Bahngespräch zu Nachtzügen

24.04.2023

ÖBB setzt auf mehr Komfort & neue Fahrzeuge

Nacht­zü­ge ermög­li­chen eine wun­der­ba­re Kul­tur des Rei­sens und hel­fen, beson­ders kli­ma­schäd­li­che Kurz- und Mit­tel­stre­cken­flü­ge zu ver­mei­den. Die Plät­ze in den Zügen sind begehrt und oft­mals Wochen im Vor­aus aus­ge­bucht. Wel­che Vor­aus­set­zun­gen braucht es, dass die Ange­bo­te schnel­ler aus­ge­baut wer­den? Dar­um ging es in einer wei­te­ren Fol­ge mei­ner „Bahn­ge­sprä­che“. Unten fin­det sich ein Link, unter dem die Ver­an­stal­tung nach­träg­lich ange­schaut wer­den kann.

Gemein­sam mit mei­ner Kol­le­gin aus dem Euro­pa­par­la­ment, Anna Depar­nay-Gru­nen­berg sprach ich mit Kurt Bau­er, Lei­ter Fern­ver­kehr und Mit­in­itia­tor der neu­en Nacht­zug­of­fen­si­ve bei den Öster­rei­chi­schen Bun­des­bah­nen (ÖBB) sowie Jon Worth, der schon sehr oft Euro­pa mit der Bahn bereist hat.

Jon Worth berich­te­te aus sei­ner Erfah­rung, dass die natio­na­len Bahn­sys­te­me ziem­lich gut funk­tio­nie­ren wür­den, es grenz­über­schrei­tend aber oft schwie­rig wer­den wür­de. Die Infra­struk­tur, Fahr­plä­ne, Ser­vice und das Ticke­ting sei­en dann in oft­mals schlech­ter Qua­li­tät. Das Haupt­pro­blem sei­en unzu­rei­chend ver­füg­ba­re Fahr­we­ge. Auch an Fahr­zeu­gen man­ge­le es. Er sel­ber habe in Finn­land die moderns­ten Nacht­zü­ge gese­hen. Er bedaue­re, dass außer den ÖBB kaum jemand inves­tie­ren wür­de. Wer ger­ne inves­tie­ren wür­de, hat dafür oft­mals nicht das Kap­tal. Wer das Kapi­tal habe, wür­de meist nicht inves­tie­ren. Er schlug ein Kon­sor­ti­um aus ver­schie­de­nen Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men sowie ein Fahr­zeug­pool der euro­päi­schen Staa­ten vor.

Unter Ver­weis auf die höhe­ren Pro-Kopf-Inves­ti­tio­nen Öster­reichs ins Schie­nen­netz als bei­spiels­wei­se Deutsch­land stieg Kurt Bau­er in die The­ma­tik ein. Auch bei den Fahr­zeu­gen wür­den die ÖBB inves­tie­ren. Bis 2027 wür­de Sie­mens die neu­en Wagen aus­lie­fern. Die neu­en Wagen böten zwei Roll­stuhl­plät­ze inklu­si­ve Raum für Begleit­per­so­nen an. Bei der Bar­rie­re­frei­heit wür­den „kei­ne Kom­pro­mis­se“ gemacht wer­den. Das Netz wür­de durch die neu­en Fahr­zeu­ge aber „nicht gigan­tisch“ wach­sen, son­dern vor allem wür­de das aktu­el­le Netz gestärkt wer­den. Neu hin­zu kom­me die Linie Ber­lin – Paris. Sehr auf­wän­dig sei die Zulas­sung der Fahr­zeu­ge für ande­re Län­der wie bei­spiels­wei­se Frank­reich. Die Koope­ra­ti­on mit der Deut­schen Bahn (DB) lau­fe sehr gut. Die DB wür­de die ÖBB auch bei den betrieb­li­chen Risi­ken ent­las­ten. Hilf­reich für den Nacht­zug­ver­kehr wäre eine Absen­kung der Mehr­wert­steu­er auf die Fahr­schei­ne auf null. Auf die Dis­kus­si­on im Chat über die sinn­vol­len Höchst­ge­schwin­dig­keit im Nacht­zug­ver­kehr ging Bau­er auch ein: Tem­po 200 wür­den rei­chen, ab Tem­po 230 wür­den die Fahr­zeu­ge „rich­tig teu­er“. Mit den neu­en Fahr­zeu­gen wür­den die Prei­se für die Mit­fahrt stei­gen, jedoch gäbe es dafür auch mehr Komfort/Intimität und zudem rela­tiv preis­wer­te neue Sin­gle-Klein­kap­seln. Von den Teil­neh­men­den wur­de auch die Zukunft der Auto­rei­se­zü­ge auf­ge­wor­fen. Kurz Bau­er ver­wies dar­auf, dass die Nach­fra­ge danach sehr sai­so­nal beschränkt sei, die Züge sehr viel von den knap­pen Tras­sen­ka­pa­zi­tä­ten ver­brau­chen wür­den und mit neu­en Fahr­zeu­gen ein Betrieb nicht wirt­schaft­lich durch­führ­bar sei.

Anna Depar­nay-Gru­nen­berg, Mit­glied im EU-Ver­kehrs­aus­schuss, beton­te anschlie­ßend, dass für die ech­te Renais­sance des Nacht­zug­net­zes in der EU noch viel zu tun sein. Zwar gab es in der aktu­el­len Legis­la­tur bereits posi­ti­ve Ansät­ze wie das Jahr der Schie­ne 2021 und den “Rail Action Plan” – vie­le Maß­nah­men müs­sen aller­dings noch umge­setzt wer­den. Dabei ver­wies Anna Depar­nay-Gru­nen­berg ins­be­son­de­re auf den fai­ren Wett­be­werb zwi­schen Ver­kehrs­trä­gern – wozu es drin­gend eine Kero­sin­steu­er sowie ver­güns­tig­te und fai­re Tras­sen­prei­se bräuch­te. Außer­dem gilt es, das trans­eu­ro­päi­sche Ver­kehrs­netz (TEN‑V) zügig aus­zu­bau­en und tech­ni­sche Stan­dards anzu­glei­chen. Zuletzt for­der­te sie eine unkom­pli­zier­te euro­päi­sche Buchungs­platt­form sowie star­ke und ver­läss­li­che Fahr­gast­rech­te, um eine Fahrt mit dem Nacht­zug zukünf­tig attrak­ti­ver zu gestal­ten.

Hier kann das Bahn­ge­spräch nach­träg­lich ange­schaut wer­den: https://www.youtube.com/watch?v=PGPgV7rNpfg&ab_channel=MatthiasGastel

Hier geht es zu den grü­nen Ideen für ein euro­päi­sches Nacht­zug­netz: https://bahnstrategie.matthias-gastel.de/nachtzug.php

Hier wei­te­re, aktu­el­le Infos: https://www.matthias-gastel.de/neue-nachzuege-braucht-das-land/