08.11.2015
Der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages hatte Experten zu einer öffentlichen Anhörung über den VW-Skandal eingeladen. Hier gebe ich die Stellungnahmen in gekürzter Form wieder.
Beim ADAC wurde die Angst vor einer Ausweitung von Fahrverboten und Tempolimits deutlich. An 62 Prozent der Messstellen in den deutschen Städten wird der EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid überschritten, muss auch der Automobilclub einräumen. Er wies darauf hin, dass im realen Fahrbetrieb deutlich mehr Emissionen ausgestoßen werden, als dies nach dem Typgenehmigungszyklus NEFZ anzunehmen sein könnte. Aus den genannten Gründen sprach er sich umso konsequenter für die Ausschöpfung des technisch Machbaren aus. Die Forderungen des ADAC:
- (Kombinierter) Einsatz von Abgasminderungstechniken wie NOx-Speicherkatalysatoren, Abgasrückführung und die auf Harnstoffbasis funktionierende SCR-Technologie, um den Grenzwert von 80 mg/km in allen Betriebszuständen einzuhalten
- Niedrige zulässige Abweichung von Prüfstandsgrenzwert zum realen Emissionswert (max. Faktor von 1,5)
- Bessere Ausstattung des Kraftfahrtbundesamt, damit dieses unabhängige Institutionen mit der Überwachung beauftragen kann.
Der geladene Gutachter H. Steven erläuterte zunächst die massiven Schwächen der bisherigen Messverfahren. Die Typprüfung für die CO2-Emissionen und den Kraftstoffverbrauch lasse Möglichkeiten für die Erzielung praxisferner, niedriger Messergebnisse zu. Dazu gehören Test bei voll aufgeladener Batterie, optimale Umgebungstemperatur, überzogen sparende Auswirkung von Start-Stopp-Systemen und zu geringe Beschleunigungen. Die Schere zwischen Testergebnissen und tatsächlichem Verbrauch auf der Straße sei auf inzwischen 40 Prozent gestiegen. Das neue, für 2017 vorgesehene eu-weite Verfahren WLTP würde zu Ergebnissen führen, die näher am realen Fahrbetrieb liegen. Beim NOx sieht der Gutachter auf den Straßen keinerlei Fortschritt. Bei Euro 5‑Fahrzeugen liegen die tatsächlichen Emissionen nach mehreren Grenzwertabsenkungen inzwischen um fast das Vierfache über dem Grenzwert. Erst mit Euronorm 6 scheine es hier eine Trendwende zu geben.
Im Verharmlosen übte sich einmal mehr der Verband der Automobilindustrie (VDA). Er verteidigte den Dieselantrieb fast bedingungslos und lobte die Bundesregierung für ihre „besonnene Reaktion“ auf den VW-Skandal (faktisch bedankt sich der Verband bei Herrn Dobrindt fürs Nichtstun). Allerdings begrüßt der VDA ebenfalls den neuen geplanten Prüfzyklus, da der NEFZ, der bereits 1996 eingeführt wurde, veraltet sei und die heutigen Beschleunigungen, höhere Geschwindigkeiten sowie Ausstattungsmerkmale wie Klimaanlagen außer Acht lasse. Ähnlich wie der ADAC setzt auch der VDA auf einen besseren Verkehrsfluss in den Städten. Vorsorglich verweist er schon mal auf die knapp 800.000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sieht Indizien dafür, dass nicht nur bei VW, sondern auch bei anderen Herstellern verbotene Abschaltvorrichtungen oder ähnliche Mittel zum Einsatz kommen, um Grenzwerte auf dem Papier einzuhalten. Die DUH verweist auf etwa 400.000 vorzeitige Todesfälle als Folge der hohen Luftverschmutzung in Europa. Ihr ist es wichtig, dass die Prüfungen der Emissionen künftig unabhängigen Institutionen übergeben werden, die sich ausschließlich auf die Emissionen im realen Betrieb konzentrieren. Geltende Grenzwerte für Schadstoffe wie auch für CO2 dürften nicht dadurch verwässert werden, dass zu großzügige Umrechnungs- oder Ausgleichsfaktoren zugestanden werden.
Fazit
Von mehreren Seiten wurde bestätigt, wie schwierig es ist, die Grenzwerte für NOx bei Kleinwagen mit Dieselmotor, die nicht zu teuer werden dürften, einzuhalten. Es ist daher anzunehmen, dass der Dieselantrieb bei Fahrzeugen der Klein- und Mittelklasse zunehmend verschwinden werden.