Herausforderung für Europas Sicherheitsarchitektur
Der von Präsident Putin befohlene Angriffskrieg auf die Ukraine verstößt massiv gegen internationales Recht und ist aufs Schärfste zu verurteilen. Meine Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine. Dies gilt insbesondere auch für die Bürgerinnen und Bürger Poltawas, der gemeinsamen Partnerstadt der Kreisstädte Filderstadt, Ostfildern und Leinfelden-Echterdingen. Ich bedaure, dass lange und intensivste diplomatische Anstrengungen diese Aggression gegen den souveränen Staat und seine Bevölkerung nicht haben verhindern können.
Es wurden rasch harte und weitreichende Sanktionen von Deutschland, der EU und anderen Staaten verhängt. So wurden Sanktionen gegen russische Banken und auch direkt gegen Putin und dessen Außenminister verhängt. In der StZ von Samstag, 26.02.2022 sagte die Politologin Julia Grauvogel, Sanktions-Expertin am Hamburger Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien: „Das Gesamtpaket ist auf jeden Fall beträchtlich.“ Die jetzt beschlossenen Strafmaßnahmen würden mittelfristig einen Effekt haben. Das gelte insbesondere für die Sanktionen, die auf den russischen Bankensektor zielen.
In Teilen der deutschen Öffentlichkeit wurde kritisiert, dass die deutsche Bundesregierung sich nicht sofort nach Beginn der Angriffe auf die Ukraine für die Sperrung des SWIFT-Zahlungsverkehrs durch Russland eingesetzt hat. Hierzu ist zu sagen: Der Ausschluss Russlands stellt zweifelsfrei eine weitere sehr schmerzhafte Maßnahme dar. Eine harte Sanktion trifft aber nicht automatisch schwerpunktmäßig diejenigen, die man treffen möchte. Daher hatten wir in der Koalition mit Hochdruck daran gearbeitet, im Zusammenhang mit SWIFT eine differenzierte Lösung zu finden, die russischen Banken, die das System Putin in besonderer Weise stützen, möglichst genau zu treffen und dabei Kollateralschäden so gut wie möglich zu reduzieren. Wir wissen, dass in früheren Fällen in anderen Ländern beispielsweise auch NGO/Hilfsorganisationen getroffen wurden. Auch können wir die hohe Abhängigkeit von Deutschland von russischem Gas und Erdöl, die höher als die einiger anderer europäischer Ländern ist, nicht ausblenden. So sehr wir als Grüne unser Land schon vor Jahren gerne unabhängig davon gemacht hätten: Wir können die aktuell bestehende überdurchschnittliche Abhängigkeit nicht ignorieren und auch nicht kurzfristig beseitigen. Wenn unsere Versorgungssicherheit zu stark beeinträchtigt ist, so können wir bei uns eine Instabilität der Verhältnisse nicht ausschließen – genau das ist aber, was Putin erreichen will. Wir sind der Meinung, dass wir uns in dieser Situation einschränken müssen und den Menschen sowie Unternehmen bei uns Zumutungen nicht ersparen können. Wir können aber nicht, so gerne wir es würden, auf Importe aus Russland verzichten. Diese Importe können nur so lange erfolgen, so lange sie bezahlt werden können.
Entscheidend ist, dass wir möglichst schnell unsere Energieabhängigkeit von Russland reduzieren. Das wirkt unmittelbar auf das System Putin. Es ist ein riesiger Fehler und ein schwerwiegendes Versäumnis, dass wir noch immer zu mehr als 50 Prozent von Erdgas aus Russland abhängig sind. Die neue Bundesregierung wird alles unternehmen, um die Alternativen so schnell wie möglich auszubauen und die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Dabei nehmen wir auch mögliche Härten wie steigende Energiepreise (für die wir bereits in dieser Woche Ausgleiche insbesondere für Menschen mit engem Budget beschlossen haben) und Einbußen unserer Wirtschaftskraft in Kauf.
Putins Krieg stellt die Sicherheitsarchitektur in Europa und darüber hinaus vor völlig neue Herausforderungen. Als Partei mit Wurzeln in der Friedens- wie auch in der Menschenrechtspolitik sahen wir Grüne uns in einer Zwickmühle. Doch schnelles Handeln war das Gebot der Stunde, um Putin Grenzen aufzuzeigen und das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine mitsamt Demokratie und Rechtsstaat zu stützen. Wir haben in und mit der Regierungskoalition schnell reagiert. Geliefert wurden Panzerfäuste und gepanzerte Fahrzeuge für den Personentransport. Auch Treibstoff wird geliefert. Hier ist zu beachten, dass Deutschland – aus gutem Grund – strenge Rüstungsexportregeln hat. Rüstungsexporte haben wir aber nie generell abgelehnt. Zu dieser differenzierten Betrachtung stehen wir weiterhin.
Noch einige Informationen zu den Geflüchteten: Die EU hat sich seit Wochen auf die Verteilung und Aufnahme vorbereitet. Auch Polen ist eng eingebunden. Die Aufnahmebereitschaft ist groß. Ich selber war intensiv mit der Deutschen Bahn im Dialog, da mir die möglichst unkomplizierte Beförderung der Geflüchteten wichtig ist. Die Regel sieht nun so aus, dass ukrainische Geflüchtete in allen DB-Reisezentren und DB-Agenturen in Deutschland das Ticket „helpukraine“ erhalten. Das kostenlose Ticket gilt für die Fahrt im Fern- und Nahverkehr zu jedem Zielbahnhof. Damit können die Geflüchteten ihre Familien, Verwandten und Bekannten in ganz Deutschland erreichen.
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass die Situation in der Ukraine sowie unser diesbezüglicher Informationsstand sich ständig ändern. Dasselbe gilt für weitere Verschärfungen der Maßnahmen gegen Putins Russland. Die Bundesministerien befinden sich im permanenten Austausch untereinander, mit der EU, anderen europäischen Staaten, den USA und natürlich, so möglich, der Ukraine. Dieser Text stellt einen Sachstand zu einem bestimmten Zeitpunkt dar und kann nicht jederzeit aktualisiert werden.