Dank des Dobrindt´schen Bundesverkehrswegeplans werden Straßen und Staus künftig breiter.
Presseerklärung, 03.08.2016
Neuer Bundesverkehrswegeplan nach altem Stil: Viele neue Straßen, wenige Schienenprojekte für Baden-Württemberg
Gerade einmal zehn Wochen nach Ende der Öffentlichkeitsbeteiligung hat das Bundeskabinett den neuen Bundesverkehrswegeplan 2030 verabschiedet. In ihm wird festgelegt, welche Verkehrsprojekte in den nächsten 15 Jahren mit Nachdruck vorangetrieben werden sollen und welche eine nur geringe Chance auf Realisierung haben. Dabei kommt es nach Einschätzung des Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne) trotz aller Behauptungen nicht zu echten Veränderungen gegenüber früheren Plänen. Insbesondere das Mehr an Straßen führte bereits in der Vergangenheit nicht zu mehr Mobilität, sondern zu mehr Verkehr und Stau. Im neuen Plan wurde es versäumt ernsthaft verkehrs- und umweltpolitische Ziele wie die Verlagerung von mehr Verkehr auf die Schiene zu verfolgen. Ebenso wurden die Kosten der Projekte insbesondere im Straßenbaubereich nicht seriös errechnet, wodurch es zu einer deutlichen Überzeichnung des Plans kommen wird.
Mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan baut die schwarz-rote Bundesregierung dem klimaschädlichen Verkehr auf der Straße hinterher. Umweltministerin Hendricks ist es nicht gelungen, für Klima und Umweltschutz in Dobrindts Plan zu sorgen, kritisiert Gastel, der dem Bundestags-Verkehrsausschuss angehört. So ist der Nordostring Stuttgart im Plan enthalten, wenngleich nicht im Vordringlichen Bedarf, sondern im Weiteren Bedarf mit Planungsrecht. Eine Realisierung ist damit eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Diese Straße würde nach Ansicht Gastels Mehrverkehre in den Raum Stuttgart ziehen und wäre mit erheblichen Umwelteingriffen verbunden. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart lehnen diese Straße ab. Im vordringlichen Bedarf enthalten ist hingegen die große Umgehungsstraße der B29 zwischen Röttingen (Ostalbkreis) und Nördlingen (Bayern). Dieses Projekt wurde ebenfalls vom Land Baden-Württemberg nicht angemeldet, vom Bundesverkehrsministerium jedoch eigenständig aufgenommen und ohne Kenntnis der örtlichen Situation bewertet. Auch hier ist von einer Mehrbelastung der nachgelagerten Ortschaften auszugehen.
Zugleich fehlen fast alle wichtigen Schienenprojekte. Die internationale Bahnverbindung Stuttgart – Zürich (Gäubahn) wurde noch gar nicht bewertet, wodurch dieses zentrale Vorhaben keine Dringlichkeitseinstufung im nun verabschiedeten Bundesverkehrswegeplan erhalten hat. Und dies, obwohl sich der Bund gegenüber der Schweiz zu einer Fahrtzeitverkürzung verpflichtet hat, wofür ein zweigleisiger Ausbau erforderlich ist. Ebenfalls nicht bewertet und somit mit unklarer Aussicht auf eine Realisierung sind die für Baden-Württemberg wichtigen Bahnprojekte auf der Bodenseegürtelbahn, Breisacher Bahn, Brenzbahn, Elztalbahn, Frankenbahn und Murrbahn. „Es droht uns weiterer jahrzehntelanger Stillstand und anhaltende Engpässe im Schienennetz“, warnt Matthias Gastel.
Die Anforderungen an eine zukunftsfähige Verkehrspolitik kann der Plan so nicht erfüllen: Weder sind alle Projekte bis 2030 zu finanzieren noch trägt der Plan zur Begrenzung der Inanspruchnahme von Fläche, Natur und Landschaft bei. Eine Netzplanung über alle Verkehrsträger fehlt. Statt der Verlagerung auf Schiene und Wasserstraße zählt der Verkehrsminister im Plan unzählige Straßenprojekte auf. Ein großer Teil der Schienenprojekte bleibt hingegen ohne Bewertung.
„Der überarbeitete Bundesverkehrswegeplan zeigt, dass die Bürgerbeteiligung eine reine Alibiveranstaltung war. Über 39.000 Stellungnahmen wurden von Bürgerinnen und Bürgern, Behörden sowie Verbänden abgegeben – davon zahlreiche aus Baden-Württemberg. Dass gerade mal zehn Wochen nach Fristende die Regierung bereits den neuen Entwurf beschließt, lässt den Schluss zu, dass sich Verkehrsminister Dobrindt nicht ernsthaft mit den Einwendungen auseinandergesetzt hat“, erklärt Matthias Gastel zu den Ungereimtheiten bei der Abwägung der eingegangenen Einwendungen.
Eigentlich hätte die Öffentlichkeitsbeteiligung dazu beitragen sollen, die Kosten des Plans für Mensch, Klima und Umwelt aufzudecken. Nach EU-Recht ist das Pflicht. Doch Dobrindt hat die Chance nicht genutzt. Die vielen Hinweise und Alternativen der Bürgerinnen und Bürger hat er im Eiltempo weggewischt und die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Farce gemacht.
„Trotz jahrelanger Vorarbeit bleibt der nun beschlossene Plan nicht mehr als die Neuauflage der ewigen Wünsch-Dir-Was-Liste. Vollgepackt mit Straßenprojekten, fehlenden Schienenausbauten, ohne klare Prioritäten und vor allem ohne das Ziel, Mobilität mit geringerem Ressourcenverbrauch und sinkenden Umwelt- und Klimabelastungen gewährleisten zu wollen“, fasst Matthias Gastel seine Kritik am Bundesverkehrswegeplan zusammen.