Die Studie „Jugend in Deutschland 2024“ hatte für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Eine Aussage lautete nämlich, die AfD sei bei den 14- bis 29-Jährigen die beliebteste Partei. In Konstanz traf ich mich mit einem der Autoren, dem Politikwissenschaftler Kilian Hampel von der Universität Konstanz, zum Gespräch. Dazu eingeladen hatte ich auch junge Menschen.
Als eine der Gründe gaben die drei Herausgeber der Studie an, die AfD sei medientechnisch, vor allem auf Tiktok, weit voraus. Hinzu komme die schlechte, krisengeprägte Stimmung, die es einfacher mache, Menschen mit einfachen Aussagen zu ködern. Allerdings, dies wurde in der Berichterstattung über die Studienergebnisse gerne übersehen: Der größte Anteil der Befragten hat nicht „AfD“ geantwortet, sondern „ich weiß nicht“. Darin sehen die Wissenschaftler ein großes Potential für die anderen Parteien, doch noch die jungen Leute zu gewinnen.[1]
Deutschlands wohl bekanntester Jugendforscher Klaus Hurrelmann, der ebenfalls an der Studie „Jugend in Deutschland 2024“ mitgewirkt hatte, sieht im Europawahlergebnis mit Stärkung von AfD und „Volt“ durch junge Wählerstimmen keine Überraschung. Die Jungen seien noch nicht ideologisch festgelegt, sondern wählten danach, ob sie die ihnen wichtigen Themen ansprechen und Inhalte plausibel vertreten. Auf der Themenliste der jungen Leute stünden nicht mehr der Klimaschutz, der den Grünen vor fünf Jahren einen Höhenflug bescherte, sondern die Angst vor der Ausweitung des Krieges, die Flüchtlingsströme und die Sorge um den Wohlstand. Problematisch werde es für die politische Stimmung dann, wenn junge Wählende verschwörungstheoretische, nationalistische oder gar menschenverachtende Strömungen einfach in Kauf nehmen würden.[2]
Tatsächlich haben einige Bundesländer in den vergangenen Jahren die politische Bildung ausgebaut und beispielsweise die Anzahl der Unterrichtsstunden dafür erhöht oder verbindliche Demokratietage oder mehr Zeit für entsprechende Projektarbeit eingeführt.[3]
Bei der Europawahl 2024 haben lt. Forschungsgruppe Wahlen nur noch 11 Prozent der 16–24-Jährigen grün gewählt. Fünf Jahre zuvor, in der Hochzeit der Fridays-Bewegung, waren es noch dreimal so viele. Kaum weniger, nämlich acht Prozent, wählten „Volt“. Jeweils 17 Prozent der jungen Stimmen gingen an die Union und die AfD.[4]
Zwei Stunden lang habe ich mich mit Jugendforscher Kilian Hampel von der Uni Konstanz und einigen jungen Leuten über die Studienergebnisse und mögliche Konsequenzen daraus unterhalten. Die hohe Belastung vieler junger Menschen gehe von Inflation, Kriegen, Wohnraumproblemen, Sorge um Altersarmut/Rente und Migration (in dieser Reihenfolge) aus. Die psychische Belastung sei in der Coronazeit weiter gestiegen und habe sich seither nicht verringert. Einer der jungen Menschen bestätigte dies: Es gebe kein Gefühl der Erleichterung allein dadurch, dass eine Krise vorüber sei. Wichtig sei, so der Jugendforscher, pessimistischen Sichtweisen etwas Positives entgegenzusetzen, auf die psychischen Belastungen einzugehen und Politik einfacher zu erklären. Er ging auch auf den Aspekt ein, der in der medialen Berichterstattung über die Studie fast alles andere überlagert hatte: Dass nämlich 22 Prozent der jungen Menschen die Absicht haben würde, die AfD zu wählen, was diese zur stärksten Partei in dieser Altersgruppe machen würde. Hier sei aber immer wieder nicht vollständig berichtet worden. Die Studienautoren hätten darauf hingewiesen, dass genau ein Viertel der jungen Leute nicht wüssten, wem sie die Stimme geben sollten, woraus sich für die Parteien ein großes Potential ergeben würde, diese Klientel noch zu erreichen und zu gewinnen. Umso jünger der Personenkreis sei, umso häufiger wüssten die jungen Leute noch nicht, welche Partei sie präferieren. Bezüglich Parteipräferenzen sei feststellbar: Zur AfD neige häufig, wer wirtschaftliche Probleme und Schulden habe. Bei den Grünen sei auffällig, dass sie in ländlichen Räumen erheblich weniger Zuspruch fänden als in urbanen Gegenden (was die Europawahl bestätigt hat). Wie informieren sich junge Menschen über Politik? Diese Frage stelle ich meist, wenn ich mit jungen Leuten über Politik spreche. Antworten aus der Gesprächsrunde: Insta-Account der Tagesschau, TV-Nachrichten und Insta sowie Südkurier (die regionale Tageszeitung), Insta sowie arabische Medien und Markus Lanz und Tiktok, Tagesschau und Insta sowie Youtube und Südkurier. Und was sagt die Studie? Vorne mit deutlich über 50 Prozent liegt social media (Whatsapp, Instagram und Tiktok) – danach folgt lange nichts, bis mit 14 Prozent die Tageszeitung genannt wurde. Sieben Prozent der junge Menschen gab in der Studie an, sich gar nicht zu informieren. Insgesamt, so Forscher Hampel, sei das Interesse an politischen Themen zuletzt gestiegen. Ein Aspekt, den wir auch noch intensiv diskutiert haben, war die Frage der politischen Bildung in der Schule. Die Sicht der jungen Leute in meiner Gesprächsrunde: 45 Minuten pro Woche sind zu wenig, es sei zu wenig und man solle sich besser selber informieren sowie es sei wenig und oberflächlich. Von einem jungen Menschen gab es einen positiven Blick: In den zwei Schulstunden würden immer wieder mal aktuelle Themen wie anstehende Wahlen aufgegriffen. Da denke ich: Das wünsche ich mir überall …
[1] Südkurier v. 26.04.2024
[2] Die Welt v. 11.06.2024
[3] Die Tageszeitung v. 13.06.2024
[4] Berliner Zeitung v. 11.06.2024