18.08.2018
Drei-Tages-Wanderung entlang Voralb- und Teckbahn
Diesmal hatte ich einen roten Faden für meine Wanderung: Die Verbindung der stillgelegten Voralbahn (Göppingen – Bad Boll) mit der ebenfalls stillgelegten Teckbahn-Nebenstrecke von Weilheim an der Teck nach Kirchheim unter Teck und die Verbindung beider Strecken. Die dafür angedachte Streckenführung bin ich abgewandert. Ich habe aber auch Stationen entlang meines Weges zu anderen Themen eingelegt.
Meine Tour begann im Landratsamt Göppingen. In Begleitung einiger grüner Freunde ließ ich mich über eine kürzlich gemeinsam mit dem Landkreis Esslingen in Auftrag gegebene Studie über die Reaktivierung der beiden Bahnstrecken und die Verknüpfung der beiden informieren.
Dann lief die kleine Gruppe los. Zunächst ging es entlang der Filstalbahn, von der dann auf dem Betriebsgelände der Firma Leonhard Weiss die Voralbbahn (auch „Boller Bahn“ genannt) abzweigt. Wir liefen auf den Schienen, die zwar bewachsen, aber nicht zugewachsen sind. Spannend war der Abschnitt, der per alter Betonbrücke über die Fils führt. Es folgten die Brücken erst über die alte und dann die neue B 10. Nach Holzheim ist das Gleis zu stark zugewachsen, so dass wir Straßen und Wege nutzen mussten. Übrigens ist es eine Gruppe Ehrenamtlicher des Vereins „Ein neuer Zug im Kreis e. V.“, die sich sehr bemüht, zumindest Abschnitte des Gleises vor dem völligen Zuwachsen zu bewahren und sich für die Reaktivierung einsetzt. Zwei der Vorstandsmitglieder sind größere Teile der Strecke mitgewandert.
Nach dem ersten Wandertag legte ich mein müdes Haupt in einem Hotel in Schlat, einige Kilometer abseits der früheren Bahnstrecke, nieder. Am Morgen ging es zunächst weiter nach Eschenbach und Heiningen.
Wie bei all meinen Drei-Tages-Wanderungen habe ich auch diesmal verschiedenste Stationen entlang des Weges eingelegt und mich mit engagierten Menschen aus unterschiedlichen Bereichen getroffen. Einer der Aktiven engagiert sich in der
Bürger-Energiegenossenschaft Voralb-Schurwald eG
Die 312 Mitglieder starke Genossenschaft hat sich die Umsetzung kommunaler, regionaler Energieprojekte mit erneuerbaren Energien zum Ziel gesetzt. Ihr Wirkungskreis erstreckt sich auf die Gemeinden Aichelberg, Bad Boll, Dürnau, Eschenbach, Gammelshausen, Hattenhofen, Heiningen, Schlat, Schlierbach und Zell u. Aichelberg sowie Orte der näheren Umgebung, die alle im Landkreis Göppingen liegen. Inzwischen wurden neun Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden errichtet. Einige der Anlagen haben wir gesehen. Eigentümerin ist jeweils die Genossenschaft, die mit den Gebäudeeigentümern Pachtverträge über 20 Jahre schließt. Der Strom wird an die Nutzer der Gebäude verkauft. Insgesamt wurde eine Leistung von knapp 300 kWp installiert, ausreichend für etwa 100 Durchschnittsfamilien. Die Mitglieder erhalten eine Verzinsung ihrer Einlagen.
Nach Gesprächen in Heiningen führte der Weg entlang der Bahntrasse weiter bis Bad Boll, meinem Etappenziel des zweiten Tages.
In Bad Boll habe ich am zweiten und dritten Tag meiner Wanderung zwei Unternehmen besichtigt.
