29.05.2014, überarbeitet am 30.05.2014
Europawahl: Keine Zufriedenheit, aber Erleichterung
Ein Wahlergebnis mit einem Minus davor sollte nicht, auch nicht wenn das Minus kleiner ausfällt als von manchen befürchtet, mit „unser Wahlziel ist erreicht“ kommentiert werden. Ich fand es noch nie angemessen, schlechte Wahlergebnisse schönzureden. Die Wählerinnen und Wähler, insbesondere aber diejenigen, die einen sehr bewusst nicht gewählt haben, haben ein Zeichen gesetzt und wollen damit ernst genommen werden. Angesichts einer vorherrschenden Europaskepsis bei anderen Parteien (bei den Linken und in Teilen der Union) hätten wir uns als überzeugte Anhängerinnen und Anhänger des europäischen Gedankens stärker profilieren können. Dasselbe gilt für das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP). Schließlich wird uns in Belangen des Verbraucherschutzes und demokratischer Verfahren eine hohe Kompetenz zugeschrieben. Es hätte also mehr drin sein können für uns Grüne.
Und doch darf man sich, wenn man von einem noch schlechteren Ergebnis ausging, erleichtert zeigen. Zumal, wenn die letzten Umfragen unter dem tatsächlich erzielten Ergebnis lagen. Die Erleichterung gründet vor allem darauf, dass sich das sehr schlechte Wahlergebnis von der Bundestagswahl im September 2013 nicht in Form eines massiven Abwärtstrends verfestigt hat. Vielmehr gibt es Anzeichen dafür, dass das Hervorheben grüner Kernthemen – vor allem Energiewende und Verbraucherschutz – uns Grünen wieder zu mehr Profil verholfen hat. Die Niederlage bei der Bundestagswahl ist damit aber noch nicht aufgearbeitet. Es wartet noch einiges an Arbeit und an notwendigen Klärungsprozessen auf uns. Damit darf nicht bis zur nächsten Programmdebatte gewartet werden. Diese notwendigen Diskussionen beispielsweise über unsere Steuerpolitik müssen wir jetzt führen.
Traurig ist die Tatsache, dass die AfD, eine rechtspopulistische Partei ohne Konzept, so viele Stimmen auf sich vereinigen konnte. Deren Wählerschaft besteht zu einem Teil aus Menschen mit rechter oder gar rechtsradikaler Gesinnung, zum größten Teil aber aus unzufriedenen ProtestwählerInnen. Ich finde, dass man mit dieser Partei offensiv umgehen muss. Bereits vor den Wahlen am 25. Mai 2014 habe ich die AfD ausführlich analysiert: https://www.matthias-gastel.de/zum-thema/afd/. Diskussionen innerhalb der Union darüber, ob sich die AfD als möglicher Koalitionspartner anbietet, führen dazu, dass diese Partei hoffähig wird. Derartige Debatten in der Union sind daher politisch unmissverständlich zu verurteilen.
Kommunalwahlen Baden-Württemberg: Gute Arbeit und bekannte Köpfe vor Ort zahlen sich aus
Ein Plus von landesweit 1,6 Prozentpunkten bei den Gemeinderats- und 1,5 Prozentpunkten bei den Kreistagswahlen ist ein deutlicher, von vielen Leuten nicht erwarteter Erfolg von uns Grünen.
In den Kommunen fielen die Ergebnisse allerdings höchst unterschiedlich aus. Meist schwanken diese in der Bandbreite von Plus-Minus zwei bis drei Prozent. Ein positiver oder negativer Einfluss der Bundes- oder Landespolitik ist nicht bemerkbar. Im Vergleich zu vorangegangenen Kommunalwahlen halte ich dies für bemerkenswert. Ob Gewinne eingefahren oder Verluste bedauert wurden hing diesmal also fast ausschließlich von den Themen, der Stimmung und dem Personalangebot vor Ort ab. Spannend ist auch, dass mancherorts Themen, die vor fünf Jahren als wahlentscheidend galten und diesmal kaum mehr eine Rolle spielten, zu keinen wesentlichen Stimmenverlusten führten. Beispiel Stuttgart: Die massiven Stimmengewinne im Kommunalwahljahr 2009 wurden überwiegend auf das Aufreger- und Mobilisierungsthema Stuttgart 21 zurückgeführt. Dieses Thema war im Jahr 2014 kaum mehr wahrnehmbar. Der Stimmenanteil fiel nur leicht um 1,3 Prozentpunkte. Dies bedeutet, dass den Grünen nach wie vor eine wichtige kommunalpolitische Rolle zugesprochen wird, beispielsweise bei Verkehrsthemen und der Feinstaubbekämpfung. Beispiel Filder (Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt, Neuhausen): Vor den Kommunalwahlen im Jahr 2009 führte der Streit um eine zweite Startbahn zu einer Wählermobilisierung zugunsten der Grünen. Die Pläne für einen Flughafenausbau wurden längst eingemottet. Die Stimmen konnten mit leichten Verlusten jedoch nahezu gehalten, in Neuhausen konnten sogar Zugewinne verzeichnet werden. Diese beiden Beispiele sprechen für eine hohe und thematisch breit angelegte Kompetenzzuschreibung zugunsten grüner Kommunalpolitik und ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten.
Erfreulich ist übrigens auch der hohe Frauenanteil innerhalb der grünen Gemeinderats- und Kreistagsgruppierungen. Dieser beträgt 44,7 bzw. 44,2 Prozent und liegt damit weit über denen der anderen Parteien (zwischen 14 und 33 Prozent).