Gespräch mit Umwelt-Staatssekretärin
Im Rahmen einer öffentlichen digitalen Veranstaltung führte ich ein interessantes Gespräch mit Dr. Bettina Hoffmann, Staatssekretärin im Ministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Hier gibt es die Zusammenfassung zum Nachlesen:
Naturschutz und Klimaschutz – wie geht das zusammen?
Gastel: Die Weltnaturschutzunion führt die “Rote Liste” der bedrohten Arten. Diese umfasst mehr als 90.000 Arten, mehr als 32.000 davon sollen vom Aussterben bedroht sein.
Welchen Beitrag wird Deutschland unter der „Ampel“ und mit grün geführtem Umweltministerium leisten, dass es hierzulande besser wird mit dem Artenschutz?
Dr. Bettina Hoffmann: Wir wollen das Thema Artenaussterben – und das muss man so drastisch bezeichnen – als zweite ökologische Krise neben der Klimakrise noch weiter ins Zentrum rücken. Wir wollen einen Aktionsplan „natürlicher Klimaschutz“ aufstellen und umsetzen, der diese beiden Krisen gemeinsam angeht, z.B. durch die Finanzierung ganz konkreter Renaturierungsmaßnahmen oder die Wiederherstellung von Lebensräumen wie Mooren, die unglaublich wichtig für die Biodiversität sind, gleichzeitig aber auch sehr viel CO2 aus der Atmosphäre binden.
Müllvermeidung und Recycling
Gastel: Der „siebte Kontinent“ aus Plastikmüll im pazifischen Ozean wird nicht kleiner und er ist nicht mehr der einzige seiner Art. Umweltministerin Lemke hatte kürzlich in einem Interview erklärt, dass man als Wegwerfgesellschaft keine Klimaziele erreichen werde. Die Welt hat ein Müllproblem – wie wollen wir als Deutschland unseren Beitrag leisten, um weniger Müll zu produzieren und mehr Recycling zu schaffen?
Hoffmann: Tatsächlich findet man Plastik mittlerweile auf dem höchsten Berg und im tiefsten Meer – und natürlich auf der Meeresoberfläche. Diese riesigen sichtbaren Mengen sind aber nur 1% des Plastiks im Meer! Es gibt mittlerweile tatsächlich mehr Plastik im Meer, als Fische.
Wir haben Schwellenwerte überschritten, die Ökosysteme sind in jeder Hinsicht gestört. Wir müssen jetzt dringend handeln und die Erde schützen!
Deshalb wollen wir eine echte Kreislaufwirtschaft etablieren. Dazu gehört Recycling,
bewusster und angemessener Rohstoffverbrauch und auch Langlebigkeit von Produkten. Wir wollen Produktdesigns so anlegen, dass Ressourcen geschont werden und dass recycelt werden kann. Wir wollen auch ein Recht auf Reparatur einführen, das ist aber leider ein kompliziertes Unterfangen.
Gewässerschutz und Trinkwasser
Gastel: Wir Menschen haben großen Einfluss auf die Gewässer und die damit verbundenen Ökosysteme. Es wird wegen der hohen Schadstoffbelastung auch zunehmend aufwändiger, Trinkwasser aufzubereiten.
Wo liegen da die Schwerpunkte des grün geführten Umweltministeriums?
Hoffmann: Wasser ist unser wertvollstes Lebensmittel. Die Wasserresorts geraten unter Druck und wir müssen Vorsorge leisten, um die Zukunft der Versorgung sicherzustellen. Wir brauchen Wasser zum Trinken, aber auch in der Nutzung (Landwirtschaft, Industrie) und in der Natur. Da ist es nicht leicht, den Ausgleich zu finden.
Wir wollen eine nationale Wasserstrategie entwickeln, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Wichtig ist, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser für uns oberste Priorität hat!
Wir wollen auch einen Paradigmenwechsel bei der Wasserinfrastruktur: Wir müssen Wasser in der Landschaft halten, Auen renaturieren und Flüssen Platz zum freien Fließen geben. Wir dürfen die Natur nicht entwässern.
Luftreinhaltung
Gastel: Luftverschmutzung (überwiegend durch Feinstaub und Stickoxide) ist laut WHO das weltweit größte einzelne umweltbedingte Gesundheitsrisiko. Darauf entfallen global fast ein Fünftel aller vorzeitigen Todesfälle. Wir als Grüne kämpfen schon länger für die Reduzierung von Feinstaub und Stickoxiden in unserer Luft.
Und welche Maßnahmen sollen hierzulande ergriffen werden, um die Menschen in Deutschland besser vor Luftverschmutzung zu schützen?
Hoffmann: Stimmt, da gibt es viele vorzeitige Todesfälle. Die sind nicht wirklich sichtbar, aber wir müssen das ernst nehmen.
Wir müssen Umweltfaktoren und Gesundheitsschutz zusammendenken, da muss es keinen Streit geben, denn es geht um unsere Lebensqualität.
Wir haben 40–50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft und neue Erkenntnisse der WHO führen zu einer Empfehlung von 10 Mikrogramm pro Kubikmeter. Da wollen wir schrittweise hin, aber das ist eine enorme Aufgabe mit Konsequenzen. Doch das muss es uns wert sein, es geht um unsere Gesundheit und unser Leben.
EU-Taxonomie
Gastel: Die EU-Taxonomie zu nachhaltigen Investitionen ist aktuell in aller Munde, gerade weil die EU-Kommission auch die Gas- und Atomkraft unter das nachhaltige Label fassen will. Wir als Grüne lehnen das insbesondere bei der Kernkraft ab und bei Erdgas muss man vorsichtig sein, um keine klimaschädlichen Anreize zu setzen.
Was ist der aktuelle Stand der Dinge, wird sich die Bundesregierung der Klage von Österreich anschließen oder ggf. selbst klagen?
Hoffmann: An sich ist das Instrument der Taxonomie wirklich gut und wirksam, daher finde ich es schade, dass das durch den aktuellen Vorgang so im Ansehen beschädigt wird.
Kernkraft ist nicht nachhaltig. Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung da direkt eine klare Stellung bezogen hat.
Bei der Gas-Frage muss man unterscheiden: Ist Förderung für Gasinfrastruktur sinnvoll, wenn sie in Zukunft einfach auf „grünes“ Gas umgestellt werden kann?
Die Hürden das noch aufzuhalten sind hoch. Im EU-Parlament sehe ich kaum Chancen dafür, dass der Vorschlag zur Taxonomie abgelehnt wird. Es regt sich Widerstand im Parlament aber es ist fraglich, ob der ausreichen wird.
Die Klage Österreichs richtet sich nicht gegen die Einstufung der Nachhaltigkeit, sondern gegen das verwendete Verfahren. Wir bräuchten die genaue Klageschrift, die uns noch nicht vorliegt, um das weiter zu beurteilen.