Sicherheit kann effizienter gewährleistet werden
Immer häufiger und mit immer gravierenderen Auswirkungen auf den Bahnverkehr kommt es zur Alarmmeldung „Personen im Gleis“. Längst nicht immer befinden oder befanden sich dann tatsächlich Menschen im Gefahrenbereich. Ich habe eine öffentliche Debatte über den Umgang mit diesen Meldungen ausgelöst. Die Deutsche Bahn unterstützt eine veränderte Vorgehensweise. Einigkeit besteht darin, dass keine Abstriche bei der Sicherheit gemacht werden sollen.
Wenn Lokführer oder Triebfahrzeugführer unberechtigte Personen in verdächtiger Nähe zu Gleisen oder gar auf Gleisen entdecken, müssen sie dies melden. Meist lässt sich die Situation auf die Schnelle nicht vollständig erfassen. Bis die Meldung erfolgt ist, können die Personen sich bereits wieder entfernt haben. In jedem Fall werden durch die Meldung hektische Reaktionen ausgelöst. Die Deutsche Bahn stellt diese so dar:
Die Meldung des Triebfahrzeugführers geht im Stellwerk ein. Der Fahrdienstleiter entscheidet, was passiert. Er kann die Strecke sperren oder langsam auf Sicht fahren lassen. Zudem wird die Bundespolizei alarmiert. Diese kann jederzeit die Sperrung einer Strecke oder Fahren auf Sicht anordnen. Manchmal wird die Polizei/Bundespolizei von Anliegern oder Spaziergängerinnen informiert, wenn diese etwas Auffälliges beobachtet haben. Häufiger ergehen Meldungen von Triebfahrzeugführern und Fahrdienstleitern. Letzterer informiert die Notfallleitstelle der DB Netz. Diese wiederum informiert die Bundespolizei und das Notfallmanagement der DB Netz. Die Bundespolizei kann nun wiederum entscheiden, was zu tun ist. In der Regel fahren dann Kräfte der Polizei zum gemeldeten Streckenabschnitt und beginnen ihre Untersuchungen. Bis zum Abschluss der Untersuchungen bleibt die Strecke gesperrt oder es wird auf Sicht gefahren. Meist ist es die Aufgabe der Bundespolizei, die Strecke wieder frei zu geben. Manchmal kann dies auch vom Notfallmanager veranlasst werden, wenn dieser zuerst am Ort des Einsatzes ist und die Situation geklärt hat, indem er beispielsweise die Personen aufgegriffen hat.
Soweit zu den möglichen Abläufen, die viel Zeit kosten und klare Verantwortlichkeiten vermissen lassen, wie die Deutsche Bahn bemängelt.
Aus Reihen der Deutschen Bahn wurde daher der Wunsch nach einer klaren gesetzlichen Regelung laut. Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sollten klarer geregelt werden und zudem sollte häufiger langsam (20 Stundenkilometer) gefahren werden dürfen (jedoch Sperrung, wenn Kinder im Gleis vermutet werden!). Langsames Fahren hält nicht nur den Betrieb aufrecht und vermeidet lange Rückstaus von Zügen, sondern kann auch der Aufklärung dienen. Denn nicht alle Streckenabschnitte sind von außen gut einsehbar.
Mögliche Ansatzpunkte für ein effizienteres Vorgehen bei „Personen im Gleis“:
- Eine Differenzierung zwischen „am Gleis“ und „im Gleis“ kann hilfreich für die Einordnung und die Entscheidung über Maßnahmen sein.
- Notfallmanager der Infrastrukturbetreiber sollten Sonderrechte nach der StVO erhalten, um schneller an die Einsatzstelle gelangen zu können. Siehe Vorschlag der „Beschleunigungskommission Schiene“, S. 29
- Langsames Fahren zur Feststellung der Situation (nicht, wenn Kinder im Gleis vermutet werden!).
- Klärung der Rollen zwischen Landes- und Bundespolizei: Bundespolizei ist geschult, hat aber meist längere Anfahrtswege als Landespolizei
- Kameras an Loks und Triebzügen zur Überwachung der Gleise und schnelleren Bewertung der Situation. Die Aufnahmen sind nach einer definierten Zeit automatisch zu löschen.
- Bessere Information über die Risiken bei Aufenthalt an und auf Gleisen (Hinweis: Die Verkehrsdisziplin hat deutlich nachgelassen, wie leider auch an Bahnübergängen festzustellen ist).
