Güterverkehr auf der Schiene wettbewerbsfähiger machen
Der Güterverkehr auf der Schiene leidet unter mancherorts unzureichenden Trassenkapazitäten, Unpünktlichkeit und hohen Kosten. Das alles führt dazu, dass der Gütertransport auf der Schiene oftmals als unwirtschaftlich gilt. Ein Baustein für die Stärkung der Schiene ist die Digitale Automatische Kupplung. Statt Güterwagen händisch und damit zeitaufwändig zu kuppeln, kann das auch automatisch geschehen. Das Zauberwort: „Digitale Automatische Kupplung“ (DAK). Die Grundidee ist alles andere als neu und wird in einigen Regionen der Welt längst praktiziert – nicht aber bei uns. Mit einem „innovativen Testzug“ wird die Technologie gerade auf einer Fahrt durch verschiedene europäische Länder praktisch erprobt. Dabei sollen verschiedene klimatische Situationen, enge Kurven und steile Strecken befahren werden, um die Technik ausgiebig zu erproben. Der Zug besteht aus 24 Wagen und ist schon vor Wochen in Berlin gestartet. Die Scharfenbergkupplungen, auf die man sich in Europa im Grundsatz bereits als gemeinsamen Standard verständigt hat (Detailspezifikationen stehen noch aus), stammen von zwei Herstellern, einem in Schweden und der Firma Voith (Heidenheim, Baden-Württemberg). Die beiden Systeme haben sich unter einer Auswahl von vieren durchgesetzt. Die Technik funktioniert, vereinfacht ausgedrückt, so: Die Wagen werden beim Rangieren aneinandergedrückt und die Mittelpufferkupplungen stellen selbstständig die mechanische und elektrische Verbindung her. Aktuell wird der „Typ 4“ erprobt. Bei diesem gibt es noch einen manuellen Arbeitsschritt beim Entkuppeln, der ab „Typ 5“ automatisch erfolgen soll. Neben der Arbeitserleichterung bringt die DAK weitere Vorteile: Dank der elektropneumatischen Bremsen können schwerere Züge gefahren werden und es werden höhere Geschwindigkeiten möglich. Die Güterzüge können dann besser im Personenverkehr „mitschwimmen“. Durch die beschleunigten Rangierabläufe steigt die Kapazität der Umschlagbahnhöfe um bis zu 40 Prozent.
Im Berliner Westhafen konnte ich mir gemeinsam mit Abgeordnetenkollegen einen Teil der Güterwagen anschauen und von der Deutschen Bahn erklären lassen. Erst sahen wir, wie zwei Wagen händisch gekuppelt werden. Dann wurde die DAK vorgeführt. Der eine Güterwagen wurde auf den anderen geschoben und – schwupp – war die Kupplung erfolgt.
Billig ist die Systemumstellung nicht. Pro Wagen wird mit einem Aufwand von 15.000 Euro gerechnet. In der EU und weiteren europäischen Ländern wird ein Finanzierungsbedarf von rund neun Milliarden Euro gesehen. Für eine margenschwache Branche ist das zu viel. Hier werden die EU und die europäischen Staaten helfen müssen. Zuvor muss noch ein einheitlicher technischer Standard definiert werden. Zuletzt waren hierzu immer mehr optimistische Stimmen zu vernehmen, dass dies bald erfolgen könnte. Die Testfahrt soll übrigens mit Auslaufen dieses Jahres enden.
Quellen:
FAZ v. 08.03.2022
Privatbahnmagazin 02/2022
Gespräche mit DB-Vertreter*innen
Gemeinsame Presseerklärung von Bundesverkehrsministerium und DB v. 26.04.2022