Masterplan Schienengüterverkehr: Spät, aber in der Sache richtig

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30.06.2017

Jetzt kommt es auf die Umset­zung an

Ende Juni wur­de der „Mas­ter­plan Schie­nen­gü­ter­ver­kehr“ vor­ge­stellt. Es han­delt sich um ein Gemein­schafts­werk des Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­ums, der Alli­anz pro Schie­ne, DB, der Eisen­bahn­in­dus­trie, des BDI und wei­te­rer Ver­bän­de.

Die beschrie­be­ne Aus­gangs­si­tua­ti­on liest sich wie ein Pro­to­koll des Ver­sa­gens der Bun­des­po­li­tik. Dar­in heißt es:

„Der ver­kehrs­be­ding­te Aus­stoß kli­ma­schäd­li­cher Treib­haus­ga­se ist in den ver­gan­ge­nen Jah­ren kon­ti­nu­ier­lich ange­stie­gen“; „Der Markt­an­teil des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs an der gesam­ten Trans­port­leis­tung im Güter­ver­kehr (ist) über die ver­gan­ge­nen Deka­den (…) deut­lich gesun­ken“; „Die gerin­gen Ren­di­ten (im deut­schen Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs­markt) rei­chen (…) nicht aus, um die not­wen­di­gen Inves­ti­tio­nen zur nach­hal­ti­gen Siche­rung des Schie­nen­gü­ter­ver­kehrs zu finan­zie­ren“;

„Der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr (hat) u. a. jähr­lich höhe­re Tras­sen­prei­se zu ver­kraf­ten, wäh­rend der durch­schnitt­li­che Lkw-Maut­satz seit Jah­ren sinkt“.

Für all die­se Punk­te tra­gen CDU/CSU und SPD die Ver­ant­wor­tung. Denn es waren die bei­den Regie­rungs­frak­tio­nen, die die Maut­sät­ze für Lkw gesenkt und zugleich mit ihrem Eisen­bahn­re­gu­lie­rungs­ge­setz für wei­ter stei­gen­de Tras­sen­prei­se im Bahn­ver­kehr gesorgt haben.

Der nun vor­ge­leg­te Mas­ter­plan liest sich hin­ge­gen gut. Er beschreibt fol­gen­de Hand­lungs­fel­der:

1. Infra­struk­tur

 

Es wird das für den Güter­ver­kehr so wich­ti­ge 740 Meter-Netz und die Besei­ti­gung von Eng­päs­sen an den Kno­ten gefor­dert.

Anmer­kung: Das ist drin­gend not­wen­dig. Aber lei­der haben CDU/CSU und SPD es ver­säumt, die­se Vor­ha­ben in den Vor­dring­li­chen Bedarf des Schie­nen­we­ge­aus­bau­ge­set­zes auf­zu­neh­men. Die­se Vor­ha­ben har­ren im „poten­ti­el­len Bedarf“ ihrer Wirt­schaft­lich­keits­be­wer­tung, wäh­rend alle Stra­ßen­pro­jek­te längt bewer­tet sind.

 2. Digi­ta­li­sie­rung

 

Die Chan­cen (bei­spiels­wei­se bes­se­re Kapa­zi­täts­aus­las­tung des Schie­nen­net­zes, Redu­zie­rung der Fahrt­zei­ten) und Not­wen­dig­kei­ten wer­den hin­rei­chend beschrie­ben. Die Ver­ant­wor­tung für die Umset­zung der Maß­nah­men wird aber der DB zuge­scho­ben, die um vie­le Jah­re den Ent­wick­lun­gen hin­ter­her­hinkt und wenig finan­zi­el­le Spiel­räu­me für die not­wen­di­gen Inves­ti­tio­nen hat – oder es wird auf die EU ver­wie­sen.

3. Auto­ma­ti­sie­rung

 

Hier wer­den sinn­vol­le und teil­wei­se seit Jahr­zehn­ten über­fäl­li­ge Maß­nah­men wie die auto­ma­ti­sche Kupp­lung beschrie­ben. Für die Auto­ma­ti­sie­rung des Eisen­bahn­be­trie­bes sol­len (ana­log zum Stra­ßen­ver­kehr) die Anpas­sun­gen des Rechts­rah­mens und der IT-Sicher­heit sowie des Daten­schut­zes geprüft wer­den. Vie­les kommt spät. Aber die Punk­te sind rich­tig.

4. Tech­ni­sche Inno­va­tio­nen für die Schie­nen­fahr­zeu­ge

 

Es wer­den die Chan­cen durch Hybrid­lo­ko­mo­ti­ven für die „letz­te Mei­le“, im Ran­gier­be­trieb und im elek­tri­fi­zier­ten Fern­be­reich mit kur­zen nicht elek­tri­fi­zier­ten Abschnit­ten beschrie­ben.

Die Eisen­bahn­in­dus­trie ver­pflich­tet sich zur Wei­ter­ent­wick­lung die­ser Tech­no­lo­gie und der Bund zur Ein­füh­rung einer För­der­mög­lich­keit.

5. Mul­ti­mo­da­li­tät und Zugang zur Schie­ne

 

Auch hier wer­den wich­ti­ge Punk­te genannt: So soll bei der Geneh­mi­gung von auf­kom­mens­star­ken Indus­trie- und Logis­tik­stand­or­ten die Schie­nen­an­bin­dung ver­bind­lich geprüft wer­den. Umschlag­an­la­gen sol­len bes­ser geför­dert wer­den. Und – das dürf­te zumin­dest in der kon­kre­ten Umset­zung strit­tig sein – die bis­he­ri­gen Ton­na­gen- und Höhen­be­gren­zun­gen von Lkw im Vor- und Nach­lauf sol­len her­auf­ge­setzt wer­den.

