Umweltpolitik der Ampel auf dem Prüfstand

Die Ampel­re­gie­rung hat­te sich auch in der Umwelt­po­li­tik viel vor­ge­nom­men. In einer ers­ten Ver­an­stal­tung nach dem Regie­rungs­wech­sel hat­ten wir bereits über die ver­ein­bar­ten Zie­le gespro­chen. Nun folgt ein Zwi­schen­fa­zit: Was konn­te für den bes­se­ren Schutz von Natur und Umwelt erreicht wer­den? Was wur­de getan und was ist bis zum Ende der Wahl­pe­ri­ode noch vor­ge­se­hen für sau­be­re Luft, sau­be­res Was­ser, den Schutz der Mee­re und auch eine intak­te Tier- und Pflan­zen­welt? Wie steht es um Res­sour­cen­schutz und Recy­cling? Wel­che Maß­nah­men wur­den für die Kli­ma­an­pas­sung ergrif­fen?

Über die­se Fra­gen sprach ich wie­der mit mei­ner Kol­le­gin in der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on, Dr. Bet­ti­na Hoff­mann. Sie ist Bio­lo­gin und Par­la­men­ta­ri­sche Staats­se­kre­tä­rin im Minis­te­ri­um für Umwelt, Natur­schutz, Nuklea­re Sicher­heit und Ver­brau­cher­schutz.

Fra­ge: Erwar­tungs­ge­mäß haben die Grü­nen im Zug der Regie­rungs­bil­dung nach dem Umwelt­res­sort gegrif­fen. Damit kön­nen wir für die Umwelt­po­li­tik am meis­ten errei­chen. Das weckt hohe Erwar­tun­gen. Aber auch dann, wenn man die Minis­te­rin stellt, ist man auf Mehr­hei­ten in der Koali­ti­on ange­wie­sen. Wo ist es bis­her gut gelau­fen und wo hakt es in der Zusam­men­ar­beit mit SPD & FDP?

Ant­wort: Gera­de in die Umwelt­po­li­tik sind wir mit unse­rem Koali­ti­ons­ver­trag sehr ambi­tio­niert gestar­tet. Die Umset­zung ist nicht immer ein­fach, da wir Mehr­hei­ten benö­ti­gen und oft­mals auch auf Finan­zie­rung ange­wie­sen sind. Doch wir kön­nen über­wie­gend eine gute Bilanz vor­zei­gen. Ein Bei­spiel ist das „Akti­ons­pro­gramm natür­li­cher Kli­ma­schutz“. Hier wird mit 200 Mil­lio­nen Euro die Ent­sie­ge­lung, natur­na­he Begrü­nung kom­mu­na­ler Flä­chen, Rena­tu­rie­rung von Fließ- und Still­ge­wäs­sern und der Auen­schutz geför­dert. Es kön­nen dabei über 100 Pro­jek­te (und allei­ne 10 Pro­jek­te in Baden-Würt­tem­berg) im Zuge die­ses Pro­gramms rea­li­siert wer­den

44.000 Arten gel­ten welt­weit als vom Aus­ster­ben bedroht. Stef­fi Lem­ke spricht von „Arten­aus­ster­ben“ statt „Arten­ster­ben“. Was konn­te für den Schutz der Arten inter­na­tio­nal wie natio­nal erreicht wer­den?

Wir hat­ten vie­le Kon­fe­ren­zen. Ins­be­son­de­re das Über­ein­kom­men von Mont­re­al ist ein gro­ßer Erfolg. Das ver­ein­bar­te Schutz­ziel sieht vor, dass jeweils 30 Pro­zent der Lan­des- und der Mee­res­flä­chen unter Schutz gestellt wer­den. Je ein Drit­tel davon soll streng geschützt wer­den. Wich­tig ist aber auch die Qua­li­täts­si­che­rung bestehen­der Schutz­ge­bie­te und Rena­tu­rie­rung durch das neue Euro­pean Natu­re Restau­ra­ti­on Law im Zuge des Euro­pean Green Deals. Gera­de die­se Umset­zung ist für Stef­fi Lem­ke ein Her­zens­pro­jekt und erfor­der­te viel Enga­ge­ment und vie­le Dia­lo­ge auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne.

