zweite Tranche für weitere Überholgleise, die eine Zuglänge von 740 Metern erlauben. Weiterhin ist es aus Sicht des VDV unabdingbar, dass die Resilienz im Schienennetz verbessert wird. Deutlich geworden sei dies erst kürzlich bei der Sperrung der rechten Rheinstrecke, die durch einen Felssturz verursacht wurde. Eine neue Bundesregierung müsse einen neuen Vorstoß zur Elektrifizierung geeigneter Ausweichstrecken unternehmen, um die Resilienz im Netz zu erhöhen und bei Störungen entsprechend flexibel reagieren zu können. Im Deutschlandtakt muss dem Schienengüterverkehr mehr Raum gegeben werden. Die im Deutschlandtakt bisher vorgesehene zusätzliche Infrastruktur für den Güterverkehr ist unzureichend, um die gesteckten Verlagerungsziele zu erreichen. Grund dafür ist die Verkehrsprognose des Bundesverkehrswegeplans 2030, die das Wachstum im Sektor nicht richtig abbildet und auch die neuen Ziele nicht antizipiert hat.