Umweltschutz aus Sicht des Umweltministeriums

18.02.2022

Gespräch mit Umwelt-Staatssekretärin

Im Rah­men einer öffent­li­chen digi­ta­len Ver­an­stal­tung führ­te ich ein inter­es­san­tes Gespräch mit Dr. Bet­ti­na Hoff­mann, Staats­se­kre­tä­rin im Minis­te­ri­um für Umwelt, Natur­schutz, nuklea­re Sicher­heit und Ver­brau­cher­schutz. Hier gibt es die Zusam­men­fas­sung zum Nach­le­sen:

Natur­schutz und Kli­ma­schutz – wie geht das zusam­men?

Gastel: Die Welt­na­tur­schutz­uni­on führt die “Rote Lis­te” der bedroh­ten Arten. Die­se umfasst mehr als 90.000 Arten, mehr als 32.000 davon sol­len vom Aus­ster­ben bedroht sein.

Wel­chen Bei­trag wird Deutsch­land unter der „Ampel“ und mit grün geführ­tem Umwelt­mi­nis­te­ri­um leis­ten, dass es hier­zu­lan­de bes­ser wird mit dem Arten­schutz?

Dr. Bet­ti­na Hoff­mann: Wir wol­len das The­ma Arten­aus­ster­ben – und das muss man so dras­tisch bezeich­nen – als zwei­te öko­lo­gi­sche Kri­se neben der Kli­ma­kri­se noch wei­ter ins Zen­trum rücken. Wir wol­len einen Akti­ons­plan „natür­li­cher Kli­ma­schutz“ auf­stel­len und umset­zen, der die­se bei­den Kri­sen gemein­sam angeht, z.B. durch die Finan­zie­rung ganz kon­kre­ter Rena­tu­rie­rungs­maß­nah­men oder die Wie­der­her­stel­lung von Lebens­räu­men wie Moo­ren, die unglaub­lich wich­tig für die Bio­di­ver­si­tät sind, gleich­zei­tig aber auch sehr viel CO2 aus der Atmo­sphä­re bin­den.

Müll­ver­mei­dung und Recy­cling

Gastel: Der „sieb­te Kon­ti­nent“ aus Plas­tik­müll im pazi­fi­schen Oze­an wird nicht klei­ner und er ist nicht mehr der ein­zi­ge sei­ner Art. Umwelt­mi­nis­te­rin Lem­ke hat­te kürz­lich in einem Inter­view erklärt, dass man als Weg­werf­ge­sell­schaft kei­ne Kli­ma­zie­le errei­chen wer­de. Die Welt hat ein Müll­pro­blem – wie wol­len wir als Deutsch­land unse­ren Bei­trag leis­ten, um weni­ger Müll zu pro­du­zie­ren und mehr Recy­cling zu schaf­fen?

Hoff­mann: Tat­säch­lich fin­det man Plas­tik mitt­ler­wei­le auf dem höchs­ten Berg und im tiefs­ten Meer – und natür­lich auf der Mee­res­ober­flä­che. Die­se rie­si­gen sicht­ba­ren Men­gen sind aber nur 1% des Plas­tiks im Meer! Es gibt mitt­ler­wei­le tat­säch­lich mehr Plas­tik im Meer, als Fische.
Wir haben Schwel­len­wer­te über­schrit­ten, die Öko­sys­te­me sind in jeder Hin­sicht gestört. Wir müs­sen jetzt drin­gend han­deln und die Erde schüt­zen!

Des­halb wol­len wir eine ech­te Kreis­lauf­wirt­schaft eta­blie­ren. Dazu gehört Recy­cling,

bewuss­ter und ange­mes­se­ner Roh­stoff­ver­brauch und auch Lang­le­big­keit von Pro­duk­ten. Wir wol­len Pro­dukt­de­signs so anle­gen, dass Res­sour­cen geschont wer­den und dass recy­celt wer­den kann. Wir wol­len auch ein Recht auf Repa­ra­tur ein­füh­ren, das ist aber lei­der ein kom­pli­zier­tes Unter­fan­gen.

Gewäs­ser­schutz und Trink­was­ser

Gastel: Wir Men­schen haben gro­ßen Ein­fluss auf die Gewäs­ser und die damit ver­bun­de­nen Öko­sys­te­me. Es wird wegen der hohen Schad­stoff­be­las­tung auch zuneh­mend auf­wän­di­ger, Trink­was­ser auf­zu­be­rei­ten.
Wo lie­gen da die Schwer­punk­te des grün geführ­ten Umwelt­mi­nis­te­ri­ums?

