Autofahrende aufgeschlossen für Alternativen
Alle zwei Jahre wird das Umweltbewusstsein in Deutschland in einer repräsentativen Studie des Bundesumweltministeriums untersucht. Kürzlich wurden die neuen Daten vorgestellt.
Seit 1996 wird im Zweijahresrhythmus erforscht, wie sich das Umweltbewusstsein und Umweltverhalten in Deutschland darstellt und entwickelt. Dazu wurden zuletzt im Sommer 2016 mehr als 4.000 Menschen online befragt. Im April 2017 wurde sie veröffentlicht.
Umweltbewusstsein stabil
21 Prozent der Befragten zählten in einer offenen Fragestellung den Umwelt- und Klimaschutz zu den wichtigsten Problemen, denen sich unser Land heute gegenübersieht. Dieser Wert ist seit dem Jahr 2000 recht stabil und hat sich zwischen 14 und 25 Prozent eingependelt. Die Ausnahme stellte das Jahr 2012 dar, als vor dem Hintergrund der Atomkatastrophe von Fukushima der Atomausstieg und Fragen der Energiewende die Gemüter bewegt haben. Der Wert von 21 Prozent liegt geringfügig über dem des Jahres 2014 (19 Prozent). Der Umwelt- und Klimaschutz liegt auf dem dritten Platz der wichtigsten Probleme. Die Interpretation der Wissenschaftler: „Das Politikfeld des Umwelt- und Klimaschutzes hat sich etabliert“.
Allerdings wurden die Bereiche „Zuwanderung, Migration“ mit 55 Prozent und „Kriminalität, Frieden, Sicherheit“ mit 47 Prozent deutlich häufiger genannt – auch deutlich häufiger als in der Befragung zwei Jahre zuvor (damals nur 18 bzw. 20 Prozent). Leicht gewachsen ist die Bedeutung von „Soziale Sicherung, soziale Gerechtigkeit“ (von 12 auf 17 Prozent, Platz vier der wichtigsten Probleme),
In einer geschlossenen Fragestellung bezeichneten 53 Prozent der Befragten den „Umwelt- und Klimaschutz“ als ein sehr wichtiges und weitere 37 Prozent als wichtiges Thema. Mit 70 bzw. 63 Prozent lagen „Kriege, Terrorismus“ und „Zuwanderung, Migration“ auf den ersten beiden Plätzen der „sehr wichtigen“ Themen. Die Umweltthemen landeten auf dem sechsten Platz.
Befragt nach den bedrohlichsten Themen im Hinblick auf unsere Lebensgrundlagen nannten jeweils über 70 Prozent und damit mit Abstand am häufigsten „Plastikmüll in den Weltmeeren“ und „Abholzung von Wäldern“. Werte von noch über 50 Prozent erhalten die Themen Artensterben, Klimawandel sowie Schadstoffbelastungen in Böden, Gewässern und Luft.
Bewertung von Akteuren und von Maßnahmen
Nur eine Minderheit der Befragten vertrat die Meinung, dass für den Umwelt- und Klimaschutz bereits genug getan werde. Dass das Engagement der Bürger*innen ausreicht meinen nur sechs und über die Bundesregierung sagen dies acht Prozent.
Befragt danach, welche staatlichen Maßnahmen für den Klimaschutz sehr wichtig wären, antworten jeweils 59 Prozent mit „Abbau von klimaschädlichen Subventionen“ und „Ausbau der Förderung erneuerbarer Energien“. Es folgt das „Verbot von besonders klimaschädlichen Produkten“ (58 Prozent).
Wahrnehmung der Umweltqualität
Von den Befragten sagen 86 Prozent, dass die Umweltqualität in ihrem Wohnort sehr gut oder recht gut ist. Für Deutschland insgesamt sehen das 75 Prozent so. Das Gegenteil trifft allerdings auf die Beurteilung der weltweiten Umweltqualität zu, die von 92 Prozent als sehr oder eher schlecht beurteilt werden.
40 Prozent der befragten Personen gehen davon aus, dass ihre eigene Gesundheit durch Umweltprobleme belastet wird. Dies sind deutlich mehr als in den vorangegangenen Befragungen. Nach konkreten Faktoren befragt, die Einfluss auf die eigene Gesundheit nehmen, werden am häufigsten „Schadstoffe und Pflanzenschutzrückstände in Lebensmitteln“ und „Chemikalien in Produkten und Gegenständen des täglichen Bedarfs“ genannt (jeweils 44 Prozent). Diejenigen, die sich in ihrer gesamten Lebenssituation benachteiligt sehen (niedriger sozialer Status) sehen sich besonders stark von diesen und weiteren Gesundheitsbelastungen betroffen.
Beim Aspekt „Lärmbelastungen“ steht der Straßenlärm vorne, 23 Prozent sehen sich äußerst oder stark belastet. Es folgt der Lärm von Nachbarn (14 Prozent), Flugverkehr (9 Prozent), Gewerbe (8 Prozent) und Schienenverkehr (6 Prozent).
Ernährungsverhalten
„Was ist Ihnen bei der Auswahl von Lebensmitteln besonders wichtig?“ beantworteten jeweils 55 Prozent mit „Frische“ und „regionale Herkunft“. Mit großen Abständen folgen „hohe Qualität“ und Frei von Zusatzstoffen“. „Bio-Produkte“ werden von 17 Prozent benannt.
