Parteien haben in der Demokratie in Deutschland wichtige Aufgaben zu erfüllen. Mit der „Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes“ (Artikel 21 Grundgesetz) kommt den Parteien ein hohes Maß an Verantwortung zu. Daher genießen Parteien aus gutem Grund einen hohen Schutzstatus und können nur unter sehr strengen Bedingungen verboten werden. Artikel 21 unseres Grundgesetzes regelt, unter welchen Bedingungen Parteien verfassungswidrig sind und infolgedessen verboten werden können: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“ Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD bundesweit als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. Die Landesämter für Verfassungsschutz stufen die AfD in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als „gesichert Rechtsextrem“ ein.
Was der Verfassungsschutz sagt
Der Verfassungsschutz stellt in seinem Bericht 2023 zwar fest, dass „nicht alle Parteimitglieder als Anhänger extremistischer Strömungen betrachtet werden können“, jedoch würden Parteitage die bereits im Vorjahr festgestellte „Stärkung der extremistischen Strömungen innerhalb der Partei bestätigen“. Das extremistische Personenpotenzial liege bei etwa 11.000 Personen. In Verlautbarungen der AfD und ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten komme vielfach ein völkisch-abstammungsmäßig geprägtes Volksverständnis zum Ausdruck, das im Widerspruch zum Volksverständnis des Grundgesetzes stehe. So habe ein Bundestagsabgeordneter der AfD Deutsche mit Migrationshintergrund beispielsweise als „Passdeutsche“ herabgewüdigt. Seitens der AfD würden zudem rechtsextremistische und verschwörungstheoretische Narrative bedient, indem vor einem politisch forcierten Verdrängungsprozess zulasten ethnischer Deutscher gewarnt werde. Der AfD-Bundesverband veröffentlichte etwa eine „Karte des Schreckens“, die anhand einer demografischen Übersicht zeigen sollte, wie „überfremdet (…) Deutschland bereits“ sei. Im dazugehörigen Text unterstelle die Partei den Regierungsparteien „gegen Deutschland gerichtete Abschaffungspläne“. Funktionäre der Partei sprächen zudem vom „Bevölkerungsaustausch“. Derartige Vorstellungen würden auf Vorstellungen eines ethnisch homogenen deutschen Volkes beruhen. Darüber hinaus machte der Verfassungsschutz fremden- und muslimfeindliche Positionen in den Verlautbarungen der AfD aus. Insbesondere Asylsuchenden und Migrantinnen und Migranten aus islamisch geprägten Herkunftsländern würden oftmals pauschal eine kulturelle Inkompatibilität und ein ausgeprägter Hang zur Kriminalität unterstellt. Äußerungen einzelner Parteimitglieder enthielten zudem antisemitische Chiffren und Positionen. Insbesondere würde das Narrativ einer global agierenden Finanzelite verbreitet, welche die politisch Verantwortlichen in ihrem Handeln lenke. Es seien zudem Diffamierungen und Verunglimpfungen sowohl politischer Gegner als auch des Staates und seiner Repräsentantinnen und Repräsentanten festzustellen, die auf eine generelle Herabwürdigung und Verächtlichmachung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland abzielten. So werde die Bundesrepublik Deutschland schlechthin wiederholt mit diktatorischen beziehungsweise totalitären Systemen gleichgesetzt, um deren Legitimität insgesamt zu diskreditieren.
Der AfD-Landesverband in Thüringen wird vom Thüringer Amt für Verfassungsschutz seit März 2021 als “erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft, weil er verfassungsfeindliche Positionen vertreten würde. Diese sollen sich “in ziel- und zweckgerichteter Weise gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ richten, heißt es im aktuellen Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2023. Als Begründung für die Einstufung ist dort zu lesen: “Der Landesverband vertritt seit Jahren Positionen, die sich gegen die Menschenwürde, gegen das Demokratie- und gegen das Rechtsstaatsprinzip richten.“
Was Gerichte sagen – AfD und die Pressefreiheit
Das Verwaltungsgericht Köln bestätigt im Jahr 2022 die Einstufung der AfD als Verdachtsfall. Es gebe ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei. Dies habe das BfV in Gutachten und den dazugehörigen Materialsammlungen unter Kontextualisierung der als relevant erachteten Aussagen belegt. Die Einschätzung des BfV beruhe auf einer nicht zu beanstandenden Gesamtbetrachtung. Die Partei befinde sich in einem Richtungsstreit, bei dem sich die verfassungsfeindlichen Bestrebungen durchsetzen könnten. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte das Urteil und wies eine Berufung der AfD zurück.
