Von Todesfallen durch Geisternetze in den Meeren und Schildkröten in der Tierauffangstation

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Dead turtle entangled in fishing nets on the ocean

Los­ge­ris­se­ne oder absicht­lich im Meer ent­sorg­te Fischer­net­ze kön­nen erst im Meer und dann, wenn sie an Land ange­spült wer­den, rie­si­ge Schä­den an der Tier­welt anrich­ten.

19.06.2016

Bericht aus der LAG Tierschutzpolitik mit Exkursion in die Auffangstation für Schildkröten

In der jüngs­ten Sit­zung der Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaft (LAG) Tier­schutz­po­li­tik der Grü­nen in Baden-Würt­tem­berg durf­te ich wie­der über tier­schutz­po­li­ti­sche Akti­vi­tä­ten im Bun­des­tag berich­ten.

Zunächst ein­mal muss­te ich fest­stel­len, dass die Ver­grä­mungs­ak­tio­nen zur Ver­rin­ge­rung der Tau­ben­be­stän­de am Haupt­bahn­hof in Karls­ru­he kei­nen nach­hal­ti­gen Erfolg hat­ten. Zusam­men mit der Stadt­rats­frak­ti­on hat­te ich mich an die DB gewandt und für eine tier­schutz­ge­rech­te Lösung mit einem Tau­ben­haus gewor­ben. Die DB hat­te aber auf Ver­grä­mungs­maß­nah­men gesetzt, die nach mei­nen Beob­ach­tun­gen zwar deut­lich spür­ba­re, aber nur kurz­fris­ti­ge Erfol­ge brach­ten. Es ist lei­der nicht gelun­gen, eine auch für ande­re Bahn­hö­fe vor­bild­li­che Vor­ge­hens­wei­se zu erpro­ben.

Dann berich­te­te ich über eine Klei­ne Anfra­ge der grü­nen Bun­des­tags­frak­ti­on mit dem Titel „Geis­ter­net­ze im Meer“. Es geht dar­in um her­ren­los umher­trei­ben­de Stell- und Schlepp­net­ze, die sich los­ge­ris­sen haben oder auch absicht­lich im Meer ent­sorgt wur­den. Die Bun­des­re­gie­rung bestä­tigt in ihrer Ant­wort weit­ge­hend unse­re Kennt­nis­se, die höchst erschre­ckend sind: Es wird von einer Netz­ver­lust­quo­te von 0,1 Pro­zent aller im Ein­satz befind­li­chen Net­ze aus­ge­gan­gen. Damit stel­len die her­ren­los umher­trei­ben­den oder sich an Rif­fen, Fel­sen oder Schiffs­wracks fest­hän­gen­den Net­ze rund zehn Pro­zent der gesam­ten Müll­men­ge in den Mee­ren dar. Dies sind über 640.000 Ton­nen. Die­se Net­ze „fischen“ noch wei­ter. Fische, Schweins­wa­le, Mee­res­schild­krö­ten und Vögel kön­nen sich dar­in ver­fan­gen und ver­en­den qual­voll. Der Rück­gang von Tief­see­hai­en im Nord­at­lan­tik könn­te mit ver­lo­ren gegan­ge­nen Net­zen in Ver­bin­dung ste­hen. Die Net­ze erhal­ten 6 bis 20 Pro­zent ihrer ursprüng­li­chen Fang­fä­hig­keit bei. Und das jahr­zehn­te­lang, da die seit etwa 40 Jah­ren ange­wen­de­ten Net­ze aus Kunst­stoff nicht so schnell zer­fal­len. Zer­fal­len sie eines Tages zu Mikro­plas­tik, wer­den sie von Mee­res­le­be­we­sen mit der Nah­rung auf­ge­nom­men und kön­nen über die Nah­rungs­ket­te wie­der beim Men­schen lan­den. Tei­le der Net­ze wer­den häu­fig an Land gespült und von See­vö­geln für den Nest­bau ver­wen­det. Dies ist für die Tie­re gefähr­lich, weil sie oder ihr Nach­wuchs sich häu­fig dar­in ver­hed­dern und dann eben­falls ver­en­den.

Nach einer EU-Ver­ord­nung müs­sen Fische­rei­fahr­zeu­ge Gerät­schaf­ten zur Ber­gung von ver­lo­ren gegan­ge­nem Fang­ge­rät mit­füh­ren. Außer­dem müs­sen die Fang­ge­rä­te gekenn­zeich­net wer­den. Zwar wird die Ein­hal­tung nach Aus­sa­ge der Bun­des­re­gie­rung kon­trol­liert. Dies sagt aber nichts dar­über aus, ob der Auf­wand zur Ber­gung ver­mut­lich beschä­dig­ter Net­ze tat­säch­lich betrie­ben wird. Außer­dem unter­liegt ein Groß­teil der welt­wei­ten Fische­rei­flot­ten nicht die­sen Vor­ga­ben. Dass sich die Fische­rei letzt­lich sel­ber scha­det liegt auf der Hand. So lan­ge aber lega­le oder ille­ga­le Flot­ten, denen der kurz­fris­ti­ge Pro­fit wich­ti­ger ist als eine nach­hal­ti­ge Fische­rei, wird das Pro­blem nur schwer zu lösen sein.

Ein Teil der LAG mach­te sich anschlie­ßend auf zur Exkur­si­on nach Stutt­gart-Wei­lim­dorf. Dort befin­det sich die Auf­fang­sta­ti­on für Schild­krö­ten der Fami­lie Kern. Bis zu 70 Tie­re leben dort. Vie­le stam­men aus poli­zei­lich auf­ge­lös­ten Tier­be­stän­den und wur­den jahre‑, manch­mal sogar jahr­zehn­te­lang auf zu engem Raum gehal­ten und falsch ernährt. Die Schild­krö­ten gehö­ren unter­schied­lichs­ten Arten an und unter­schei­den sich daher auch in ihren Bedürf­nis­sen, die eine sach­kun­di­ge Hal­tung erfor­dern. Ein abwechs­lungs­rei­ches Außen­ge­he­ge mit Son­nen­plät­zen, art­ge­rech­ten Bepflan­zun­gen, Höh­len zum Ver­ste­cken und klei­nen, wär­me­spen­den­den Gewächs­häu­sern bie­tet ähn­li­che Vor­aus­set­zun­gen wie die natür­li­chen Lebens­räu­me. Die Schild­krö­ten blei­ben aber auch bei bes­ter Hal­tung Wild­tie­re, die ihren Hal­ten gegen­über – anders als Hun­de und bedingt auch Kat­zen – „nicht loy­al“ sind. Als „klas­si­sche“ Haus­tie­re eig­nen sie sich, so fas­zi­nie­rend sie auch sind, also nur sehr ein­ge­schränkt.