26.05.2017
Von Hilfen für Pflegebedürftige, Kinder, Arbeitsuchenden und straffällig Gewordenen und ihre Opfer
Bei meinem jüngsten Thementag standen Menschen, die auf unterschiedlichste Weisen auf Hilfen angewiesen sind, im Mittelpunkt. Es ging um pflegebedürftige und psychisch kranke Menschen, um Kinder, Arbeitsuchende und um straffällig gewordene junge Menschen und ihre Opfer.
Wohn- und Pflegezentrum St. Vinzenz
Das in über 50-jähriger Tradition stehende geronto- und sozialpsychiatrische Wohn- und Pflegeheim in Filderstadt bietet 200 Plätze für verschiedenste Hilfearten für jüngere und ältere Personen an. Trägerin ist die Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung mit Sitz in Sindelfingen, die in Baden-Württemberg derzeit 28 Einrichtungen in der Altenhilfe und Krankenpflege betreibt. Das St. Vinzenz bietet Plätze für Menschen mit Demenz (50 Plätze), gerontopsychiatrisch-palliative Fachpflege (50 Plätze), sozialpsychiatrische Fachpflege und sozialpsychiatrisch betreutes Wohnangebot (100 Plätze). Mit dem Einrichtungsleiter Hans Vogel und einigen Wohnbereichsleiterinnen habe ich mich über die Fachkräftelage und die Weiterentwicklung der Ausbildung sowie den Einsatz von Ehrenamtlichen unterhalten. Meine Gesprächspartner waren klare Fürsprecher einer generalisierten Berufsausbildung, also der Zusammenführung der drei noch selbstständigen Ausbildungsberufe Alten‑, Kranken- und Kinderkrankenpflege. Sie wiesen auf das gestiegene Anspruchsniveau der Arbeit hin und bemängelten, dass viele Bewerber*innen und auch viele der Auszubildenden diesen Anforderungen nicht gewachsen seien. Klar war die Position beim Thema Bezahlung: Diese müsse besser werden. Beim Engagement der Ehrenamtlichen, die beispielsweise bei begleiteten Spaziergängen oder dem Spielestammtisch zum Einsatz kommen, stellt die Einrichtung wesentliche Veränderungen fest: Es gibt weniger Nachwuchs und viele kommen nicht mehr so regelmäßig.
Studiengang „Bildung und Erziehung in der Kindheit“
Der Studiengang an der Hochschule Esslingen qualifiziert für Tätigkeiten mit Kindern von 0–10 Jahren und ihren Familien. Die Studierenden erwerben in sieben Semestern die erforderlichen Kompetenzen, um Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Institutionen auf wissenschaftlicher Grundlage zu konzipieren, zu gestalten, praktisch umzusetzen, zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Studierenden, die zuvor schon eine Ausbildung zum/zur Erzieher*in absolviert haben, können bis zu zwei Semester erlassen werden. Vier bis fünf Praxismonate, die sich auf mehrere Blöcke verteilen, sind im Studium vorgesehen. Mit dem erfolgreichen Studienabschluss erwirbt man die Berufsbezeichnung „Staatlich anerkannte/r Kindheitspädagogin“. Mit dem Hochschulrektor, der Dekanin und der Studiengangsleiterin habe ich mich über den Studienaufbau, die Fachkräftesituation, die Praxisanteile am Studium und die Berufsperspektiven unterhalten. Die Hochschule wünscht sich mehr Studienplätze als die bewilligten 35 pro Jahr, auf den sich 600 Personen bewerben. Die Akademisierungsrate von aktuell fünf Prozent im Bereich der frühen Bildung ist aus ihrer Sicht viel zu gering, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Als Haupttätigkeitsfeld der Absolvent*innen wird die Gruppenleitung, stellvertretende Leitung oder Einrichtungsleitung angegeben. Zwei Drittel gehen in den Bereich der frühkindlichen Bildung. Auf die Übernahme von Leitungsfunktionen im direkten Anschluss ans Studium macht die Hochschule schon auf ihrer Homepage wenig Hoffnung: „Für Leitungsfunktionen und andere besonders qualifizierte Tätigkeitsfelder wird in der Regel eine entsprechende Berufserfahrung vorausgesetzt.“ Und wie sieht es mit der Bezahlung aus? Bezahlt wird in den meisten Sozialeinrichtungen nach TVöD oder in Anlehnung daran. Der Abschluss eines Studiums findet darin keine Berücksichtigung. Als weitere Einsatzgebiete der Absolvierenden werden beispielsweise die Auswahl und Qualifizierung von Tagesmüttern oder die Sozialarbeit an Grundschulen gesehen. Für einen Teil der Studierenden stehen 15 Plätze für den forschungsorientierten Masterstudiengang zur Verfügung. „Aber die meisten wollen mit ihrem Bachelor ins Feld“ wurde mir berichtet.
