ÖBB setzt auf mehr Komfort & neue Fahrzeuge
Nachtzüge ermöglichen eine wunderbare Kultur des Reisens und helfen, besonders klimaschädliche Kurz- und Mittelstreckenflüge zu vermeiden. Die Plätze in den Zügen sind begehrt und oftmals Wochen im Voraus ausgebucht. Welche Voraussetzungen braucht es, dass die Angebote schneller ausgebaut werden? Darum ging es in einer weiteren Folge meiner „Bahngespräche“. Unten findet sich ein Link, unter dem die Veranstaltung nachträglich angeschaut werden kann.
Gemeinsam mit meiner Kollegin aus dem Europaparlament, Anna Deparnay-Grunenberg sprach ich mit Kurt Bauer, Leiter Fernverkehr und Mitinitiator der neuen Nachtzugoffensive bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) sowie Jon Worth, der schon sehr oft Europa mit der Bahn bereist hat.
Jon Worth berichtete aus seiner Erfahrung, dass die nationalen Bahnsysteme ziemlich gut funktionieren würden, es grenzüberschreitend aber oft schwierig werden würde. Die Infrastruktur, Fahrpläne, Service und das Ticketing seien dann in oftmals schlechter Qualität. Das Hauptproblem seien unzureichend verfügbare Fahrwege. Auch an Fahrzeugen mangele es. Er selber habe in Finnland die modernsten Nachtzüge gesehen. Er bedauere, dass außer den ÖBB kaum jemand investieren würde. Wer gerne investieren würde, hat dafür oftmals nicht das Kaptal. Wer das Kapital habe, würde meist nicht investieren. Er schlug ein Konsortium aus verschiedenen Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie ein Fahrzeugpool der europäischen Staaten vor.
Unter Verweis auf die höheren Pro-Kopf-Investitionen Österreichs ins Schienennetz als beispielsweise Deutschland stieg Kurt Bauer in die Thematik ein. Auch bei den Fahrzeugen würden die ÖBB investieren. Bis 2027 würde Siemens die neuen Wagen ausliefern. Die neuen Wagen böten zwei Rollstuhlplätze inklusive Raum für Begleitpersonen an. Bei der Barrierefreiheit würden „keine Kompromisse“ gemacht werden. Das Netz würde durch die neuen Fahrzeuge aber „nicht gigantisch“ wachsen, sondern vor allem würde das aktuelle Netz gestärkt werden. Neu hinzu komme die Linie Berlin – Paris. Sehr aufwändig sei die Zulassung der Fahrzeuge für andere Länder wie beispielsweise Frankreich. Die Kooperation mit der Deutschen Bahn (DB) laufe sehr gut. Die DB würde die ÖBB auch bei den betrieblichen Risiken entlasten. Hilfreich für den Nachtzugverkehr wäre eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf die Fahrscheine auf null. Auf die Diskussion im Chat über die sinnvollen Höchstgeschwindigkeit im Nachtzugverkehr ging Bauer auch ein: Tempo 200 würden reichen, ab Tempo 230 würden die Fahrzeuge „richtig teuer“. Mit den neuen Fahrzeugen würden die Preise für die Mitfahrt steigen, jedoch gäbe es dafür auch mehr Komfort/Intimität und zudem relativ preiswerte neue Single-Kleinkapseln. Von den Teilnehmenden wurde auch die Zukunft der Autoreisezüge aufgeworfen. Kurz Bauer verwies darauf, dass die Nachfrage danach sehr saisonal beschränkt sei, die Züge sehr viel von den knappen Trassenkapazitäten verbrauchen würden und mit neuen Fahrzeugen ein Betrieb nicht wirtschaftlich durchführbar sei.
Anna Deparnay-Grunenberg, Mitglied im EU-Verkehrsausschuss, betonte anschließend, dass für die echte Renaissance des Nachtzugnetzes in der EU noch viel zu tun sein. Zwar gab es in der aktuellen Legislatur bereits positive Ansätze wie das Jahr der Schiene 2021 und den “Rail Action Plan” – viele Maßnahmen müssen allerdings noch umgesetzt werden. Dabei verwies Anna Deparnay-Grunenberg insbesondere auf den fairen Wettbewerb zwischen Verkehrsträgern – wozu es dringend eine Kerosinsteuer sowie vergünstigte und faire Trassenpreise bräuchte. Außerdem gilt es, das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN‑V) zügig auszubauen und technische Standards anzugleichen. Zuletzt forderte sie eine unkomplizierte europäische Buchungsplattform sowie starke und verlässliche Fahrgastrechte, um eine Fahrt mit dem Nachtzug zukünftig attraktiver zu gestalten.
Hier kann das Bahngespräch nachträglich angeschaut werden: https://www.youtube.com/watch?v=PGPgV7rNpfg&ab_channel=MatthiasGastel
Hier geht es zu den grünen Ideen für ein europäisches Nachtzugnetz: https://bahnstrategie.matthias-gastel.de/nachtzug.php
Hier weitere, aktuelle Infos: https://www.matthias-gastel.de/neue-nachzuege-braucht-das-land/