Drei Jahre liberalisierter Fernbusmarkt

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Fernbusse

11.12.2015

Das Foto zeigt die Refe­ren­tIn­nen des Fach­ge­sprächs (von links): Dr. Kat­rin Dzie­kan (Umwelt­bun­des­amt), Ulf‑D. Schwarz (Bun­des­ver­band Selbst­hil­fe Kör­per­be­hin­der­ter e. V.), Tor­ben Gre­ve (Geschäfts­füh­rer Mein­Fern­bus Flix­bus) und Chris­toph Gipp (Geschäfts­füh­rer IGES-Insti­tut).

 

Drei Jahre Marktöffnung: Wo steht der Fernbus jetzt und was sind die Aussichten für die nächsten drei Jahre?“

So lau­te­te das Mot­to eines Fach­ge­sprächs, das ich in Ber­lin ver­an­stal­tet habe. Wir haben dabei auf die stür­mi­sche Ent­wick­lung der noch jun­gen Bran­che zurück und auf die Zukunfts­per­spek­ti­ven vor­aus­ge­schaut.

Das IGES-Insti­tut, das sich mit der Erhe­bung von Zah­len, Daten und Fak­ten rund um den Fern­bus einen guten Namen erar­bei­tet hat, gab einen Über­blick auf die Lage des Fern­bus­mark­tes: Allei­ne von Okto­ber 2014 bis Okto­ber 2015 ist die Anzahl der ange­bo­te­nen Fahr­ten­paa­re um 25 Pro­zent auf 4.641 gestie­gen. Im ver­gan­ge­nen Jahr nutz­ten etwa 16 Mil­lio­nen Fahr­gäs­te den Fern­bus, im aus­lau­fen­den Jahr wer­den es mehr als 20 Mil­lio­nen sein. Zum Ver­gleich: Die Fern­ver­kehrs­zü­ge wur­den im Jahr 2014 von 129 Mil­lio­nen Fahr­gäs­ten bestie­gen; ein leich­ter Rück­gang gegen­über dem Vor­jahr. Mehr als die Hälf­te der Fern­bus-Nut­zer ist maxi­mal 29 Jah­re alt (Durch­schnitts­al­ter knapp 36 Jah­re). Die Rei­se­an­läs­se sind über­wie­gend pri­va­te Besu­che (53 Pro­zent), Frei­zeit und Tou­ris­mus (22 Pro­zent) oder hat beruf­li­che Hin­ter­grün­de (20 Pro­zent). Gäbe es das Fern­bus-Ange­bot nicht, wären 43 Pro­zent mit dem Regio­nal- oder Fern­ver­kehr der Bahn gefah­ren und 38 Pro­zent mit dem Auto (teil­wei­se auch als Mit­fah­rer). Jede/r Zehn­te wäre zuhau­se geblie­ben. Ent­schei­dend für die Wahl des Fern­bus­ses als Ver­kehrs­mit­tel ist der Preis. Kon­kret sagen 68 Pro­zent, für sie sei ent­schei­dend, dass der Fern­bus güns­ti­ger sei als die Bahn und das Auto. Wei­te­re Grün­de, die aus Sicht der Fahr­gäs­te für den Fern­bus spre­chen, sind umstei­ge­freie Ver­bin­dun­gen und WLAN im Bus. Blick nach vor­ne: Es wird von einem wei­te­ren Wachs­tum aus­ge­gan­gen, das vor allem von der Ver­län­ge­rung bestehen­der Lini­en ins Aus­land und dem Nacht­ver­kehr als neu­em Teil­seg­ment im Fern­bus­markt inspi­riert wird.

Der Geschäfts­füh­rer des Markt­füh­rers Mein­Fern­bus Flix­bus (Markt­an­teil 73 Pro­zent nach Fahr­plan­ki­lo­me­tern) stell­te zunächst sein Unter­neh­men vor. 800 Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter beschäf­tigt das 2011 gegrün­de­te Unter­neh­men inzwi­schen und setzt mehr als 4.500 Fah­re­rin­nen und Fah­rer ein, die bei den 200 Part­ner-Bus­un­ter­neh­men ange­stellt sind. Mein­Fern­bus Flix­bus arbei­tet an inter­mo­da­len Rei­se­ket­ten und sucht daher Hal­te­punk­te an den gro­ßen, aber auch zuneh­mend an klei­ne­ren Bahn­hö­fen. Immer wie­der gibt es daher Kon­flik­te mit Städ­ten, die die Fern­bus­se aus den Innen­städ­ten her­aus an die Flug­hä­fen ver­le­gen wol­len. Der Fern­bus­an­bie­ter betont daher auch immer wie­der, dass 86 Pro­zent der Fahr­gäs­te mit den öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln (über­wie­gend ÖPNV) anrei­sen und auf gute Ver­knüp­fun­gen mit Bus und Bahn ange­wie­sen sind.

Mit der Libe­ra­li­sie­rung des Fern­bus­mark­tes zum 01. Janu­ar 2013 hat der Gesetz­ge­ber der Bran­che kla­re Vor­ga­ben zur Bar­rie­re­frei­heit gemacht. Alle ab dem 01. Janu­ar 2016 neu in Betrieb genom­me­nen Bus­se müs­sen über einen bar­rie­re­frei­en Zustieg und min­des­tens zwei Roll­stuhl­plät­ze im Bus ver­fü­gen. Für prak­ti­ka­ble, Men­schen mit Behin­de­rung wirk­lich zugu­te­kom­men­de Rege­lun­gen hat sich vor allem der Bun­des­ver­band Selbst­hil­fe Kör­per­be­hin­der­ter e. V. (BSK) stark gemacht. Sei­ne Ver­tre­ter mach­ten denn auch im Fach­ge­spräch deut­lich, dass es auf die gesam­te Rei­se­ket­te ankom­me. Dazu gehö­ren neben den Bus­sen auch die Bus­bahn­hö­fe (Ter­mi­nals) und die öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel, mit denen an- und abge­reist wird. Der BSK hat mit der Bran­che an einem „Las­ten­heft“ gear­bei­tet, um ein­heit­li­che tech­ni­sche und orga­ni­sa­to­ri­sche Stan­dards für die (siche­re) Mit­nah­me von Men­schen mit ein­ge­schränk­ter Mobi­li­tät fest­zu­le­gen. Die­ses ist aber, sehr zum Bedau­ern des Ver­ban­des, nicht zustan­de gekom­men. Die bar­rie­re­freie Mobi­li­tät mit dem Fern­bus wird – wie auch mit ande­ren öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln – für die Betrof­fe­nen auf abseh­ba­re Zeit eine gro­ße Her­aus­for­de­rung blei­ben.

Posi­ti­ve Anzei­chen gibt es hin­ge­gen für die Öko­bi­lanz der Fern­bus­se. Das Umwelt­bun­des­amt hat eine Stu­die erstellt, die sich kurz vor ihrer Fer­tig­stel­lung und Ver­öf­fent­li­chung befin­det. Die Fern­bus­bran­che ist schon län­ger davon über­zeugt, dass der Fern­bus ein umwelt­ver­träg­li­ches Ver­kehrs­mit­tel und damit eine aus öko­lo­gi­scher Sicht gute Alter­na­ti­ve zum Auto und Flug­zeug dar­stellt. Man darf gespannt sein, inwie­fern das UBA die­se Auf­fas­sung kon­kret stüt­zen oder ihr wider­spre­chen wird.