Die Arbeitsagentur in Zeiten hoher Beschäftigung
Mit dem Leiter der Arbeitsagentur im Bezirk Göppingen habe ich mich am Standort Esslingen über die Arbeitsmarktlage im Landkreis ausgetauscht. Zunächst einige Zahlen: Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Jahr 2016 weiter auf inzwischen 210.000 gewachsen. In einem Dreijahreszeitraum entspricht dies einem Plus von neun Prozent. Dabei ist die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten ebenso überdurchschnittlich gewachsen wie die von Menschen ohne deutschen Pass. Von den 15- bis unter 65-Jährigen gehen im Landkreis Esslingen 62,1 Prozent einer Beschäftigung nach. Das sind fast fünf Prozentpunkte mehr als bundesweit. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei 3,5 Prozent. Die Anzahl der Langzeitarbeitslosen verharrt seit etwa fünf Jahren auf etwas mehr als 3.000 – dieser Personenkreis profitiert vom anhaltenden Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt deutlich unterdurchschnittlich. Eines unserer Gesprächsthemen war der Umgang der BA mit den Stellenangeboten in der Zeitarbeit. Eine Vermittlung auf Stellen jenseits der Arbeitnehmerüberlassung habe Vorrang, genauso wie die Qualifizierung Vorrang vor Vermittlung habe. Man sei sehr an nachhaltigen Vermittlungserfolgen interessiert. Zeitarbeit sei aber auch eine Chance, wenn die Alternative dazu die Fortsetzung der Arbeitslosigkeit sei. Ein Blick in die Statistik ist hierzu interessant: Nur 1,9 Prozent aller im Landkreis Esslingen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten demnach in der Zeitarbeit. Landes- und bundesweit sind es mit Anteilen von 2,4 bzw. 2,7 Prozent deutlich mehr. Das dürfte auch daran liegen, dass sich der Arbeitsmarkt zunehmend zum Fachkräftemarkt entwickelt. Nicht einmal mehr jede fünfte ausgeschriebene Stelle richtet sich an Helfer. Der überwiegende Teil der Gesuchten müssen Fachkräfte oder gleich Spezialisten sein.
Seehaus in Leonberg: Chance für straffällig gewordene Jugendliche
Seit dem Jahr 2003 bietet das Seehaus in Leonberg Hilfen für straffällig gewordene Jugendliche und die Opfer von Straftaten an. Geschäftsführer Tobias Merckle hat uns über das Gelände geführt und die Konzeption erläutert. Jugendliche und Heranwachsende ab 14 Jahren, die wegen Straftaten zu Haftstrafen verurteilt wurden, können sich im Seehaus für eine Alternative zum geschlossenen Vollzug bewerben. Anstatt eines Haftaufenthalts wohnen bis zu sieben junge Leute für zumeist ein bis zwei Jahre mit Hauseltern und deren Kindern zusammen. Das Ziel ist, dass die Jugendlichen lernen, Verantwortung zu übernehmen und zukünftig als gesetzestreue Bürger leben. Dafür müssen sich die jungen Menschen auf einen durchstrukturierten und oftmals auch harten Arbeitsalltag einstellen. Der Tag beginnt um 5.45 Uhr mit Frühsport. Es folgen Hausputz, Schule und Arbeit in verschiedenen Bereichen wie der Schreinerei oder der Metallwerkstatt. Hinzu kommen soziales Training und die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von Straftaten für die Opfer. Das nennt sich dann „Opfer und Täter im Gespräch“. Dabei wird Opfern von Straftaten in mehreren Gesprächsrunden in einem geschützten Rahmen und unter Begleitung von Fachkräften ermöglicht, verurteilten Tätern Fragen zu stellen und zu berichten, wie sich das Erleiden einer Straftat auf das eigene Leben ausgewirkt hat. Dabei besteht jedoch zwischen Tätern und Opfern kein unmittelbarer Bezug.
Mein Fazit: Das gesellschaftliche Interesse muss sein, dass junge Menschen, die durch Gewalt- und andere Straftaten aufgefallen sind, nicht rückfällig werden. Dafür ist eine Kombination aus Arbeit und regelmäßiger Konfrontation mit den Folgen der eigenen Taten häufig wirkungsvoller als das bloße Absitzen der Strafe. Notwendig ist dafür auch, dass die Konsequenzen (Gerichtsurteile) künftig schneller erfolgen als dies bislang häufig der Fall ist.