Viel grüne Handschrift im Verkehrs-Kapitel
Ich kann meine Enttäuschung darüber nicht verbergen, dass wir Grünen nicht das Verkehrsministerium führen werden. Im Koalitionsvertrag sind jedoch sehr viele wirklich gute Punkte enthalten. Nun muss es darum gehen, dass diese tatsächlich umgesetzt werden.
Hier in Stichworten die aus meiner Sicht wichtigsten positiven Punkte: Es gibt klare Ausbauziele für den öffentlichen Verkehr und die Verlagerung von Gütern auf die Schiene, deutlich höhere Investitionen in die Schiene als in die Straße, der Masterplan Schienenverkehr soll weiterentwickelt werden, die Trassenpreise sollen gesenkt werden, die Infrastruktur wird gewinnfrei gestellt, deutlich mehr Strecken sollen elektrifiziert werden, ein Programm “schnelle Kapazitätserweiterung Bahn” soll aufgelegt werden, Bahnhofsprogramme werden gebündelt und gestärkt, stillgelegte Bahnstrecken reaktiviert, die Regionalisierungsmittel für Regionalverkehr der Bahn werden erhöht, mehr Oberzentren werden an den Fernverkehr angebunden, europäische Nachtzüge werden gefördert, die Lkw-Maut wird ausgeweitet und Mehreinnahmen kommen nicht mehr. wie bisher – ausschließlich dem Straßenbau zugute, die Neuzulassung fossiler Pkw-Verbrenner wird faktisch im Jahr 2030 enden, die Ladeinfrastruktur für E‑Autos und –Lkw wird schneller ausgebaut, das Straßenverkehrsgesetz und die Straßenverkehrsordnung werden auf Umwelt‑, Klima- und städtebauliche Ziele ausgerichtet, das Radwegenetz wird ausgebaut und Flugtickets sollen nicht mehr zum Dumpingpreis angeboten werden dürfen.
Viele Punkte sind (noch) unkonkret (so die Höhe der Regionalisierungsmittel) und bei manchen werden sich Diskussionen darum, wie die Umsetzung erfolgen soll, nicht vermeiden lassen. Letzteres gilt für den vereinbarten „Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen“. Festgeschrieben wurde ein „Dialogprozess mit Verkehrs‑, Umwelt‑, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden mit dem Ziel einer Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des geltenden Bundesverkehrswegeplans“. Wir Grüne halten viele der 1.360 Straßenbauprojekte für überflüssig und auch nicht für finanzierbar. Auch der Hinweis, dass alle kostenrelevanten Vereinbarungen unter Finanzierungsvorbehalt stehen, ist wichtig. Bei der Senkung der Trassenpreise wurde dies seltsamerweise ausdrücklich erwähnt.
Eindeutig ein Manko ist, dass es nur wenige Vereinbarungen über den Abbau der ökologisch schädlichen Subventionen gibt. Zwar wurde ganz allgemein festgehalten, dass „überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben“ abgebaut werden. Meist wurden nur Prüfaufträge festgeschrieben, so im Zusammenhang mit der Dieselbesteuerung. Die Förderung von Hybridautos soll an strengere klimarelevante Kriterien gebunden werden. Eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe soll „erst nach 2023“ geprüft werden (die FDP hatte deren Abschaffung gefordert). Schwer verdaubar ist, dass – nachdem eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen bereits in der Sondierungsvereinbarung abgelehnt worden war – Tempo 30 innerorts keine Erwähnung findet. Ob den Kommunen deren Einführung oder Ausweitung mit den vereinbarten Änderungen im Verkehrsrecht erleichtert werden soll, bleibt unklar.
Wichtig zur Einordnung scheint mir noch der Hinweis zu sein, dass wir mit unseren Forderungen nach konkreten Maßnahmen für die Verkehrswende in der Parteienlandschaft weit überwiegend alleine da stehen. Die SPD ist uns hierbei bestenfalls selten eine Hilfe. Jede denkbare Koalitions-Konstellation findet immer mit „Straßenbauparteien“ statt.
Wir werden in den nächsten vier Jahren viel zu tun haben, den Koalitions-Vertrag mit Nachdruck umzusetzen, nachhaltige Mobilität und Logistik auszubauen und Klimaschutz auch im Verkehrssektor ernsthaft anzupacken, um Klimaziele erreichen zu können. Dafür erforderliche zentrale Punkte wurden mit dem Koalitionsvertrag gesetzt.
Konkrete Bahnprojekte und deren Beschleunigung
Die drei Parteien haben sich bei den Verwaltungs‑, Planungs- und
Genehmigungsverfahren auf zahlreiche Maßnahmen zur schnelleren Umsetzung auch von Schienenprojekten verständigt. Dazu gehören frühestmögliche und intensive Öffentlichkeitsbeteiligungen, die engere Verzahnung zwischen Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren zur Vermeidung von Doppelprüfungen, die vermehrte Durchführung von Plangenehmigungs- statt Planfeststellungsverfahren, größere personelle und technische/digitale Kapazitäten bei Behörden und Gerichten sowie zusätzliche Senate am Bundesverwaltungsgericht. Begonnen werden soll damit bei folgenden Schienenprojekten aus dem Deutschlandtakt: Ausbau/Neubau der Bahnstrecken Hamm-Hannover-Berlin, Korridor Mittelrhein, Hanau-Würzburg/Fulda-Erfurt, München-Kiefersfelden-Grenze D/A, Karlsruhe-Basel, „Optimiertes Alpha E+“, Ostkorridor Süd, Nürnberg-Reichenbach/Grenze D‑CZ, die Knoten Hamburg, Frankfurt, Köln, Mannheim und München.
Bewertungen von Umwelt- und Verkehrsorganisationen
Umwelt- und Verkehrsverbände wie der Allianz pro Schiene und der Bundesverband SchienenNahverkehr haben den Koalitions-Vertrag gelobt. Sie heben bspw. die Ausweitung der Lkw-Maut, die bessere Finanzierung der Schiene und die Erhöhung der Regionalisierungsmittel hervor. Natürlich gibt es auch Kritik, so dass zu zögerlich an den Abbau ökologisch schädlicher Subventionen heran gegangen wird und viele Punkte zu vage formuliert sind.
Der ADFC begrüßt, dass sich die Koalitionsparteien zur Verkehrswende und zur Förderung des Radverkehrs bekennen und dass es laut Vertrag eine Finanzierung bis 2030 für lückenlose, nutzerfreundliche Radwegenetze geben solle.