- Ist tatsächlich ein Personenschaden eingetreten, könnten die Ermittlungen von der Kriminalpolizei, die erst anfahren muss, auf die ohnehin anwesende und schon früh eingebundene Bundespolizei übertragen werden. Siehe Vorschlag der „Beschleunigungskommission Schiene“, S. 29
Die Meldung „Personen im Gleis“ führt immer häufiger zu erheblichen Auswirkungen auf den Bahnverkehr. Klar ist: Die Sicherheit hat Vorrang. Werden Personen im oder verdächtig nahe am Gleis gesichtet, muss reagiert werden. Aber erfolgen die Reaktionen schnell und effizient, ganz im Interesse von Sicherheit und Reisenden? Daran sind Zweifel angebracht. Daher meine Vorschläge, mit denen ich Forderungen aus Reihen der Deutschen Bahn sowie der „Beschleunigungskommission Schiene“ aufgegriffen habe. Aus der Fachwelt gab es viele, im Grundsatz überwiegend positive Rückmeldungen.
Feedbacks von Eisenbahnern (gekürzt)
„Als ich in unseren DB-internen Medien gelesen habe, dass Sie einen Vorstoß in Richtung Lockerung der Regelungen bei Personen am Gleis unternommen haben, habe ich mich sehr darüber gefreut. Ehrlich gesagt kann ich als Eisenbahner und früherer Fahrdienstleiter die gegenwärtige strikte Regelung auch nicht nachvollziehen, dass auch nur bei Verdacht von Personen am oder im Gleis sofort die komplette Strecke gesperrt wird, bis dann irgendwann nach Alarmierung die Bundespolizei am „Tatort“ eintrifft. Zu der Zeit sind dann die Personen in der Regel verschwunden, sie werden noch gesucht und bis die Strecke wieder freigegeben wird, vergeht in der Regel fast eine Stunde…
Offensichtlich tritt dieser Fall häufiger auf, als in der Vergangenheit, mit steigender Tendenz. Trotzdem: Auch früher gab es Personen IM Gleis. Der Fahrdienstleiter hat die Züge angehalten und mit einem sog. „Vorsichtsbefehlt“ unterwiesen, im fraglichen Abschnitt mit maximal 40 km/h und auf Sicht zu fahren.
Was kann da passieren?
Natürlich wird dann die „Verantwortung“ auf den Lokführer übertragen, aber: Wozu sitzt der denn da vorne in der Lok? Es ist m.E. nicht zu viel verlangt, wenn er auf Sicht fährt.“
Quelle: Ehemaliger Fahrdienstleiter
„Ein wertvoller Ansatz, um den ÖPNV nicht täglich komplett in den Stillstand zu bremsen. Das Team DB (übergreifend durch alle beteiligten Gesellschaften) wird sein Bestes geben, zusammen mit der Bundespolizei hier spürbare Verbesserungen zu erreichen.“
Quelle: DB-Führungskraft in einem S‑Bahn-Netz
„Ich bin im Ruhestand, nachdem ich vorher mehr als 50 Jahre bei der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bahn AG beschäftigt war. Noch in meiner aktiven Zeit bei der Deutschen Bahn AG habe ich Regeln vorgeschlagen, die anzuwenden sind um der Gefahr zu begegnen, aber Züge nicht unnötig lange verzögern. Um Personen gegen die Gefahren, die für sie durch Züge entstehen können, zu schützen, muss dafür gesorgt werden, dass Personen auf sich nähernde Eisenbahnfahrzeuge aufmerksam gemacht werden.
Grundsätzlich wird die Gefahr, die durch den Bahnbetrieb entsteht, vor allem durch die von Zügen gefahrenen hohen Geschwindigkeiten verursacht, mit denen sich ein Zug einer Person nähert. Folglich kann durch Herabsetzen der Geschwindigkeit für eine sich im Gleisbereich aufhaltende Person die Möglichkeit geschaffen werden, sich nähernde Eisenbahnfahrzeuge zu erkennen und den Gleisbereich rechtzeitig zu verlassen. Ist bekanntgeworden, dass Personen durch den Bahnbetrieb gefährdet werden können, und steht nicht fest, dass die Personen den Gleisbereich verlassen haben, soll die zulässige Geschwindigkeit, die Züge an der Gefahrenstelle fahren dürfen, auf 20 km/h herabgesetzt werden. Personen, die sich im Gleisbereich befinden werden durch das Achtungssignal des Triebfahrzeugführers auf sich nähernde Züge aufmerksam gemacht. Die Triebfahrzeugführer der betroffenen Züge sollen außerdem angewiesen werden, nach Personen im Gleisbereich zu schauen und das Ergebnis zu melden.“
Quelle: Ein Eisenbahner im Ruhestand
„Danke für die Forderung. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Kindern und Erwachsenen.“
Quelle: Ein Lokführer
Weiterführende Informationen (früherer Beitrag von mir): https://www.matthias-gastel.de/zunahme-bei-personen-im-gleis/