Bundesverkehrswegeplan wird in Gesetze gegossen – Viel Beton und wenig Schienen zu erwarten
Heute starten die Ausschussberatungen für die Ausbaugesetze für die Straßen‑, Schienen- und Wasserwege. Die Ausbauentscheidungen kranken an den Wurzeln: Bis 2030 und die Folgejahre sollen viele Milliarden Euro investiert werden. Umwelt- und Verkehrspolitische Ziele werden von der Großen Koalition damit jedoch nicht verfolgt. Das ist fatal – und bleibt es wohl auch.
Alle ursprünglichen positiven Ansätze wie die strenge Beurteilung von Projekten ausschließlich an objektiven Maßstäben, die zu Beginn der Bundesverkehrswegeplanung noch ausgesprochen wurden, hatten sich schon früh in Luft aufgelöst. Viel zu groß war der Druck vieler Wahlkreisabgeordneten von CDU, CSU und SPD zugunsten häufig bestenfalls nur kleinteilig wirksamer Straßenneubauten. Alternativen wie der Ausbau von Schienenwegen statt neuer Straßen oder des Ausbaus vorhandener statt des Baus von neuen Straßen wurden in sehr vielen Fällen nicht oder unzureichend geprüft. Am Ende verabschiedete das Bundeskabinett einen Bundesverkehrswegeplan 2030, der mehr einem „Wünsch-Dir-Was“-Konzert denn einer stimmigen Netzplanung gleicht. Hinzu kommen gravierende methodische Mängel: So war das öffentliche Beteiligungsverfahren eine Farce, weil die zahlreich eingegangenen Stellungnahmen nicht ernsthaft überprüft wurden und auch nichts bewirkt haben. Manche Straßenprojekte wurden von den Ländern nicht angemeldet, vom Bund aber trotz mangelhafter Datengrundlagen bewertet und in den „Vordringlichen Bedarf“ eingestuft. Einer der gravierendsten Kritikpunkte bezieht sich darauf, dass das Bundeskabinett einen Bundesverkehrswegeplan verabschiedet hat, in dem der Großteil der von den Ländern oder der Deutschen Bahn angemeldeten Schienenwege entweder ohne jede Überprüfung von vornherein abgelehnt oder aber bis heute noch nicht bewertet wurde. Das hätte sich ein Herr Dobrindt bei den Straßen niemals getraut!
In den letzten Monaten und damit im Vorfeld der nun beginnenden Beratungen der drei Ausbaugesetze, die sich aus dem Bundesverkehrswegeplan ableiten, hatte die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dutzende von Parlamentsinitiativen ergriffen. Wir haben kritische Nachfragen gestellt und eine andere Herangehensweise für die Infrastrukturplanung beantragt. Hier einige weitere Kritikpunkte, die wir feststellen müssen:
- 24 Straßenprojekte hat der Bund aufgenommen und bewertet, obwohl dafür von Länderseite kein Bedarf gesehen wird. Dies gilt u. a. für den Nordostring Stuttgart („Weiterer Bedarf“) und die B 29 neu zwischen Röttingen und Nördlingen („Vordringlicher Bedarf“). Da die Straßenbauverwaltungen der betroffenen Länder hierzu meist keine Untersuchungen durchgeführt haben, ist die Datengrundlage, die der Bund für die Nutzen-Kosten-Berechnung herangezogen hat, häufig unklar und/oder höchst fragwürdig.
- Die umgesetzten Straßenbauprojekte des letzten Bundesverkehrswegeplans verteuerten sich im Durchschnitt um 30 Prozent. Für den neuen Plan hat die Bundesregierung (bis 2030 bzw. 2035!) keinerlei Kostensteigerungen zugrunde gelegt. Auch deshalb sind selbst nicht alle der im „Vordringlichen Bedarf“ eingestuften Vorhaben finanzierbar.
- Viele der vom Bund als vordringlich eingestuften Straßenbauprojekte sind nicht großräumig bedeutsam. Insgesamt trifft dies auf 381 Projekte mit einer Gesamtlänge von rund 1.900 Kilometer und Gesamtkosten in Höhe von 11,5 Milliarden Euro zu.
- Bei den Schienenwegen hingegen schieden bereits zu Beginn der Erstellung des Bundesverkehrswegeplans alle von den Ländern und der DB angemeldeten Projekte aus, die keine oder nur eine geringe Bedeutung für den Güter- oder Personenfernverkehr haben. Und dies, obwohl es sich um BUNDESschienenwege handelt und es dafür keinen anderen Verantwortlichen als den Bund gibt!
- Untersuchungen für zentrale Schienenprojekte wurden vom Bund entweder überhaupt nicht (Beispiel Gäubahn Stuttgart-Zürich) oder viel zu spät (740-Meter-Netz) in Auftrag gegeben. Die Bewertung des für den Güterverkehr sehr wichtigen 740-Meter-Netzes wurde vom Bund erst im April 2016 eingeleitet, womit mindestens zwei Jahre tatenlos verschlafen wurden!
- Die Engpassbewertungen bei Straße und Schiene wurden sehr unterschiedlich vorgenommen. Während die Verkehrsmengen bei den Straßen für alle Stunden des Jahres ermittelt wurden, gibt es bei den Schienenwegen keine tageszeitlich differenzierten Auswertungen. Im Ergebnis soll der Bundesverkehrswegeplan 42 Prozent der zu erwartenden Stauzeiten auf Autobahnen, jedoch nur 13 Prozent der zu erwartenden Zugverspätungen zu beseitigen helfen.
Wir haben uns wochenlang auf die nun beginnenden Beratungen der drei Ausbaugesetze vorbereitet. Dabei haben wir uns auch den Expertisen von grünen Kommunal- und Landtagsfraktionen sowie von Umwelt- und Verkehrsverbänden bedient. Außerdem hatten wir Bürgerinnen und Bürger zu vier Regionalforen eingeladen, um mit uns über die Grundzüge der Bundesverkehrswegeplanung sowie einzelne Projekte zu diskutieren.
Mit zahlreichen Anträgen werden wir uns für punktuelle Verbesserungen in den Ausbaugesetzen einsetzen. Die vielen grundlegenden Fehler, von denen hier nur einige wenige kurz umrissen wurden, können damit jedoch nicht geheilt werden. Unser Ziel ist und bleibt ein Bundesnetzplan, der sich auf zentrale Ergänzungen des Straßennetzes konzentriert und die Schiene gegenüber der Straße stärkt.
Die Wortprotokolle der öffentlichen Anhörungen des Verkehrsausschusses zum Bundesverkehrswegeplan am 7. November 2016 finden Sie hier:
https://www.bundestag.de/blob/479678/da32e1a0e6d3810fbfb72abfdc3cd422/085_sitzung_protokoll-data.pdf
https://www.bundestag.de/blob/479676/7f75eca6230b217ae368ecf800c5c229/084_sitzung_protokoll-data.pdf
https://www.bundestag.de/blob/479674/1ae70057530f7d5926e8dd70b4b6577c/083_sitzung_protokoll-data.pdf
Das Protokoll der Anhörung zum Fernstraßenausbaugesetz am 9. November 2016 finden Sie in Kürze hier: https://www.bundestag.de/ausschuesse18/a15/oeffentliche_anhoerungen