Das Verwaltungsgericht Weimar wies die Klage der AfD Thüringen gegen die Einstufung als „gesichert Rechtsextrem“ zurück. Die AfD hatte beanstandet, dass ihr folgende Punkte vorgeworfen wurden: „Islamfeindlich mit Verstoß gegen die Menschenwürde“, “Angriffe auf das Rechtsstaatsprinzip“ und „Geschichtsrevisionismus“.
Immer wieder schließt die AfD Pressevertreter willkürlich von ihren Versammlungen aus und zeigt damit ein fragwürdiges Verständnis von Pressefreiheit. Jüngstes Beispiel von November 2024: Ein Korrespondent des bayerischen Rundfunks (BR), den die AfD Bayern nicht zum Parteitag in Greding zulassen wollte, darf nicht ausgeschlossen werden und kann berichten. Das Landgericht München hat dem Antrag des BR auf eine einstweilige Verfügung gegen die AfD stattgegeben.
Zur Begründung verweist das Gericht unter anderem auf die grundgesetzlich garantierte Rundfunk- und Berichterstattungsfreiheit. Doch damit nicht genug. Der BR berichtete: „Die AfD hat die Arbeit der Presse erheblich eingeschränkt. Kein freier Zugang zu AfD-Mitgliedern, keine freie Bewegung im Versammlungssaal. Selbst beim Gang auf die Toilette wurden Journalisten von Sicherheitsmännern begleitet. Die Security wurde angewiesen, spontane Unterhaltungen mit Parteimitgliedern auf den Gängen abzuwürgen. Interviews mit Mitgliedern? Nur mit persönlicher Genehmigung durch den Parteichef. Auch Kameradrehs wurden eingeschränkt: Die Presse muss auf der Tribüne im hinteren Teil der Halle bleiben, in einem abgegrenzten und bewachten Pressebereich. Die Kontrolle auf Schritt und Tritt fand sogar bis vor die Halle statt.“
Verhalten von AfD-Mitgliedern
Die mutmaßliche terroristische Vereinigung um Prinz Reuß erhielt für ihre Umsturzpläne Unterstützung aus den Reihen der AfD. Seit Ende 2022 Umsturzpläne eines Netzwerks der “Reichsbürger“-Szene bekannt wurden, sitzt die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann wegen Terrorverdachts in U‑Haft. Im November 2024 hatte der Generalbundesanwalt die “Sächsischen Separatisten“ ausheben lassen, die sich auf eine gewaltsame eigene Staatsgründung vorbereitet haben sollen und unter anderem „die Juden“ ausrotten wollte. Darunter befand sich ein bewaffneter AfD-Kommunalpolitiker. Der AfD-Spitzenkandidat bei der letzten Europawahl steht unter dringendem Tatverdacht, sich nachrichtendienstlich für China betätigt zu haben. Bei der Konstituierung des Thüringer Landtags ignorierte der von der AfD gestellte Alterspräsident bewusst das Parlamentsrecht, um parteiliche Interessen zu vertreten, was der Verfassungsgerichtshof beanstandete.
Im Bundestag ist es weit überwiegend die AfD, deren Abgeordnete sich durch ungebührliches Verhalten Ordnungsrufe der Präsidentin einhandeln. Im Jahr 2023 gab es 51 Ordnungsrufe, davon 31 an Mitglieder der AfD-Fraktion (Süddeutsche Zeitung vom 21.01.2024).
Hürden für ein Parteienverbot
Im AfD-Verbotsantrag der Abgeordneten Marco Wanderwitz und anderer wird auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, in dem der Nachweis für eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ein planvolles Vorgehen erforderlich sei.
