12.05.2016
Am Morgen des Fahrrad-Forums hat die grüne Bundestagsfraktion eine kleine Radtour durch Berlin unternommen, um für eine andere Radverkehrspolitik zu werben.
Grünes Fahrrad-Forum im Bundestag: Hochschalten statt ausbremsen!
Im April 2016 hat die grüne Bundestagsfraktion das 1. Fahrrad-Forum veranstaltet und damit verdeutlicht: Wir wollen den Radverkehr zu einem zentralen verkehrspolitischen Thema in Deutschland machen. Rund 140 ExpertInnen und Interessierte aus Politik, Verkehrswelt und Fahrradszene sind der Einladung in den Bundestag gefolgt und haben über unser grünes Thesenpapier “Für einen Neustart in der Radpolitik” diskutiert. Besondere Beachtung fanden auch die Themen Fahrradinfrastruktur, Straßenverkehrsrecht und die wirtschaftliche Bedeutung des Fahrrads. Aus der Fraktion waren unser Vorsitzender Toni Hofreiter, der verkehrspolitische Sprecher Stephan Kühn, der umweltpolitische Sprecher Peter Meiwald und ich mit von der Partie.
In der Debatte wurde deutlich, dass die Verkehrslage in Deutschland im Wandel ist. Immer mehr Menschen nutzen das Fahrrad auch im Alltag, weil es bequem, schnell, gesund und günstig ist. 82 Prozent der Deutschen wünschen sich in Städten weniger Autos und mehr Radverkehr, Zufußgehen und ÖPNV, wie Martin Schmied vom Umweltbundesamt berichtete. Für die Bloggerin Andrea Reidl ist das Fahrrad heute zumindest in der Stadt ein Synonym für Freiheit und Unabhängigkeit. Das Auto stehe hingegen für Stau, Parkplatzsuche und hohe Kosten.
In weiteren Wortbeiträgen wurde deutlich, dass der Mobilitätswandel gesellschaftlich stärker akzeptiert und praktiziert wird, als es weite Teile der Politik bislang nachvollziehen. Insbesondere die Bundesregierung ist hier nicht auf der Höhe der Zeit wie auch die Ausführungen des parlamentarischen Staatssekretärs Norbert Barthle verdeutlichten. Barthle sprach sich gegen mehr Tempo 30 in Städten, gegen Entscheidungsfreiheit der Kommunen in dieser Frage und gegen die Aufnahme von überregionalen Radwegen in den Bundesverkehrswegeplan aus. Das sind antiquierte Positionen, die Geschwindigkeit höher bewerten als Verkehrssicherheit und die Akzeptanz der Menschen vor Ort. Und das, obwohl bereits heute die real gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit in deutschen Städten deutlich unter 30 km/h liegt, wie ADFC-Bundesgeschäftsführer Burkhard Stork anmerkte.
Um mehr Menschen das Radfahren zu ermöglichen, ist die Erneuerung der Radinfrastruktur eine wesentliche Stellschraube. Gute Infrastruktur produziert gute RadfahrerInnen! Das zeigen nicht nur bekannte Beispiele aus dem Fahrradland Niederlande oder aus Kopenhagen. Aktuell entwickelt sich zum Beispiel New York City in rasantem Tempo zur Fahrradstadt.
In Deutschland ist die Radinfrastruktur in vielen Städten und Regionen – sofern überhaupt vorhanden – nicht auf dem aktuellen Stand der Technik. Die Hälfte aller Deutschen fühlt sich beim Radfahren nicht sicher. Schlechte und unsichere Radwege halten die Menschen von der Nutzung des Fahrrades ab. Es gibt aber auch in Deutschland positive Beispiele und Entwicklungen: Stadtbaurat Thimo Weitemeier berichtete darüber, wie es der 50.000-Einwohner Stadt Nordhorn im Emsland durch aktive Radpolitik gelungen ist, einen Radanteil von fast 40 Prozent aller Wege zu erreichen. Im Ruhrgebiet ist das größte deutsche Radschnellweg-Projekt im Bau, der RS1. Wenn der RS1 in vier Jahren vollständig fertiggestellt ist, soll er eine 100 Kilometer lange „Autobahn für Radfahrer“ bieten. Mit dem Pedelec werden Radschnellwege zur perfekten Pendlerverbindung – dieses Potential muss eine kluge Klima- und Verkehrspolitik in den nächsten Jahren heben.
Der Bund könnte bei der Radförderung und dem Ausbau der Infrastruktur viel aktiver werden als dies aktuell der Fall ist. Dies zeigt auch ein von der grünen Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das beim Fahrrad-Forum diskutiert wurde. Durch ein „Investitionsförderprogramm“ für Radwege könnte der Bund die Länder und Kommunen beim Ausbau der Radwege unterstützen. Zudem ist der Bund auch bei seinen „eigenen“ Bundesstraßen gefragt: Aktuell besitzen nämlich nur 39 Prozent aller Bundesstraßen begleitende Radwege. Ferner würden von verbindlichen und ambitionierten radpolitischen Zielsetzungen wichtige Impulse für das ganze Land ausgehen. Auch das Mitdenken und Planen von überregionalen Radwegen im Bundesverkehrswegeplan ist geboten. Denn durch die stauentlastende Wirkung von Radschnellwegen könnte so mancher Autobahnausbau ersetzt werden und enorme Kosten eingespart werden. Aus grüner Sicht muss der Bund diese Spielräume nutzen, weil Radverkehr nicht nur für bessere Luft und weniger Lärm sorgt, sondern auch ökonomisch und sozial ist.
Als weiteres wichtiges Handlungsfeld identifizierten die Experten im Bereich des PKW-Parkens in der Stadt. Das Zuparken von Rad- und Gehwegen nimmt immer stärker zu, auch weil die Bußgelder im europäischen Vergleich sehr gering sind und vielen Ordnungsämtern das Personal zur Kontrolle fehlt. Auch Thiemo Schalk vom BMW-Kompetenzzentrum für urbane Mobilität war der Ansicht, dass es zu viele geparkte Autos in den Städten gebe, die den öffentlichen Raum versperren. Carsharing und ein besseres Parkraummanagement seien die Instrumente, um die Autos raus den Städten zu bekommen. Davon würden alle Menschen profitieren.