02.04.2015
Ein Ideenpapier von Matthias Gastel
Am 1. Januar 2013 wurde der Fernbusmarkt liberalisiert. Seitdem dürfen Busunternehmen Linien-verkehre zwischen mindestens 50 Kilometer entfernten Haltepunkten anbieten. Mit der Liberalisierung ging eine sehr dynamische Marktentwicklung einher, die so von Politik und Wirtschaft nicht erwartet worden war. Die Zahl der angebotenen Linien hat sich seit 2013 mehr als vervierfacht. Die Anzahl der Passagiere stieg von drei Millionen im Jahr 2012 auf knapp 20 Millionen 2014. Auch für das Jahr 2015 haben alle Fernbusunternehmen angekündigt, ihre Streckennetze und Angebote deutlich auszuweiten.
Die Liberalisierung des Fernbusmarktes war aus grüner Sicht ein richtiger Schritt. Mit dem Fernbus gibt es – eine hohe Auslastung vorausgesetzt – neben der Bahn eine weitere umweltschonende Alternative zu PKW und Flugzeug. Viele ländliche Regionen werden durch den Fernbus besser an den Fernverkehr angeschlossen. Zudem führt die neue Konkurrenz zu mehr Innovation auf der Schiene. Dies zeigt die neue Fernverkehrs-Offensive der Deutschen Bahn AG. Trotz dieser positiven Entwick-lungen besteht auf dem Fernbusmarkt politischer Handlungsbedarf. Denn bei der Liberalisierung des Marktes wurde von der schwarz-gelben Bundesregierung versäumt, für faire Wettbewerbsbedin-gungen zu den anderen Verkehrsträgern zu sorgen und die Fernbusse angemessen in das bereits bestehende System zur Nutzerfinanzierung der Infrastruktur zu integrieren. Außerdem wurden keine ausreichenden Investitionen in die häufig unzureichende Infrastruktur getätigt, um diese auf den Boom des neuen Verkehrsträgers vorzubereiten. Durch eine Fernbusmaut können sowohl infrastrukturelle Engpässe beseitigt als auch mehr Wettbewerbsgerechtigkeit hergestellt werden.
Modernisierung der Infrastruktur
Durch geringe Infrastrukturinvestitionen sind die Verkehrswege in Deutschland in den letzten zehn Jahren zunehmend marode geworden. Laut einer aktuellen Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) sehen 100 Prozent der auf dem Fernbusmarkt tätigen Unternehmen die schlechte Infrastruktur als großes Problem für ihr Geschäftsfeld an. Prekär ist die Situation insbesondere an den Haltestationen, die für den öffentlichen Nahverkehr und nicht für den boomenden Fernbusmarkt gebaut wurden. In vielen Fällen sind die Haltepunkte nicht barrierefrei und verfügen weder über Wetterschutz noch über Sanitäranlagen oder Fahrplan-Informationen. Zudem ist ein sicherer Ein- und Ausstieg an den oft überfüllten Terminals oder gar auf viel befahrenen Straßen häufig nicht möglich. Bisher geht der Ausbau der Fernbusterminals nur schleppend voran, weil sich Bund und Kommunen gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Eine Fernbusmaut, analog zu den Regeln der LKW-Maut, könnte diesen Konflikt beenden und zeitnah zur Verbesserung der Infrastruktur beitragen. Hierfür muss festgelegt werden, dass die Einnahmen der Maut in die Infrastruktur reinvestiert werden und ein zeitlich befristetes Bundesprogramm zum Neu- und Ausbau von Fernbushaltestellen aufgelegt wird. Der Fahrgast würde als Gegenleistung für ein geringfügig teureres Ticket ein deutlich sichereres und komfortableres Angebot erhalten. Zur Mindestausstattung von Fernbushaltestellen gehören ein überdachter Wartebereich mit Sitzgelegenheiten und Fahrgastinformationen sowie barrierefreie Zugänge. Stärker frequentierte Busterminals sollten zu-dem über barrierefreie Sanitäranlagen und Echtzeit-Fahrgastinformationen verfügen. Nach der Modernisierung der Haltestellen sollten diese vor allem über Stationsgebühren finanziert werden, die von den kommunalen oder privaten Betreibern erhoben werden können.
Angemessener Beitrag zur Infrastrukturfinanzierung
Seit 2005 zahlen LKW ab 12 Tonnen auf deutschen Autobahnen und stark frequentierten Bundesstraßen eine entfernungsabhängige Maut. Dies ist wirtschaftlich und ökologisch richtig, weil ein LKW die Infrastruktur circa 60.000 Mal mehr belastet als ein PKW. Ab Oktober 2015 werden alle LKW ab 7,5 Tonnen in das Mautsystem einbezogen. Fernbusse besitzen derzeit ein Gewicht von bis zu 18 Tonnen. Dem Wunsch der Busverbände entsprechend hat das Europäische Parlament am 10. März 2015 beschlossen die Gewichtsgrenze auf 19,5 Tonnen anzuheben. Daher ist eine Bemautung von Fernbussen analog zu den Regeln der LKW-Maut infrastrukturell geboten und eine logische Konsequenz aus dem bestehenden Mautsystem für LKW.
Notwendige Maßnahme für fairen intermodalen Wettbewerb
Auch mit Blick auf den Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern ist die Einführung einer Fern-busmaut richtig und notwendig. Schienenverkehrsunternehmen müssen für die Nutzung von Trassen und Stationen hohe Gebühren bezahlen. Für die Strecke Berlin-Leipzig beliefen sich die Trassenpreise 2014 beispielsweise auf 1300 Euro pro Fahrt (pro Fahrgast entspricht dies Kosten von ca. 10 Euro). Fernbusse zahlen für die Nutzung der Straße hingegen keine Gebühr. Dies verschafft den Bussen im Vergleich zur Schiene einen unverhältnismäßigen Wettbewerbsvorteil, der dazu beiträgt, dass die Bahn im Durchschnitt 139% teurer ist als der Fernbus (Berechnung des Verkehrsclubs Deutschland). Eine Bemautung der Fernbusse analog zur LKW-Maut würde die Wettbewerbsverzerrung reduzieren.
Gegen die Einführung einer Fernbusmaut ist oft zu hören, dass dadurch die Entwicklung des jungen Fernbusmarktes abgewürgt würde. Gegen dieses Argument sprechen folgende Fakten: Laut einer aktuellen Umfrage des bdo sehen 74% der Busunternehmen den Fahrermangel als große Herausforderung für die Branche, während die Busmaut nur von 38% der Unternehmen genannt wird. Zudem ist das Geschäftsklima in der Busbranche gut: 77% der Unternehmen beurteilten das Geschäftsjahr 2014 als gut oder befriedigend und 86% gehen von einer positiven oder konstanten Entwicklung des Geschäftsjahres 2015 aus. Eine Maut, die pro Fahrgast und Kilometer weniger als einen Cent betragen würde, ist für die Busunternehmen zu verkraften, zumal wenn dafür im Interesse der Fahrgäste in die Infrastruktur investiert wird.