Die Ener­gie­wen­de mit dem Aus­bau der Wind­ener­gie wird oft als Wider­spruch zum Vogel­schutz und Frei­flä­chen-PV als Wider­spruch zum Flä­chen­schutz dar­ge­stellt. Wie lässt sich das auf­lö­sen, denn wir wol­len ja alles? Hin­weis: Ich war heu­te am Flug­ha­fen, um eine neue Frei­flä­chen-PV-Anla­ge anzu­schau­en. Da sich die­se hin­ter dem Zaun befin­det besteht hier mal kein Nut­zungs­kon­flikt. Natur­schutz­recht­li­che Fra­gen muss­ten selbst­ver­ständ­lich den­noch gelöst wer­den.

Wir brau­chen einen ganz­heit­li­chen Schutz der Öko­sys­te­me. Dafür ist auch der Kli­ma­schutz durch den Aus­stieg aus fos­si­len Ener­gie­trä­gern wich­tig. Die erneu­er­ba­ren Ener­gien müs­sen aber selbst­ver­ständ­lich so natur­ver­träg­lich wie mög­lich aus­ge­baut wer­den und ggf. ist ein öko­lo­gi­scher Aus­gleich erfor­der­lich. Um Ent­schei­dun­gen zustan­de zu brin­gen sind immer wie­der Abwä­gun­gen vor­zu­neh­men und manch­mal sind auch schmerz­haf­te Kom­pro­mis­se erfor­der­lich. Wir konn­ten errei­chen, dass Wind­rä­der an sen­si­blen Orten bei Vogel­flug gestoppt wer­den müs­sen und dass geziel­te Arten­hilfs­pro­gram­me für Vögel, Fle­der­mäu­se und Mee­res­säu­ger auf­ge­legt wer­den. Für Frei­flä­chen-PV-Anla­gen wur­den Min­dest­stan­dards wie Pes­ti­zid­ver­zicht und für klei­ne­re Tie­re durch­läs­si­ge Zäu­ne ver­an­kert.

Ins­be­son­de­re Stick­oxi­de und Fein­stäu­be sind es, die unse­re Luft in gesund­heits­ge­fähr­den­dem Aus­maß belas­ten kön­nen. Was wur­de für eine gesün­de­re Luft erreicht?

Zu vie­le Men­schen müs­sen in zu stark belas­te­ter Luft leben. Ins­be­son­de­re beim beson­ders klei­nen Fein­staub müs­sen wir die Belas­tung sen­ken. Es ist gut, dass wir uns auf EU-Ebe­ne auf stren­ge­re Grenz­wer­te, die nur noch die Hälf­te betra­gen dür­fen, eini­gen konn­ten.

Beim Was­ser geht es um eine gute Qua­li­tät unse­res Trink­was­sers, Flüs­se und Seen als Lebens­räu­me für vie­le Pflan­zen- und Tier­ar­ten. In jedem Fall muss ver­hin­dert wer­den, dass schä­di­gen­de Stof­fe ins Trink­was­ser und in die Fließ­ge­wäs­ser gelan­gen. Viel­fach ist das Was­ser sau­be­rer gewor­den. Wo besteht noch Hand­lungs­be­darf und was wird getan?

Wir haben eine natio­na­le Was­ser­stra­te­gie mit 78 Maß­nah­men, auf­ge­teilt in 10 Hand­lungs­fel­der, beschlos­sen. Dabei geht es unter ande­rem um den Auen­schutz und um den Aus­bau der Klär­an­la­gen. Wir wer­den die Her­stel­ler von Mikro­plas­tik an der Finan­zie­rung der vier­ten Rei­ni­gungs­stu­fen in Klär­an­la­gen betei­li­gen. Wich­tig zu wis­sen ist, dass der Was­ser­ver­brauch steigt (Bewäs­se­rung von Äckern, Indus­trie). Zukünf­tig muss mit Kon­flik­ten bei der Ver­tei­lung von Was­ser gerech­net wer­den. Prio­ri­tät hat aber die Ver­sor­gung der Men­schen mit Trink­was­ser. Des­halb wird der­zeit eine Leit­li­nie ent­wi­ckelt, die lang­fris­tig auch in ein Gesetz umge­setzt wer­den soll, um die Ansprü­che aller Kon­flikt­par­tei­en zu regeln.