6. Elek­tri­fi­zie­rung

 

Es soll ein Son­der­pro­gramm zur wei­te­ren Elek­tri­fi­zie­rung von Stre­cken auf­ge­legt wer­den.

Bewer­tung: Das ist rich­tig. Lei­der aber spie­len Stre­cken­elek­tri­fi­zie­run­gen im Schie­nen­we­ge­aus­bau­ge­setz so gut wie kei­ne Rol­le. Wie das Son­der­pro­gramm umge­setzt wer­den soll, ohne dass die not­wen­di­gen Pro­jek­te im Bedarfs­plan ent­hal­ten sind, bleibt unbe­ant­wor­tet.

7. Tras­sen­prei­se

 

Es sol­len „Spiel­räu­me des EU-Rechts genutzt wer­den“, um die Tras­sen­prei­se für einen begrenz­ten Zeit­raum von fünf Jah­ren „sehr deut­lich zu sen­ken“.

Bewer­tung: Ver­schwie­gen wird, dass es CDU/CSU und SPD waren, die eine Aus­nah­me­re­ge­lung der EU genutzt haben, um die Grund­la­ge für hohe Tras­sen­prei­se zu schaf­fen. Von die­ser Aus­nah­me wird nun wie­der­um eine Aus­nah­me gemacht. Sys­tem­lo­gisch ist dies nicht. Die Sen­kung der Tras­sen­prei­se ist ein längst über­fäl­li­ger Schritt. Die kon­kre­te Umset­zung hin­ge­gen ist frag­wür­dig.

8. Belas­tung durch Abga­ben und Steu­ern

 

Es sol­le, so heißt es in dem 40 sei­ti­gen Papier, „der Abbau der Drei­fach­be­las­tung aus Strom­steu­er, EEG und Emis­si­ons­han­del“ geprüft wer­den. Es wird fest­ge­stellt: „Der Ver­kehrs­trä­ger Schie­ne, der mit wei­tem Abstand den höchs­ten Anteil erneu­er­ba­rer Ener­gien ein­setzt, wird als ein­zi­ger Ver­kehrs­trä­ger unmit­tel­bar und ver­stärkt zur Finan­zie­rung der Ener­gie­wen­de her­an­ge­zo­gen und damit in sei­ner Wett­be­werbs­fä­hig­keit geschwächt.“

Bewer­tung: Dies sind sach­lich rich­ti­ge Fest­stel­lun­gen. Ganz klar wird die Stoß­rich­tung aber nicht. So wird bei­spiels­wei­se an einer Stel­le die „voll­stän­di­ge Befrei­ung von der Strom­steu­er“ gefor­dert, eini­ge Zei­len spä­ter ist nur noch von einer „Redu­zie­rung“ die Rede.

9. Stan­dards bei den Arbeits- und Sozi­al­vor­schrif­ten

 

Es sol­len natio­na­le Vor­schrif­ten im Güter­ver­kehrs­sek­tor har­mo­ni­siert und auf EU-Ebe­ne soll die Ein­hal­tung der Regeln schär­fer kon­trol­liert wer­den.

10.  Aus- und Wei­ter­bil­dung

 

Es wird zu Recht bemän­gelt, dass in der Aus­bil­dung von Fach­kräf­ten kaum mehr Bahn­wis­sen ver­mit­telt wird. Dies gilt auch für Stu­di­en­gän­ge, die im Mas­ter­plan kei­ne Erwäh­nung fin­den.

Gesamt­fa­zit

Wür­de der Mas­ter­plan umge­setzt wer­den, so könn­te damit der Schie­nen­gü­ter­ver­kehr in sei­ner Wett­be­werbs­fä­hig­keit gegen­über dem Stra­ßen­gü­ter­ver­kehr deut­lich gewin­nen. Die an der Erar­bei­tung des Plans betei­lig­ten Unter­neh­men und Ver­bän­de konn­ten sehr wich­ti­ge For­de­run­gen durch­set­zen.

Lei­der haben CDU/CSU und SPD viel­fach das Gegen­teil des­sen betrie­ben. So haben sie die Erhö­hung der Tras­sen­prei­se und die gleich­zei­ti­ge Absen­kung der Lkw-Maut bewirkt. Sie haben die not­wen­di­gen Aus­bau­maß­nah­men für eine leis­tungs­fä­hi­ge Infra­struk­tur auf die lan­ge Bank gescho­ben und es unter­las­sen, die För­der­be­din­gun­gen für Ver­la­de­sta­tio­nen so zu über­ar­bei­ten, dass die im Bun­des­haus­halt ein­ge­stell­ten Mit­tel auch tat­säch­lich abge­ru­fen wer­den.

„Am Abend wer­den die Fau­len flei­ßig“ könn­te die Zusam­men­fas­sung des Mas­ter­plans mit Ver­weis auf das bis­he­ri­ge Nicht­han­deln der gro­ßen Koali­ti­on lau­ten. Die Umset­zung hängt nun von den Akteu­ren des Bahn­sek­tors und der nächs­ten Bun­des­re­gie­rung ab.