Bürgerdialog in Frickenhausen
Zu parteipolitischen Veranstaltungen kommen meist immer dieselben Personen bzw. die Mitglieder der jeweiligen Parteien. An Infoständen sind diejenigen, die stehen bleiben, Fragen stellen oder ihre Meinung zum Ausdruck bringen, ebenfalls nicht annähernd repräsentativ. Wie lassen sich also Interessierte wie weniger Interessierte, überwiegend Zufriedene und überwiegend Unzufriedene erreichen und ansprechen? In der vergangenen Woche in Kohlberg und heute nun in Frickenhausen habe ich durch direkte Ansprachen auf der Straße, über Gartenzäune hinweg oder an Haustüren versucht, ins Gespräch zu kommen. Ich habe alle Leute, die ich gesehen habe, einfach angesprochen, mich kurz vorgestellt und gefragt, wo der Schuh drückt.
Dabei ergaben sich einige auch längere Gespräche von 10 bis 20 Minuten. Etwa jedes zehnte angestrebte Gespräch kommt nicht zustande, weil die Leute sagen, sie wollen nicht mit mir, nicht einem Angehörigen der Grünen oder generell nicht über Politik sprechen. Die Themen, die die Menschen umtreiben, sind sehr unterschiedlich: Angefangen hat es mit Fragen des Beamtenrechts, weiter ging es mit drohenden Fahrverboten und der Zukunft der deutschen Automobilindustrie bis hin zur Flüchtlingspolitik und der Energieversorgung. Ein junger Mann, der mit Kinderwagen und Hund unterwegs war, beschäftigte sich mit dem Euro und der Preissteigerung.
Einige meiner Erlebnisse möchte ich hier kurz schildern:
Eine Frau, die an ihrem Gartentor arbeitete und mich aus der Ferne bereits mit einer anderen Person hat sprechen sehen, sah mich kommen und rief mir gleich zu „Ich will nicht angesprochen werden“. Ich hatte mich gerade abgewendet, als ich sie noch sagen hörte „Es soll jeder seine eigene Religion leben.“ Ich drehte mich wieder um und fragte: „Glauben Sie, dass wir von den Zeugen Jehovas kommen?“ Und sie antwortete: „Ja, ist doch so. Oder?“ Nachdem ich verneint und mich vorgestellt hatte, mussten wir beide lachen und es ergab sich doch noch ein konstruktives Gespräch.
Eine andere, diesmal ältere Frau, sagte mir, nachdem ich mich vorgestellt und ihr erläutert hatte, ich wolle wissen, was die Leute so bewegt, antwortete sie: „Politiker müssen häufiger mit den Bürgern reden, denn die wissen nicht, was diese so denken.“ Ich erwiderte, dass ich genau dafür ja unterwegs bin. Es entwickelte sich eines der längsten aller Gespräche des heutigen Tages.
Seltsam mutete der letzte Dialog des Tages an. Die Frau, die ich angesprochen habe, erklärte mir in gebrochenem Deutsch, sie komme aus Polen, lerne gerade die deutsche Sprache und habe einen Einbürgerungsantrag gestellt. Und fügte gleich an: „Ich bin gegen Flüchtlinge. Sind Sie auch gegen Flüchtlinge?“ Sie sagte bzw. fragte dies ohne jeden Versuch einer Differenzierung. Mit meinem Versuch einer Differenzierung („Unter vielleicht einer Million Flüchtlinge befinden sich 1.600 Gefährder, die man sehr ernst nehmen und überwachen bzw. – wo möglich – ausweisen muss. Aber man braucht sich wegen dieser Minderheit nicht vor allen zu fürchten“) fiel auf keinen Resonanzboden. Ich fragte mich, wie jemand als (noch) Fremde sich so vor anderen Fremden in der Fremde fürchten und so eindeutig diskriminierende Pauschalurteile fällen kann.
Insgesamt ist mir einmal mehr aufgefallen: „Das“ Thema, das sehr viele bewegt, gibt es nicht. Fast allen fallen unterschiedliche Dinge ein, wenn sie angesprochen werden. Die Themen und Meinungen sind so vielfältig wie die Menschen.
Hier geht es zum Bericht über den Dialog in Kohlberg: https://www.matthias-gastel.de/in-kohlberg-unterwegs-zum-buergerdialog/#.WT6BWk1dDIU