Die S‑Bahn in der Region Stuttgart fährt derzeit zwei höchst widersprüchliche Rekorde ein: Steigende Fahrgastzahlen und gleichzeitig eine deutlich nachlassende Pünktlichkeit. Damit der eine – der Fahrgastzuwachs zulasten des privaten Autoverkehrs – sich fortsetzen kann, muss der andere Rekord gestoppt werden. Dazu hatte ich Ende Juli einen offenen Brief an den Verband Region Stuttgart, den Aufgabenträger für die S‑Bahnen, und an die DB Regio als Auftragsnehmer geschickt. Darin enthalten: Rund ein Dutzend an Vorschlägen und Forderungen für eine verlässliche S‑Bahn.
Der offene Brief wurde eingeleitet mit einer deutlichen Kritik an den neuen Zügen der Baureihe ET 430. Deren Türen benötigen zu lange, um sich zu öffnen und die Einstiegshöhe liegt um bis zu 9,5 cm über dem üblichen Bahnsteigniveau. Damit stellen die Züge einen Rückschritt in Sachen Barrierefreiheit dar. Betroffene, insbesondere Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, haben mir ihre alltäglichen Probleme damit bestätigt. Wenn der Lokführer manuell Rampen für den Ein- und Ausstieg anlegen muss, kostet dies wertvolle Zeit und raubt den Menschen mit Handicap außerdem ein Stück Selbstständigkeit. Konkret gefordert habe ich ein Sanierungsprogramm für die teilweise marode Infrastruktur der S‑Bahn (Gleisanlagen, Weichen, Signaltechnik, Oberleitungen, Kommunikation). Weitere von mir angesprochene Themen waren die zu häufig defekten Zugtüren, nicht verlässlich funktionierende Fahrgastinformationen sowie die unzureichenden Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der Deutschen Bahn bei nicht hinreichend erbrachten Leistungen.
Inzwischen hat ein Gespräch zwischen Vertretern des Verband Region Stuttgart, der DB Regio und mir stattgefunden. Wir haben dabei die genannten und einige weitere Punkte besprochen. Entwarnung kam von der DB Regio bezüglich der von mir beanstandeten zu häufigen Türstörungen. Diese seien bereits erheblich reduziert worden. Innerhalb der nächsten Monate sei auch eine Beschleunigung der Türöffnung möglich. Ob dieser Zeitvorteil auch dann noch gehalten werden kann, wenn eines Tages die Schiebetritte funktionieren, ist jedoch unsicher. Hier droht sich eine dauerhafte Verschlechterung gegenüber den älteren Zugmodellen zu etablieren. Die zentrale Öffnung der Türen durch den Lokführer wird sich nicht an allen Stationen umsetzen lassen. „Dauerbrenner“ seien die nicht immer hilfreichen Fahrgastinformationen mittels Lautsprecherdurchsagen und Anzeigetafeln. Das Personal werde besser geschult, so war zu vernehmen.
Das für mich Zentralste und Neueste waren Probleme bei der Durchsetzung von Standards durch den Auftraggeber. Der VRS schließt seinen Verkehrsvertrag mit der DB Regio. Für das Netz ist jedoch die DB Netz und für die Bahnhöfe die DB Station & Service zuständig. Treten hier Mängel auf, die sich nachteilig auf den Betrieb der S‑Bahnen und deren Fahrgäste auswirken, kann der Verband dies nicht sanktionieren. An dieser Stelle werde ich aktiv werden, denn hier ist die Bundespolitik gefragt.
Ein konkretes Beispiel sind die Rolltreppen, die mit häufigen und langwierigen Ausfällen – meist aufgrund von Vandalismus – ausfallen. Da einige Rolltreppen alt sind und Ersatzteile gesondert gefertigt werden müssen, habe ich Verband und DB gebeten, sich für deren komplette Erneuerung einzusetzen.
Im Rahmen der „präventiven Instandhaltung“ werden jeweils acht Millionen Euro für die Jahre 2014 und 2015 zusätzlich zur Verfügung gestellt, um die Leit- und Sicherungstechnik zu erneuern. Als besonders sensible Abschnitte, in denen sich die meisten Verspätungsminuten entwickeln, wurden die Tunnelstrecken, der Hauptbahnhof tief sowie die Linien S6/S60 lokalisiert. Vorrangig dort sollen infrastrukturelle Störungen durch gezielte Investitionen vermieden werden. Allerdings räumt der Verband ein, dass die bereitgestellten Zusatzmillionen nicht ausreichen werden. Mindestens acht von elf in einer Präsentation konkret dargestellten baulich-technischen Maßnahmen (siehe Link unten) wurden bereits umgesetzt – ohne Erfolg wie wir alle wissen.
Da ein Sturm im Oktober zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt hatte, sprach ich auch dieses Thema an. Entlang der Schienenfernverkehrstrassen galt einmal der Grundsatz: „Der Abstand zum Gleis definiert die maximale Höhe der Bäume entlang der Gleise.“ Es muss bezweifelt werden, dass dieser Grundsatz überall beachtet wird. Dies führt bisweilen zu gefährlichen Situationen, wenn Züge in aufs Gleis gestürzte Bäume fahren. Ich will keinen Kahlschlag entlang der Trassen. Aber eine vernünftige Lösung muss her, zumal die Extremwetterereignisse zunehmen. Eine Alternative können mancherorts Kurzumtriebsplantagen sein. Das sind schnellwachsende Bäume, die nach wenigen Jahren zur energetischen Nutzung gefällt werden und dann wieder bis zur nächsten Ernte nachwachsen.
Insgesamt habe ich das zweistündige Gespräch mit dem Gefühl verlassen, dass die Probleme ernst genommen werden, aber teilweise unzureichend und teilweise zu langsam angegangen werden. Einige der früheren Entscheidungen, wie die Anschaffung der störanfälligen S‑Bahnen, lassen sich nicht mehr revidieren. Und bei manchen Problemen können VRS und DB Regio weder alleine noch gemeinsam hinreichend handeln.
Unter folgendem Link lässt sich der Maßnahmenkatalog der DB für mehr Pünktlichkeit bei den S‑Bahnen nachlesen:
http://www.region-stuttgart.org/fileadmin/regionstuttgart/03_Aufgaben_und_Projekte/03_04_Nahverkehr/03_04_01_S_Bahn/S‑Bahn-VA/20140625_Praesentationen_Puenktlichkeits_u_Qualitaetsoffensive.pdf