Abschaltung der Neigetechnik an Nahverkehrszügen – Brief an Bahnchef Grube

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Neigetecznik-Zug Bild von Johannes

04.01.2016

Abschal­tung der Nei­ge­tech­nik an Nah­ver­kehrs­zü­gen

 

Sehr geehr­ter Herr Dr. Gru­be,

zahl­rei­che Medi­en in Baden-Würt­tem­berg, so die Schwä­bi­sche Zei­tung am 18.12.2015 oder die Badi­sche Zei­tung am 22.12.2015 berich­te­ten dar­über, dass die Deut­sche Bahn bei Regio­nal­zü­gen bestimm­ter Bau­rei­hen die Nei­ge­tech­nik zum schnel­le­ren Durch­fah­ren von Kur­ven abge­schal­tet hat. Zwi­schen Aulen­dorf und Stutt­gart ver­län­gert sich die Fahr­zeit um zehn bis 20 Minu­ten, zwi­schen Ulm über Fried­richs­ha­fen und Sin­gen nach Basel um zehn bis 15 Minu­ten. Für Rei­sen­de gehen dadurch Anschlüs­se ver­lo­ren und Rei­se­zei­ten ver­län­gern sich infol­ge­des­sen teil­wei­se erheb­lich. Grund für die Abschal­tung der Nei­ge­tech­nik sei die Über­prü­fung eines Funk­ti­ons­feh­lers der Nei­ge­tech­nik eines Fahr­zeugs. Die Tech­nik blei­be abge­schal­tet, bis die Ursa­che des Feh­lers beho­ben sei, hieß es.

Ich sehe dies mit Sor­ge. Und zwar aus zwei Grün­den: Ers­tens, weil sich Fahrt­zei­ten dadurch ver­län­gern und für man­che Fahr­gäs­te Anschlüs­se ver­lo­ren gehen. Dadurch ver­liert die Bahn an Attrak­ti­vi­tät. Der zwei­te Grund hat mit den Dis­kus­sio­nen um den Deutsch­land-Takt zu tun. Damit sol­len attrak­ti­ve, das heißt kur­ze und ver­läss­li­che Rei­se­zei­ten über die gesam­te Rei­se­ket­te ermög­licht wer­den. Dies setzt jedoch opti­ma­le Umstei­ge­be­zie­hun­gen in Kno­ten­bahn­hö­fen vor­aus. Auf eini­gen Stre­cken sind dazu Maß­nah­men zur Ver­kür­zung von Fahrt­zei­ten zwi­schen Kno­ten­bahn­hö­fen erfor­der­lich. Dies kön­nen bau­li­che Maß­nah­men wie eine Erhö­hung der Stre­cken­höchst­ge­schwin­dig­keit durch eine weni­ger bogen­rei­che Stre­cken­füh­rung oder der Ein­bau von Über­hol­glei­sen sein. Dies kön­nen aber auch Maß­nah­men durch ent­spre­chen­den Fahr­zeug­ein­satz sein. Dazu kön­nen sich spurtstär­ke­re Fahr­zeu­ge eben­so anbie­ten wie Züge mit Nei­ge­tech­nik – die dann aber auch zuver­läs­sig funk­tio­nie­ren müs­sen. Letz­te­res muss aber lei­der bezwei­felt wer­den. Ich erin­ne­re dar­an, dass die DB AG schon vor Jah­ren die Nei­ge­tech­nik an ihren ICE, die auf der Gäu­bahn­stre­cke zwi­schen Stutt­gart und Zürich zum Ein­satz kamen, abge­schal­tet hat und auf die­ser Stre­cke über­haupt kei­ne ICE mehr fah­ren lässt. Seit­her hat sich die Rei­se­zeit auf die­ser Stre­cke ver­län­gert und Anschlüs­se kön­nen teil­wei­se nicht mehr erreicht wer­den.

Im Zusam­men­hang mit dem Ein­satz von Nei­ge­tech­nik-Zügen durch die Deut­sche Bahn habe ich eini­ge Fra­gen, um deren Beant­wor­tung ich Sie bit­te:

  1. Was genau sind die tech­ni­schen Pro­ble­me mit den Nei­ge­tech­nik-Zügen auf den Stre­cken zwi­schen Aulen­dorf und Stutt­gart sowie zwi­schen Ulm und Basel?
  2. Wel­che Aus­wir­kun­gen hat­te der Aus­fall der Nei­ge­tech­nik auf den betrof­fe­nen Stre­cken seit Dezem­ber für die Fahr­gäs­te?
  3. Wann wer­den die betrof­fe­nen Züge wie­der mit akti­ver Nei­ge­tech­nik und damit mit den im Fahr­plan vor­ge­se­he­nen Fahr­zei­ten ver­keh­ren?
  4. Gab es auf Stre­cken in Baden-Würt­tem­berg bereits in der Ver­gan­gen­heit vor­rü­ber­ge­hen­de Abschal­tun­gen der akti­ven Nei­ge­tech­nik?
  5. Mit wel­chen Maß­nah­men will die DB AG zukünf­tig ver­hin­dern, dass die Nei­ge­tech­nik erneut abge­schal­tet wer­den muss?
  6. Wes­halb gelingt es der Schweiz und Ita­li­en mit weit­aus weni­ger Pro­ble­men Züge mit Nei­ge­tech­nik ein­zu­set­zen als uns in Deutsch­land?
  7. Wel­che kon­kre­te Zeit­er­spar­nis ergibt sich durch den Ein­satz von Zügen mit akti­ver Nei­ge­tech­nik auf den Nah­ver­kehrs­stre­cken in Baden-Würt­tem­berg, auf denen sol­che Züge aktu­ell zum Ein­satz kom­men?
  8. Wel­che Rol­le kön­nen Züge mit Nei­ge­tech­nik aus Sicht der DB AG im Deutsch­land-Takt spie­len?
  9. Wie beur­teilt die DB AG den zukünf­ti­gen Ein­satz von Nei­ge­tech­nik­zü­gen im Nah- und Fern­ver­kehr?
  10. Ent­wi­ckelt die Bahn­in­dus­trie nach Wahr­neh­mung der DB AG die Nei­ge­tech­nik wei­ter und ist damit nach Ein­schät­zung Ihres Unter­neh­mens in Zukunft mit weni­ger stö­rungs­an­fäl­li­gen Zügen zu rech­nen?

Vie­len Dank für Ihre Bemü­hun­gen!

Mit freund­li­chen Grü­ßen

Mat­thi­as Gastel, MdB