Die Häufigkeit des Fleischkonsums hat sich gegenüber dem Jahr 2014 etwas reduziert. Der Anteil derer, die angaben, „nie“ Fleisch zu essen, ist von zwei auf vier Prozent und der Abteil derer, die „einmal pro Woche oder seltener“ Fleisch essen ist von 22 auf 25 Prozent gestiegen. 63 Prozent der Befragten, die kein oder selten Fleisch essen gehen davon aus, dass dieses Verhalten gesünder ist (63 Prozent). Fast genauso häufig ist das Tierwohl der Grund zum Verzicht. Diejenigen, die mehrmals wöchentlich Fleisch verzehren, würden ihren Fleischkonsum am ehesten dann reduzieren, wenn es teurer würde oder/und wenn man sich in der Familie gemeinsam darauf verständigen würde.
Interessant auch, dass fast ein Drittel angab, mindestens einmal pro Woche Lebensmittel wegzuwerfen.
Mobilität: Das Warten auf bessere Alternativen zum Auto
70 Prozent der Befragten fahren regelmäßig (37 Prozent täglich, 33 Prozent mehrmals wöchentlich) mit dem Auto. Dasselbe sagen 61 Prozent über das Zufußgehen, 32 Prozent übers Radfahren und 21 Prozent über die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Zwischen Stadt und Land gibt es dabei ein nicht verwunderliches Gefälle: Umso kleiner der Ort, desto häufiger wird das Auto eingesetzt. Busse und Bahnen erfreuen sich hingegen in größeren Orten häufigerer Nutzungen.
Drei Viertel der regelmäßig Autofahrenden können sich vorstellen, häufiger zu Fuß zu gehen, wenn die Fußwege besser ausgebaut und auf den Fahrbahnen neben der Gehwege weniger Kfz-Verkehr fahren würde. Sechzig und mehr Prozent der Befragten (je nach Größe des Ortes) können sich vorstellen, häufiger mit dem Fahrrad zu fahren, wenn die Infrastruktur besser ausgebaut ist (Radwege, Beschilderung, Abstellanlagen) und die Wege nicht zu weit sind. Knapp 50 Prozent der Befragten kleiner und mittlerer Orte und 61 Prozent aus den Großstädten können sich vorstellen, häufiger Bus und Bahn zu nutzen, wenn sich eine Haltestelle in der Nähe befindet, eine engere Taktung mit Direktverbindungen angeboten wird und die Preise niedriger sind.
Über 90 Prozent der Befragten (plus neun Prozent gegenüber 2014) glauben, dass eine Stadt- und Regionalentwicklung, die darauf ausgerichtet ist, zu einem guten Leben beitragen kann. Für ihren eigenen Wohnort wünschen sich dies 41 Prozent uneingeschränkt und 38 Prozent antworten mit „eher ja“. Aus einer vorgegebenen Auswahl an denkbaren Maßnahmen sind 91 Prozent sehr oder eher für die Verlagerung von Güterverkehr vom Lkw auf die Schiene, 85 Prozent für die Schaffung verkehrsberuhigter Wohngebiete, 56 Prozent für ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf den Autobahnen und 41 Prozent für Tempo 30 auf innerörtlichen Hauptstraßen (56 Prozent eher oder sehr dagegen).
Autos teilen und elektrisch antreiben
Carsharing wurde schon von 14 Prozent der Befragten genutzt und weitere 40 Prozent können sich vorstellen, es künftig zu nutzen. In Orten mit weniger als 20.000 Einwohnern sagen aber drei von vier Befragten, dass es bei ihnen gar keine entsprechenden Angebote gäbe.
Unter der Voraussetzung, dass sich zukünftig die Reichweite, Kosten und Ladeinfrastruktur für Elektroautos merklich verbessern, ist es für etliche durchaus vorstellbar oder eher vorstellbar, in Zukunft ein Elektroauto zu nutzen – vor allem auf kurzen Strecken: Für den Einkauf können es sich 77 Prozent aller Befragten vorstellen, für die Freizeit 66 Prozent, für die Arbeit 60 Prozent und für den Urlaub noch 33 Prozent.
Fazit zur Mobilität
Das Fazit der Wissenschaftler bezüglich der gesellschaftlichen Bereitschaft, sich auf eine andere Mobilität einzulassen, ist durchwachsen: „Die Dringlichkeit dieser Herausforderung ist in der Bevölkerung allerdings noch nicht so weit angekommen, dass die Menschen schon heute ihr Mobilitätsverhalten von sich aus deutlich ändern würden. Eine grundsätzliche Umorientierung zu einem nachhaltigeren Mobilitätsverhalten findet beim Großteil der Bevölkerung noch nicht statt.“ Aber es werden durchaus Anzeichen für ein Umdenken gesehen: „Es sind inzwischen vielfältige neue Mobilitätsansätze sichtbar, mit zum Teil beachtlichen Zuwachszahlen und großen Sympathiepotenzialen.“ Hier wird ein klarer Auftrag an die Politik gesehen: „Alternativen zum Auto und alternative Autos bedürfen aber verstärkt förderlichen Rahmenbedingungen, damit sie ihren Beitrag zu einer umwelt- und klimafreundlichen Mobilität leisten können.“