Hoff­mann: Was­ser ist unser wert­volls­tes Lebens­mit­tel. Die Was­ser­re­sorts gera­ten unter Druck und wir müs­sen Vor­sor­ge leis­ten, um die Zukunft der Ver­sor­gung sicher­zu­stel­len. Wir brau­chen Was­ser zum Trin­ken, aber auch in der Nut­zung (Land­wirt­schaft, Indus­trie) und in der Natur. Da ist es nicht leicht, den Aus­gleich zu fin­den.
Wir wol­len eine natio­na­le Was­ser­stra­te­gie ent­wi­ckeln, um die­sen Her­aus­for­de­run­gen zu begeg­nen. Wich­tig ist, dass die Ver­sor­gung der Bevöl­ke­rung mit Trink­was­ser für uns obers­te Prio­ri­tät hat!
Wir wol­len auch einen Para­dig­men­wech­sel bei der Was­ser­in­fra­struk­tur: Wir müs­sen Was­ser in der Land­schaft hal­ten, Auen rena­tu­rie­ren und Flüs­sen Platz zum frei­en Flie­ßen geben. Wir dür­fen die Natur nicht ent­wäs­sern.

Luft­rein­hal­tung

Gastel: Luft­ver­schmut­zung (über­wie­gend durch Fein­staub und Stick­oxi­de) ist laut WHO das welt­weit größ­te ein­zel­ne umwelt­be­ding­te Gesund­heits­ri­si­ko. Dar­auf ent­fal­len glo­bal fast ein Fünf­tel aller vor­zei­ti­gen Todes­fäl­le. Wir als Grü­ne kämp­fen schon län­ger für die Redu­zie­rung von Fein­staub und Stick­oxi­den in unse­rer Luft.

Und wel­che Maß­nah­men sol­len hier­zu­lan­de ergrif­fen wer­den, um die Men­schen in Deutsch­land bes­ser vor Luft­ver­schmut­zung zu schüt­zen?

Hoff­mann: Stimmt, da gibt es vie­le vor­zei­ti­ge Todes­fäl­le. Die sind nicht wirk­lich sicht­bar, aber wir müs­sen das ernst neh­men.
Wir müs­sen Umwelt­fak­to­ren und Gesund­heits­schutz zusam­men­den­ken, da muss es kei­nen Streit geben, denn es geht um unse­re Lebens­qua­li­tät.
Wir haben 40–50 Mikro­gramm Fein­staub pro Kubik­me­ter Luft und neue Erkennt­nis­se der WHO füh­ren zu einer Emp­feh­lung von 10 Mikro­gramm pro Kubik­me­ter. Da wol­len wir schritt­wei­se hin, aber das ist eine enor­me Auf­ga­be mit Kon­se­quen­zen. Doch das muss es uns wert sein, es geht um unse­re Gesund­heit und unser Leben.

EU-Taxo­no­mie

Gastel: Die EU-Taxo­no­mie zu nach­hal­ti­gen Inves­ti­tio­nen ist aktu­ell in aller Mun­de, gera­de weil die EU-Kom­mis­si­on auch die Gas- und Atom­kraft unter das nach­hal­ti­ge Label fas­sen will. Wir als Grü­ne leh­nen das ins­be­son­de­re bei der Kern­kraft ab und bei Erd­gas muss man vor­sich­tig sein, um kei­ne kli­ma­schäd­li­chen Anrei­ze zu set­zen.

Was ist der aktu­el­le Stand der Din­ge, wird sich die Bun­des­re­gie­rung der Kla­ge von Öster­reich anschlie­ßen oder ggf. selbst kla­gen?

Hoff­mann: An sich ist das Instru­ment der Taxo­no­mie wirk­lich gut und wirk­sam, daher fin­de ich es scha­de, dass das durch den aktu­el­len Vor­gang so im Anse­hen beschä­digt wird.
Kern­kraft ist nicht nach­hal­tig. Ich bin sehr froh, dass die Bun­des­re­gie­rung da direkt eine kla­re Stel­lung bezo­gen hat.
Bei der Gas-Fra­ge muss man unter­schei­den: Ist För­de­rung für Gas­in­fra­struk­tur sinn­voll, wenn sie in Zukunft ein­fach auf „grü­nes“ Gas umge­stellt wer­den kann?

Die Hür­den das noch auf­zu­hal­ten sind hoch. Im EU-Par­la­ment sehe ich kaum Chan­cen dafür, dass der Vor­schlag zur Taxo­no­mie abge­lehnt wird. Es regt sich Wider­stand im Par­la­ment aber es ist frag­lich, ob der aus­rei­chen wird.
Die Kla­ge Öster­reichs rich­tet sich nicht gegen die Ein­stu­fung der Nach­hal­tig­keit, son­dern gegen das ver­wen­de­te Ver­fah­ren. Wir bräuch­ten die genaue Kla­ge­schrift, die uns noch nicht vor­liegt, um das wei­ter zu beur­tei­len.