Nicht alles ist gut
Der hohen Inflation folgen hohe Lohnabschlüsse. Also alles gut? Am heutigen Tag der Arbeit richte ich meinen Blick auf eine Branche, mit der ich mich seit Jahren intensiv befasse und in der für die Beschäftigten leider vielfach nicht alles gut ist: Die Straßenlogistik. Während bei der Bahn nahezu flächendeckend Tarifbindungen bestehen und starke Gewerkschaften erhebliche Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen durchgesetzt haben, herrscht auf der Straße manchmal Wildwest. Fahrerinnen und Fahrern aus immer entfernteren Ländern wird der Mindestlohn vorenthalten, sie müssen wochenlang in engen Fahrerkabinen nächtigen und längst nicht auf allen Rastplätzen und an allen Laderampen finden sie akzeptable hygienische Bedingungen vor. Bei Gesprächen mit Fahrpersonal auf einem Rastplatz wurde mir zudem von erschwertem Zugang zu Trinkwasser und ausbleibenden Löhnen im Krankheitsfall berichtet. Dies beschreibt Zustände in einem Teil der Branche. Wer sich an die Regeln hält droht im unfairen Wettbewerb mit den Billigheimern unterzugehen. Wie die rauen Sitten einiger ausländischer Billigunternehmen selbst bei uns ausgetragen werden konnten wir kürzlich sehen: Auf einem Rastplatz wollten paramilitärische Einheiten eines polnischen Unternehmens Fahrer, die wegen ausbleibender Löhne gestreikt haben, zur Weiterarbeit zwingen. Ich bin sehr froh, dass es mir mit Kollegen der beiden anderen „Ampelfraktionen“ gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag für bessere Arbeitsbedingungen auf den Weg zu bringen. Wir fordern strengere Kontrollen und Strafen für Verstöße. Zudem wollen wir öffentliche Aufträge daran knüpfen, dass Mindeststandards wie Tariftreue eingehalten werden. Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich Chancen auf dem Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren deutlich verbessert. Der heutige „Tag der Arbeit“ ist aber ein guter Anlass, sich mit denen zu solidarisieren, die nicht auf der Sonnenseite des Arbeitsmarktes stehen, sondern zum Spielball des (globalisierten) Marktes geworden sind.