Die Ampelkoalition muss infolge eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts Kürzungen im Haushalt vornehmen. Die Wogen schlugen hoch, als die Koalitionsspitze erhebliche Einsparungen bei den Agrarsubventionen vorgeschlagen hatte. Nachdem ein Großteil der Kürzungsvorschläge zurück genommen wurde, wird die Debatte zunehmend breiter. Die Situation vieler Bäuerinnen und Bauern kommt in den Fokus.
In den vergangenen 20 Jahren mussten rund 150.000 landwirtschaftliche Betriebe schließen. Dafür gab es viele Gründe, von kaum tragfähigen Erlösen bis hin zur ungelösten Betriebsnachfolge. In dieser Woche war ich zu Gast bei einer Bauerndemo in Nürtingen. Ich konnte mit 15 bis 20 Bäuerinnen und Bauern sprechen und eine Rede halten. Dabei verwies ich darauf, dass viele Mitglieder meiner Fraktion, darunter auch ich, auf den Verzicht einer überzogenen Subventionskürzung (Streichung von Kfz-Steuerbefreiung und Begünstigung von Dieselkraftstoff) gedrängt hatten. Mit Erfolg: Die Kfz-Steuerbefreiung (480 Millionen Euro) soll bleiben. Die Agrardieselbeihilfe (440 Millionen Euro) soll über drei Jahre schrittweise abgebaut werden. Ich warb auf der Demo für einen Dialog, in dem gemeinsame Lösungen für die großen Herausforderungen gesucht werden. Diese liegen in der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, in der weiteren Verbesserung des Tierwohls, im Klimaschutz sowie im Naturschutz/Landschaftspflege. Von den Landwirt*innen vorgebracht wurde häufig auch Kritik an der Bürokratie. Ein Thema ist, wie die Landwirtschaft unterstützt werden kann, um allmählich vom fossilen Diesel unabhängig zu werden. Stichworte hierzu sind Biokraftstoffe und elektrische Antriebe. Die Politik hat also gemeinsam mit der Branche Lösungen zu finden. Aber auch die Gesellschaft steht in der Verantwortung: Weshalb wird bei uns in Deutschland ausgerechnet bei der Ernährung gegeizt? Weshalb ist so vielen Menschen Freizeit, Urlaub und ein fettes Auto wichtiger als der regionale und saisonale Einkauf von Produkten örtlicher landwirtschaftlicher Betriebe und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung? Es kann nicht sinnvoll sein, gegen die Gleichgültigkeit vieler Verbraucher mit Steuergeld anzusubventionieren. Letztlich muss es doch darum gehen, den Bauern anständige Erzeugerpreise zu ermöglichen. Gut finde ich daher das, was Landwirtschaftsminister Cem Özdemir gesagt hat: “Mein Vorschlag: Lasst uns die Krise nutzen, um jetzt all die liegengebliebenen Themen der deutschen Landwirtschaftspolitik anzupacken“.
In dieser Woche war ich zudem bei einem großen Bioland-Betrieb im Landkreis Heidenheim zu Besuch (140 Hektar, betrieben durch vier Familien, 60 Mitarbeitende). Dort werden Milchvieh, Rinder, Wasserbüffel, Schafe und Ziegen gehalten. Angebaut werden Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Hirse und Linsen sowie Salate und Obst. Der Vertrieb erfolgt unter anderem über einen Hofladen mit großem (auch zugekauftem) Sortiment. Nach einem Rundgang über den Hof setzte ich mich mit einem der Bauern zu einem ausführlichen Gespräch zusammen. Er unterstützte den Abbau der Dieselsubventionen. Seiner Meinung nach könne viel Kraftstoff eingespart werden (kleinere Traktoren, Verzicht aufs Pflügen usw.). Wichtig sei die stärkere Förderung nicht nach bewirtschafteter Fläche, sondern nach dem, was mit den Flächen gemacht wird – und natürlich mehr Verbraucherinnen und Verbraucher, die einen fairen Preis bezahlen.
Abschließend weise ich darauf hin, dass das gegenwärtige öffentliche Bild durch die “Bauerndemos“ bestimmt wird. In den Jahren zuvor waren es die Demos “Wir haben es satt“, bei denen Zehntausende für eine tier- und naturverträglichere Landwirtschaftspolitik und gesunde Lebensmittel auf die Straßen gingen. Die Politik bekommt also aus mehreren Richtungen Druck, wobei die Forderungen nicht immer im Widerspruch zueinander stehen müssen: Die Bäuerinnen und Bauern wollen Anerkennung ihrer Leistungen, gesicherte Einkommen, von denen sie leben können und sie wollen nicht durch bürokratische Vorschriften stranguliert werden. Aus der Öffentlichkeit kommen Forderungen nach Tierwohl, Naturschutz und weniger Pestizideinsatz. Wir als Politik haben die Aufgabe, diese Anforderungen bestmöglich und im Dialog mit der Landwirtschaft und dem Natur-/Tierschutz zusammen zu bringen.