Fragen zu Kostensteigerungen bleiben unbeantwortet
Einmal mehr weigert sich die Bundesregierung, parlamentarische Anfragen zu Stuttgart 21 anständig zu beantworten. Sie spricht von „noch laufenden Willensbildungs- und Abstimmungsprozess der Bundesregierung“.
Wir hatten die Bundesregierung mit zahlreichen Fragen zu den Kostensteigerungen und dem Zeitverzug konfrontiert, die seit einigen Wochen offiziell bekannt sind. Auf frühere Anfragen hatte sie auf die ausstehende Aufsichtsratssitzung im Dezember 2017 verwiesen. Das Aufsichtsgremium hatte jedoch keine Festlegungen getroffen. Nun verweist uns die Bundesregierung auf die nächste Aufsichtsratssitzung am 26.01.2018.
Ziemlich frech fallen die Antworten auf Fragen zur Wirtschaftlichkeit und der Kapitalrendite aus. Wir wollten wissen, wie sich die Wirtschaftlichkeit des Projektes im Licht der jüngsten Kostensteigerungen darstellt. Die Bundesregierung antwortete, dass im Jahr 2013 festgestellt worden sei, dass die Fortführung gegenüber einem Projektabbruch wirtschaftlicher gewesen wäre. Ist das der Maßstab für „Wirtschaftlichkeit“? Selbst dann, wenn man heute zum gleichen Ergebnis käme, hieße dies jedoch nicht, dass Stuttgart 21 wirtschaftlich ist.
Des Weiteren wollten wir wissen, ob die Aussage des Kanzlersprechers Seibert aus dem Jahr 2013, wonach es keine weiteren Kostensteigerungen geben dürfte und das Projekt wirtschaftlich sein müsse, auch heute noch gilt. Darauf auszusagen, die damalige Aussage sei auf dem damaligen Kenntnisstand getroffen worden, ist weit an der Fragestellung vorbei geantwortet.
Nun ist es so, dass das Kostengutachten, das auf einen Gesamtwertumfang von 7,6 Milliarden Euro kommt, nun schon ein Weilchen vorliegt. Aber noch immer ist nicht bekannt, welche Anteile der Kostensteigerungen auf welche Planfeststellungsabschnitte entfallen. Interessant zu erfahren ist das beispielsweise für den Flughafenanschluss. Wir wollten nur die Zahlen und nicht deren Bewertung oder mögliche Konsequenzen darauf wissen. Dann aber auf die ausstehenden Beratungen des Aufsichtsrates zu verweisen ist dreist.
Interessant: Die Deutsche Bahn behauptete mehrfach in den vergangen Jahren, Änderungen im Verwaltungsverfahrensrecht („Bürokratie“) und Naturschutzrecht („Naturschutz“) seien verantwortlich für die Kostensteigerungen. Wir haben gefragt, welche Änderungen es im Verwaltungsverfahrensrecht seit dem Baubeginn 2010 gab: Im Verwaltungsverfahrensrecht gab es hierzu keinerlei Gesetzesänderung. Im Naturschutzrecht verweist die Bundesregierung auf eine Rüge der EU-Kommission von 2006, also weit vor Baubeginn und der Volksabstimmung zu S 21 im Jahr 2011. Die Erzählung, die Bürokratie und der Artenschutz seien ursächlich an den Kostensteigerungen seit der Volksabstimmung 2011, werden damit gerade von der Bundesregierung zusammengefaltet.
Fazit:
„Die bisherigen Behauptungen der Bahn, die Kostensteigerungen beim Bau von Stuttgart 21 wären von Gesetzesänderungen oder gar vom Naturschutz verursacht worden, fallen gerade wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Seit dem Baubeginn von Stuttgart 21 und der Volksabstimmung 2011 hat es keinerlei Veränderungen beim Verwaltungsverfahrensrecht und dem Naturschutzrecht gegeben. Vielmehr scheint es so, dass die Bahn bis heute nicht einmal weiß, woher genau die Baukostensteigerungen kommen. Bereits seit dem November letzten Jahres sind die Kostensteigerungen bei S 21 bekannt, doch kann bis heute niemand sagen, in welchen Abschnitten die Kosten gestiegen sind. Es liegt nahe, dass die Bahn als Bauherr selbst den Überblick über das Projekt verloren hat.“