Meine Erfahrung mit der AfD
Demokratisch gewählt worden zu sein, muss nicht identisch sein mit demokratischer Gesinnung. Die AfD fällt im Bundestag damit auf, dass sie Abgeordnete anderer Fraktionen verunglimpft und kaum inhaltlich, geschweige denn konzeptionell arbeitet. In Plenardebatten fällt sie häufig durch aggressive Beiträge mit Verunglimpfungen der anderen Fraktionen/Abgeordneten und der staatlichen Institutionen wie dem Deutschen Bundestag, dem Verfassungsschutz oder den Gerichten auf. Sie zog gegen die Nichtwahl ihrer Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt der/des Bundestagsvizepräsident*in vor Gericht – und verlor. Faktisch klagte die AfD-Fraktion gegen die freie Wahl, da sie ein bestimmtes Ergebnis einklagen wollte. Nach Vorstellung der AfD hätten die Abgeordneten also bestimmte Personen wählen müssen, was die freie Wahl ad absurdum geführt hätte. Das Recht der AfD liegt aber lediglich darin, Personen zur Wahl stellen zu dürfen. Das Recht umfasst keinen Anspruch auf einen bestimmten Wahlausgang. Dies ist ein Beispiel für das absurde Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis der AfD.
Hier mehr dazu, wie ich mich bereits mit der AfD auseinandergesetzt habe: https://www.matthias-gastel.de/zum-thema/afd/
Mein Fazit
Von der AfD geht eine Gefahr für unsere Demokratie in Deutschland aus. Die AfD lehnt auch wesentliche Prinzipien des deutschen Rechtsstaates ab. Sie vergiftet das politische und gesellschaftliche Klima, betreibt Hass und Hetze. Ihr Agieren in den Parlamenten dient der Verächtlichmachung demokratisch gewählter Organe. Interesse an Sacharbeit ist kaum zu erkennen. Aus diesen Gründen unterstütze ich im Grundsatz ein Verbotsverfahren.
Nach einer im Rahmen meiner Möglichkeiten liegenden Befassung mit dem Thema muss ich jedoch festhalten: Ein Verbotsverfahren sollte erst dann eingeleitet werden, wenn man den Optimismus dafür hat, das Verfahren erfolgreich abgeschlossen zu bekommen. Ein Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht würde aus Sicht der AfD eine Bestätigung in Form eines „demokratischen Gütesiegels“ und damit eine weitere Stärkung der AfD bedeuten. Nun bin ich weder Jurist noch Innenpolitiker. Ich befasse mich schwerpunktmäßig mit einem völlig anderen Thema. Daher kann ich mich nicht in alle Tiefen dieses Verfahrens, der Chancen und Risiken, einarbeiten. Ich habe aber mit mehreren Verfassungsrechtler*innen gesprochen. Zudem habe ich zahlreiche Interviews mit versierten Rechtsverständigen, so auch früheren Richtern am Bundesverfassungsgericht, gelesen. So sagte der ehemalige Verfassungsrichter Papier in der Südwestpresse, die Voraussetzungen für ein Verbot seien nach ihm vorliegenden Informationen nicht erfüllt. Daraus leite ich ab, dass ein Verfahren keineswegs im tatsächlichen Verbot enden muss. Vielmehr habe ich viel Skepsis vernommen. Ich habe aufgenommen, dass man faktisch nur einen Versuch frei hat, eine Partei verbieten zu lassen. Die Hürden dafür sind extrem hoch. Zudem würde das Verfahren vermutlich mehrere Jahre beanspruchen. Die Beweislage ist eher dünn, da einzelne Äußerungen von AfD-Mitgliedern nicht entscheidend sind, wenn diese nicht für die Organisation sprechen können. Einschätzungen des Verfassungsschutzes reichen dem Bundesverfassungsgericht nicht aus. Es wäre sogar so, dass mit Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens die AfD nur noch sehr beschränkt durch staatliche Stellen überwacht werden dürfte. Damit können unter Umständen kaum mehr verwertbare Belege gewonnen werden.
Erfolgversprechender könnte sein, (zunächst) ein Prüfverfahren einzuleiten. Dabei werden Erkenntnisse über die AfD zusammengetragen und bewertet. Die Ergebnisse könnten dann immer noch genutzt werden, um ein Verbotsverfahren ausreichend begründen zu können. Ein solcher Antrag wird gerade entwickelt. Ich unterstütze diesen und arbeite daran mit.
Dafür spricht auch, dass derzeit keine parlamentarische Mehrheit für ein Verbotsantrag absehbar ist, da die Fraktionen von CDU/CSU und der FDP dies ausgeschlossen haben.