Biofa Naturfarben
Biofa hat 30 Beschäftigte und ist Hersteller von Mitteln für die Holzbehandlung (Wachse und Öle), ‑reinigung und ‑pflege, Holzlasuren und Lacke für den Außenbereich sowie Naturfarben. Die Produkte sind zunehmend frei von Lösungsmitteln und es werden immer die Inhaltsstoffe angegeben, um Allergikern eine Orientierungshilfe zu geben. Geschäftsführer Hahn kritisierte, dass es keinerlei rechtliche Vorgaben über die Veröffentlichung der Bestandteile von Farben gebe, obwohl diese Ausdünstungen auslösen könnten. Seine Produkte bestehen aus Baumharzen und natürlichen Ölen, die Farbtöne entstehen durch pflanzliche und mineralische Farbpigmente wie Eisenoxide und Gesteine. In Qualität und Preis seien die Produkte vergleichbar mit Konventionelle, es gäbe aber eben keine möglicherweise gefährlichen Ausdünstungen. Beim Firmenrundgang sahen wir viele große Bottiche mit Rührgeräten sowie Tanks voller Rohstoffe.
Am Abend hatte ich ein aufschlussreiches Gespräch mit einer Wirtin. Sie berichtete uns, dass sie erstmals seit vielen Jahren wieder einen Koch-Azubi gefunden habe: Einen Flüchtling, der bereits ein Praktikum gemacht habe. Noch sei aber unklar, ob er eine Arbeitserlaubnis erhalte und derzeit noch gar nicht zu klären sei, ob er seine Ausbildung zu Ende machen bzw. danach bleiben dürfe. Das machte mir einmal mehr die Wichtigkeit eines „Spurwechsels“ – vom Flüchtlingsstatus zur gesteuerten Arbeitsmigration – deutlich.
Am Morgen besuchte ich die
Die Familienkelterei wurde 1941 in Bad Boll gegründet und beschäftigt inzwischen 15 Mitarbeitende. Die Äpfel und Birnen werden von Streuobstwiesen aus einem Umkreis von überwiegend bis zu 30 Kilometern bezogen. Neben Fruchtsäften werden Fruchtmark, Püree, vergorene sortenreine Apfel- und Birnenweine, Most und Obstbrände sowie Liköre hergestellt. Der Vertrieb läuft über den Kelterladen, den Onlineshop und Händler. Seit dem Jahr 1996 wird mit regionalen Biolandbetrieben zusammengearbeitet, so dass ein wachsendes Teilsortiment in Bio-Qualität angeboten werden kann. Ich habe mir die Brennerei und die riesigen Tanks für Apfelsaft und Schaumweine angeschaut. Im Jahr 2016 wurde das Unternehmen, wie mir die Juniorchefin nicht ohne Stolz erzählte, für sein Kirschwasser ausgezeichnet. Wegen der guten Ernte werden in diesem Jahr vier Millionen Liter Apfelsaft in der Presse erwartet. Neu ist die Ursprungsbezeichnung „Wiesenobst“ für Obstsäfte aus baden-württembergischen Streuobstwiesen, auf die große Hoffnungen gesetzt wird. Als schwierig wurde mir die Fachkräfte- bzw. Nachwuchssituation dargestellt. Während die Ausbildungsstelle für die „Fachkraft Fruchtsafttechnik“ besetzt werden konnte, war dies für die Ausbildungsstelle im Einzelhandel nicht möglich.
Mein Weg führte mich nach Weilheim an der Teck und damit von meinem Betreuungs- in meinen eigenen Wahlkreis
hinein. Wir suchten den damaligen Endhaltepunkt der Teckbahn-Nebenstrecke auf, der inzwischen teilweise zugebaut ist. Am damaligen Bahnhofsgebäude ist ein kurzer historischer Abriss der Bahngeschichte zu finden. Sonst deutet, außer einem kaum mehr lesbaren Straßenschild „Bahnhofsstraße“, nichts mehr auf die frühere Existenz der Bahnstrecke hin.
Nach dem Mittagessen mit Andreas Schwarz, dem Fraktionsvorsitzenden im Landtag, führte mich die letzte Etappe nach Kirchheim unter Teck. Außerhalb von Weilheim sind die Gleise überwiegend noch vorzufinden, wenn auch sehr stark zugewachsen und überwiegend nicht mehr begehbar. Links und rechts der Trasse sind meist Rad- und Feldwege oder kleine Straßen vorhanden.
Zuhause angekommen fand ich einen Zeitungsartikel vor, in dem es um die erwähnte Studie der Landkreise Göppingen und Esslingen ging. Die Reaktivierung der Voralbbahn (Göppingen – Bad Boll) und der Teckbahn-Nebenstrecke sowie die Verbindung beider Strecken wird untersucht. Das freut mich!