08.09.2016, überarbeitet am 11.09.2016
Bundesregierung räumt in Sachen Luftreinhaltung ein: Ihr Vorschlag kommt einem Dieselverbot gleich – Wirksamkeit ist nur für blaue Plakette belegt
Auf Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Filderstadt) räumt das Bundesverkehrsministerium ein, dass es für undifferenzierte Fahrverbote keinerlei Wirksamkeitsuntersuchungen gibt. Entsprechende Erkenntnisse gibt es jedoch für die blaue Plakette, bei der Fahrzeuge bestimmter Schadstoffnormen in Umweltzonen einfahren dürfen. Sie würde nach Untersuchungen der Landesanstalt für Umwelt und Messungen Baden-Württemberg (LUBW) zu einer Halbierung der lokalen Stickoxidemissionen führen. Eine solche Regelung wird vom Bundesverkehrsminister jedoch abgelehnt. Er empfiehlt stattdessen ein grundsätzliches Fahrverbot, von dem die örtlichen Behörden Ausnahmen festlegen könnten. Bei einem solch undifferenzierten Fahrverbot würden Ausnahmen nicht nach Schadstoffklassen der Fahrzeuge, sondern nach der Antriebsart und nach dem Nutzungszeck erteilt. Während der Bundesverkehrsminister vor kurzem noch Ausnahmen für Berufspendler vorgeschlagen hatte, gibt er sich in der Antwort auf die Fragen von Matthias Gastel deutlich restriktiver: Ausnahmen solle es für Fahrzeuge mit Fremdzündungsmotor, also für Benziner geben. Dies bedeutet im Umkehrschluss ein Verbot für sämtliche Dieselfahrzeuge, auch derer mit Euronorm 6‑Motoren. Außerdem solle es Ausnahmen für Menschen mit schwerer Behinderung, für die Versorgung der Bevölkerung mit leichtverderblichen Lebensmitteln und für Rettungsdienste geben. Von Ausnahmen für Berufspendler ist beim Bundesminister nicht mehr die Rede.
Bewertung
Die Bundesregierung will ein nahezu vollständiges Dieselverbot mit wenigen Ausnahmen. Das klingt zunächst einmal sehr konsequent, da das Stickoxidproblem ein Dieselproblem ist. Was sie verschweigt ist, dass quasi der gesamte Güterverkehr und große Teile des Handwerksverkehrs in den Städten zum Erliegen kämen. Betroffen wäre zudem jeder zweite Berufspendler. Von der blauen Plakette wäre im Jahr 2020 nur etwa jedes fünfte Fahrzeug betroffen – und zwar genau die Fahrzeuge mit den höchsten Stickoxid-Emissionen. Zudem entstünde bei Umsetzung der Idee des Bundesverkehrsministeriums ein Flickenteppich von unterschiedlichsten örtlichen Ausnahmeregelungen. Während mit der blauen Plakette einheitliche Verkehrsbeschränkungen definiert werden, müssten für Dobrindts Vorschlag alle 80 deutschen Städte mit zu hohen Stickoxidwerten eigene, örtliche Regelungen erlassen. Damit drohen unübersichtliche Regelungen mit dem hohen Risiko, jeweils gerichtlichen Überprüfungen unterzogen zu werden.
Hier geht es zur Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf meine Schriftliche Frage: schriftl-frage-blaue-plakette
Kommentar von Matthias Gastel
„Bundesverkehrsminister Dobrindt fehlt der Mut für eine bundeseinheitliche blaue Plakette mit in allen betroffenen Städten gleichen Verkehrsregeln. Er stiehlt sich damit aus der Verantwortung für die Gesundheit der Menschen. Dafür droht ein Flickenteppich unterschiedlichster Regeln in den Städten mit einem Chaos im Lieferverkehr. Und dies alles, nachdem er schon viel zu lange über die deutlich zu hohen Schadstoffausstöße hinwegsieht und die Elektromobilität viel zu zögerlich fördert. Und nicht zu vergessen, dass es er und seine Amtsvorgänger waren, die strengere Grenzwerte für Kraftfahrzeuge auf EU-Ebene verhindert haben.“
Was notwendig ist (Forderungen)
Der Bund in der Pflicht
- Einführung der blauen Plakette mit bundesweit einheitlichen Regeln, so dass heute schon Rechtssicherheit beim Autokauf geschaffen wird und sie ab 2019 in Umweltzonen eingesetzt werden kann.
- Den Kommunen die Erhebung einer Nahverkehrsabgabe bzw. die Einführung einer City-Maut ermöglichen.
- Wirkungsvolle Förderung der Elektromobilität
Land Baden-Württemberg, Region Stuttgart und Landeshauptstadt Stuttgart in der Pflicht
Neben den bereits beschlossenen bzw. in Planung befindlichen Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr durch den Ausbau der Schienen- und Busangebote sowie dem Ausbau der Radinfrastruktur sind erforderlich:
- Massive Erhöhung der Investitionen in den Radverkehr und Planung von Radschnellwegen.
- Betriebskonzept für die Gäubahn mit Anbindung an den Hauptbahnhof
- Umsetzung der vom Bund demnächst zu erwartenden Privilegierungsmöglichkeiten zugunsten des Car-Sharings
- Vorbereitung einer Nahverkehrsabgabe für Stuttgart und Region
- Vorbereitung von Fahrverboten für den Fall, dass sich der Bund in Sachen blauer Plakette weiterhin verweigert