Die Mee­re stel­len ein­zig­ar­ti­ge, teils noch uner­forsch­te Lebens­räu­me dar. Doch sie wer­den durch Abwäs­ser, Kunst­stoff­ab­fäl­le und Über­fi­schung bedroht. Eines davon grei­fe ich her­aus: Was tut die Bun­des­re­gie­rung für gesun­de Mee­re?

Auch hier haben wir an inter­na­tio­nal gro­ßen Erfol­gen mit­wir­ken kön­nen. Unter ande­rem konn­te end­lich, nach 20 Jah­ren Kraft­an­stren­gung, das UN-Mee­res­ab­kom­men beschlos­sen wer­den. So wer­den groß­flä­chi­ge Mee­res­schutz­ge­bie­te aus­ge­wie­sen und Moni­to­ring ver­an­kert. Für die Ost­see, die öko­lo­gisch fast tot ist, braucht es eine beson­de­re Schutz­stra­te­gie.

Der Kli­ma­schutz an sich ist im Res­sort von Robert Habeck ange­sie­delt. Die Kli­ma­an­pas­sung hin­ge­gen ist Auf­ga­be im Umwelt­mi­nis­te­ri­um. Hier geht es dar­um, sich bes­ser auf höhe­re Tem­pe­ra­tu­ren und Extre­me wie Tro­cken­heit und Stark­re­gen vor­zu­be­rei­ten. Auf Eurer Home­page ist zu lesen: „Wesent­li­che Instru­men­te sind ein Kli­ma­an­pas­sungs­ge­setz, die Wei­ter­ent­wick­lung der Deut­schen Anpas­sungs­stra­te­gie hin zu einer vor­sor­gen­den Kli­ma­an­pas­sungs­stra­te­gie mit mess­ba­ren Zie­len sowie die Ver­an­ke­rung einer gemein­sa­men Finan­zie­rung von Bund und Län­dern.“ Was ist dar­aus gewor­den?

Wir haben zahl­rei­che För­der­pro­gram­me auf­ge­legt, so für mehr Son­nen­schutz an öffent­li­chen Gebäu­den und für Trink­was­ser­brun­nen. Auch der Küs­ten­schutz und das Prin­zip der „Schwamm­stadt“ (bei dem Regen­was­ser zur Küh­lung zurück gehal­ten statt gleich abge­lei­tet wird) wird immer wich­ti­ger. Es muss zukünf­tig in einem gemein­sa­men Bemü­hen aller Träger:innen der öffent­li­chen Hand die Kli­ma­an­pas­sung auf­ge­grif­fen und berück­sich­tigt wer­den.

Wir schlie­ßen mit dem lei­di­gen The­ma „Roh­stof­fe und Müll“: Vor Recy­cling und Besei­ti­gung soll­te immer die Ver­mei­dung ste­hen. Man wun­dert sich ja gera­de beim Ein­kauf oft, wie inten­siv Pro­duk­te ver­packt wer­den und lei­der auch dar­über, was alles in der Natur her­um­liegt. Ich sel­ber gehö­re zu denen, die immer wie­der mit einer Tüte los­zie­hen und im Wald Müll auf­sam­meln. Was wird getan, um weni­ger Ver­pa­ckun­gen ent­ste­hen zu las­sen? Wo ste­hen wir bei der Umset­zung des Koali­ti­ons­ver­trags beim The­ma Kreis­lauf­wirt­schaft? Wel­che Schwer­punk­te hat das BMUV hier gesetzt und was kommt noch in die­se Legis­la­tur?

Wir müs­sen den pri­mä­ren Roh­stoff­ver­brauch sen­ken. Des­halb haben wir Zie­le in den Blick genom­men. Dafür wird die Wirt­schaft ange­hal­ten, mehr Sekun­där­roh­stof­fe zu ver­wen­den. Eine kon­kre­te Maß­nah­me, die wir ger­ne umset­zen wol­len, ist das Recht auf Repa­ra­tur. Es geht um lang­le­bi­ge­re Pro­duk­te, die sich ein­fach repa­rie­ren las­sen, wenn sie Defek­te auf­wei­sen. Gesund­heits-schäd­li­che Inhalts­stof­fe und gefähr­li­che Stoff­grup­pen sol­len wei­ter ein­ge­schränkt wer­den, um ein Gefah­ren­po­ten­ti­al min­dern zu kön­nen, wenn Müll in die Natur gelangt und das Recy­cling zu erleich­tern.