Gedanken zum 01. Mai

01.05.2023

Nicht alles ist gut

Der hohen Infla­ti­on fol­gen hohe Lohn­ab­schlüs­se. Also alles gut? Am heu­ti­gen Tag der Arbeit rich­te ich mei­nen Blick auf eine Bran­che, mit der ich mich seit Jah­ren inten­siv befas­se und in der für die Beschäf­tig­ten lei­der viel­fach nicht alles gut ist: Die Stra­ßen­lo­gis­tik. Wäh­rend bei der Bahn nahe­zu flä­chen­de­ckend Tarif­bin­dun­gen bestehen und star­ke Gewerk­schaf­ten erheb­li­che Ver­bes­se­run­gen bei den Arbeits­be­din­gun­gen durch­ge­setzt haben, herrscht auf der Stra­ße manch­mal Wild­west. Fah­re­rin­nen und Fah­rern aus immer ent­fern­te­ren Län­dern wird der Min­dest­lohn vor­ent­hal­ten, sie müs­sen wochen­lang in engen Fah­rer­ka­bi­nen näch­ti­gen und längst nicht auf allen Rast­plät­zen und an allen Lade­ram­pen fin­den sie akzep­ta­ble hygie­ni­sche Bedin­gun­gen vor. Bei Gesprä­chen mit Fahr­per­so­nal auf einem Rast­platz wur­de mir zudem von erschwer­tem Zugang zu Trink­was­ser und aus­blei­ben­den Löh­nen im Krank­heits­fall berich­tet. Dies beschreibt Zustän­de in einem Teil der Bran­che. Wer sich an die Regeln hält droht im unfai­ren Wett­be­werb mit den Bil­lig­hei­mern unter­zu­ge­hen. Wie die rau­en Sit­ten eini­ger aus­län­di­scher Bil­lig­un­ter­neh­men selbst bei uns aus­ge­tra­gen wer­den konn­ten wir kürz­lich sehen: Auf einem Rast­platz woll­ten para­mi­li­tä­ri­sche Ein­hei­ten eines pol­ni­schen Unter­neh­mens Fah­rer, die wegen aus­blei­ben­der Löh­ne gestreikt haben, zur Wei­ter­ar­beit zwin­gen. Ich bin sehr froh, dass es mir mit Kol­le­gen der bei­den ande­ren „Ampel­frak­tio­nen“ gelun­gen ist, einen gemein­sa­men Antrag für bes­se­re Arbeits­be­din­gun­gen auf den Weg zu brin­gen. Wir for­dern stren­ge­re Kon­trol­len und Stra­fen für Ver­stö­ße. Zudem wol­len wir öffent­li­che Auf­trä­ge dar­an knüp­fen, dass Min­dest­stan­dards wie Tarif­treue ein­ge­hal­ten wer­den. Für vie­le Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer haben sich Chan­cen auf dem Arbeits­markt und Arbeits­be­din­gun­gen in den letz­ten Jah­ren deut­lich ver­bes­sert. Der heu­ti­ge „Tag der Arbeit“ ist aber ein guter Anlass, sich mit denen zu soli­da­ri­sie­ren, die nicht auf der Son­nen­sei­te des Arbeits­mark­tes ste­hen, son­dern zum Spiel­ball des (glo­ba­li­sier­ten) Mark­tes gewor­den sind.