Nachhaltigkeitsbericht 2015
Sehr geehrte Herren Geschäftsführer,
mit großem Interesse habe ich den zweiten Nachhaltigkeitsbericht der Flughafen Stuttgart GmbH (FSG) gelesen. Positiv aufgefallen ist mir die Aufnahme der Tochtergesellschaften Airport Ground Service GmbH (AGS) und Flughafen Stuttgart Energie GmbH (FSEG) in die Umwelterklärung.
Eine regelmäßige Analyse der aktuellen Situation sowie das Formulieren von Zielen für die Zukunft sind elementare Bestandteile für ein nachhaltiges Wirtschaften.
Dass dieser Nachhaltigkeitsbericht der letzte in dieser Form sein wird, sehe ich mit Skepsis, da die ökologischen Aspekte in einem gemeinsamen Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht allzu leicht an Bedeutung verlieren können. Dies sollte unbedingt vermieden werden und stattdessen sollten die Umweltberichterstattung sowie die entsprechenden Zielsetzungen noch ausgebaut werden. So wären Mehrjahresvergleiche und die Darstellung der Entwicklung von Umweltfaktoren (beispielsweise CO2-Emissionen) pro Fluggast sehr hilfreich. Denkbar ist auch, dass ein CO2-Rechner entwickelt wird, mit dem jeder Fluggast seinen individuellen CO2-Fußabdruck – unter Berücksichtigung der Anreise und des Fluges – errechnen lassen kann.
Im Jahr 2015 stieg die Zahl der Passagiere auf einen neuen Rekord von 10,5 Millionen. Auch die Anzahl der Menschen, welche auf dem Flughafengelände arbeiten, hat sich weiter erhöht und lag im letzten Jahr bei 10.000. An diesen Zahlen wird die Bedeutung des Flughafens für die Wirtschaft und als Arbeitgeber ersichtlich, die von niemandem in Frage gestellt werden kann. Der Flughafen stellt allerdings auch eine große Belastung für die Menschen in seinem Umfeld, das Klima und die Umwelt dar. Der Energieverbrauch ist immer noch vergleichbar mit dem einer Kleinstadt wie Bernhausen. Die FSG informiert mit Ihrem Nachhaltigkeitsbericht sachlich, umfassend und transparent über die Umweltauswirkungen. Sie sucht den Dialog mit der Öffentlichkeit, der Politik und der Wirtschaft. Dafür danke ich der FSG und allen, die dies wie der Aufsichtsrat unterstützen und daran mitwirken. Angesichts der trotzdem noch hohen Umweltbelastungen sehe ich jedoch zusätzlichen Handlungsbedarf. In diesem offenen Brief erläutere ich Ihnen meine Anregungen.
Handlungsfeld Energie und Klima
Der Flugverkehr insgesamt ist eine große Belastung für das Klima. So beschleunigt der Einsatz von Treibstoffen auf fossiler Grundlage mit seinen CO2-Emissionen – in großer Höhe ganz besonders – den Klimawandel. Trotz der Verbesserungen in der Effizienz des Flugverkehrs werden alle bisher erreichten und mit der derzeitigen Technologie möglichen zukünftigen Verringerungen von CO2 durch den erwarteten Anstieg des Flugverkehrs zunichte gemacht.
Daher ist es ein guter Beitrag der FSG, die Forschung an einem Passagierflugzeug zu unterstützen, welches mit einer Brennstoffzelle und Batterie mit Energie versorgt wird.
Jenseits des eigentlichen Flugbetriebes, auf den die FSG nur begrenzt Einfluss nehmen kann, bemüht sich die FSG um die Reduzierung von Treibhausgasen im Scope 2. Die Inbetriebnahme des erdgasbetriebenen Blockheizkraftwerkes trägt dazu bei. Außerdem sind die neuen Solarpanels auf dem Parkhaus P14 und dem Gebäude SkyPort zu nennen. Es ist erfreulich, dass der Strom, den FSG, FSEG und AGS für eigenen Bedarf einsetzen, seit 2014 zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammt. Nach wie vor fehlt jedoch im Nachhaltigkeitsbericht der Hinweis darauf, ob es sich hierbei um zertifizierten Ökostrom handelt.
Seit 2015 werden die Scheinwerfer auf dem Vorfeld ausschließlich mit LED betrieben. Auch die Signalanlagen auf Start- und Landebahn werden nur noch durch LED ersetzt. Diese Maßnahme begrüße ich, weil die Beleuchtung mit LED viel Strom spart.
Ich finde es erfreulich, dass der Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Energiebezug im letzten Jahr von 24,1% auf 25,6% gestiegen ist. Der Anteil sollte meiner Meinung nach in den nächsten Jahren signifikant steigen, um das Klima in größerem Maße zu schützen.
Leider erkenne ich in dem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht kein Ziel, die Treibhausgase um einen bestimmten Betrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu senken. Ein solches Ziel ist meiner Meinung nach sinnvoll, um die Anstrengungen im Klimaschutz effektiv voran zu treiben.
Klimapolitisch kritisch sehe ich die Zunahme des Flugverkehrs insgesamt, welche ein einzelner Flughafenbetreiber nur schwer beeinflussen kann – und dies ist sicherlich auch nicht die Aufgabe eines Flughafenbetreibers. Hier sind Politik und die Deutsche Bahn gefordert, Inlandsflüge und Flüge ins nahe Ausland so weit wie möglich durch attraktivere Angebote auf der Schiene überflüssig zu machen. Die Politik sollte zugleich aber auch den Flugverkehr angemessen in den Emissionshandel einbeziehen.
Lärm
Der unmittelbare Lärmschutzbereich des Flughafens ist mit ca. 11.000 Anwohnern dicht besiedelt. Damit sind täglich viele Menschen vom Fluglärm betroffen. Positiv sind die lärmabhängigen Start- und Landeentgelte und die neue Entgeltordnung mit 12 Lärmklassen, welche auch Flugzeuge mit einem Startgewicht ab 10 Tonnen berücksichtigt anstatt wie früher erst ab 35 Tonnen. Auch die stärkeren Einschränkungen für Nachtflüge bei Propellermaschinen und Nachtpostflügen seit November 2014 begrüße ich. Der besonders belastende Nachtfluglärm ist im Jahr 2015 zurückgegangen. Tagsüber kam es allerdings zu einer Zunahme der vom Lärm betroffenen Einwohner um 15,6% mit Lärmpegeln von über 60 dB(A).
Vor zwei Jahren habe ich angeregt, nicht nur gemittelte Dauerschallpegel für Vergleiche zwischen den Jahren heranzuziehen, sondern auch Maximalpegel, was der Wahrnehmung von Lärm durch den Menschen gerechter wird. Diese Anregung wurde nach meiner Kenntnis nicht berücksichtigt.
Bodenverkehr
Der Einsatz von elektrisch betriebenen Fahrzeugen im Bodenverkehr wurde weiter vorangetrieben. Das begrüße ich. Die Kraftstoffverbräuche der FSG-eigenen Fahrzeuge wurden verringert. Ältere Fahrzeuge wurden durch effiziente Neufahrzeuge ersetzt, es werden zunehmend rein elektrisch betriebene Busse als Zubringer für die Passagiere zu den Maschinen eingesetzt und die Anzahl der Ladestationen für voll- und teilelektrische Fahrzeuge wurde erhöht.
Verbesserungspotential sehe ich in der Förderung der umweltfreundlichen An- und Abreise zum Flughafen. Es ist gut, dass es seit 2014 ein kostenloses Mitfahrportal für FSG-Mitarbeiter gibt und auch das Bereitstellen von Jobtickets ist erfreulich. Die Verlängerung der Stadtbahnlinie U 6 ist ebenfalls eine sehr sinnvolle Maßnahme, deren Realisierung demnächst in Angriff genommen wird. Dasselbe gilt für die Expressbuslinien aus der Region. Auch wenn bereits viele Fortschritte für die bessere Erreichbarkeit des Flughafens mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht wurden oder sich in Umsetzung befinden, sind jedoch weitere Verbesserungen zur Verringerung des Auto- und Lkw-Verkehrs an den Flughafen möglich und notwendig:
- Die S‑Bahn sollte über Neuhausen hinaus verlängert werden, um eine durchgehende Verbindung ins Neckartal anbieten zu können. Ich freue mich, wenn die FSG entsprechende Ideen unterstützt.
- Die Fahrkarten für die Fernbusse mit Start- bzw. Zielort am neuen Stuttgart Airport Busterminal (SAB) sollten zugleich auch für den öffentlichen Nahverkehr gelten, wie dies bspw. in Köln bereits praktiziert wird, um Bring- und Abholfahrten mit dem Auto zu verringern. Die FSG kann dies nicht entscheiden, aber Einfluss auf eine solche Entscheidung nehmen. Ich habe diesen Vorschlag auch bereits an entsprechender Stelle vorgebracht.
- Für die Beschäftigten sollte die FSG Dienstfahrräder anbieten, die seit einigen Jahren steuerlich mit Dienstwagen gleichgestellt werden. Auf derartige Angebote haben sich inzwischen Dienstleister spezialisiert, so dass dem Arbeitgeber nur ein überschaubarer zusätzlicher organisatorischer Aufwand entsteht.
- Die Planung einer Kerosinpipeline, welche hoffentlich im Jahr 2018 in Betrieb genommen werden kann, befürworte ich. Bislang werden jährlich 260.000 Kubikmeter Kerosin per Lkw angefahren. Die damit verbundenen Belastungen und Risiken von Gefahrgutunfällen auf der Straße lassen sich mit einer Pipeline vermeiden.
Müll
Das gesamte Abfallaufkommen am Flughafen Stuttgart beträgt 5.300 t im Jahr 2015. Das entspricht etwa der Müllmenge, die eine Kleinstadt mit 17.000 Einwohnern produziert. Bereits vor zwei Jahren hatte ich kritisiert, dass die FSG vorrangig auf Wiederverwertung setzt. Leider wird in Ihrem aktuellen Bericht erneut das Thema Müllvermeidung nur unzureichend berücksichtigt. Meine Anregung, die FSG könne als Verpächterin der Handelsflächen am Flughafen auf die Gastronomie einwirken, wurde offenbar nicht umgesetzt.
Sehr geehrter Herr Prof. Fundel, sehr geehrter Herr Schoefer,
ich freue mich über alle Maßnahmen, die dazu dienen, den Betrieb des Flughafens umweltfreundlicher und klimaschonender zu machen. Ich hoffe, dass Sie meine Vorschläge aus diesem Schreiben berücksichtigen können. Gerne tausche ich mich auch in Zukunft konstruktiv mit Ihnen über das Thema Nachhaltigkeit aus.
Mit freundlichen Grüßen