04.10.2019
Eignung für Mobilität im ländlichen Raum?
Wenige Wochen nach ihrer Zulassung auch in Deutschland haben die elektrischen Tretroller in den Großstädten schnell Verbreitung gefunden. Die einen finden sie cool und praktisch, die anderen gefährlich und nervig. Doch sind die Fahrzeuge auch für die alltägliche Mobilität im ländlichen Raum einsetzbar? Die Wege sind dort häufig weiter und Radwege nicht überall vorhanden. Ich war drei Tage mit E‑Tretrollern unterwegs und machte den Praxistest.
Gestartet bin ich mit einem im Vergleich preiswerten Modell „Urban“[1] der Hamburger Firma Walberg. Ich fuhr damit am ersten Tag 24 Kilometer zu meinen Terminen im eher ländlich strukturierten Teil meines Wahlkreises und wurde dabei von einer Gruppe Radfahrenden begleitet. Von der Geschwindigkeit her harmonierte die gemeinsame Fahrt recht gut. Schwierig wurde es aber mit den unterschiedlichen Verkehrsregeln: Gibt es einen verpflichtenden Radweg (blaues Schild) müssen Radverkehr und E‑Tretroller-Fahrer diesen nutzen. Gibt es keinen solchen wird auf der Fahrbahn gefahren. Ist jedoch ein Gehweg mit dem Zusatzschild „Radfahrer frei“ beschildert ist dieser für die elektrischen Tretroller ebenso tabu wie Gehwege ohne dieses Zusatzschild. So weit ist das nachvollziehbar, handelt es sich bei dem Fahrzeug schließlich um ein Kraftfahrzeug. Schwierig wird es aber außerhalb von Ortschaften, wenn neben einer stark und schnell befahrenen Straße ein Feldweg, jedoch kein ausgeschildeter Radweg verläuft. Dann muss mit dem E‑Tretroller auf der Fahrbahn gefahren werden, während die Radfahrenden (völlig legal) den Feldweg nutzen dürfen. Es gab auch den Fall, dass ein Radweg plötzlich in einen Feldweg überging. Für Radfahrende kein Problem, die können einfach weiterfahren. Für den E‑Tretroller-Fahrenden, der sich an die Regeln hält, bedeutet dies „umkehren“. Mir spontan unklar war die Rechtslage auf einem Weg, der mit dem Verkehrszeichen 260 („Verbot für Kraftfahrzeuge“) und dem Zusatzschild „Mofas frei“ ausgeschildert war. Der E‑Tretroller ist ein Kraftfahrzeug, aber kein Mofa. Touren mit dem E‑Tretroller auf für diesen zulässigen Wegen lassen sich aufgrund der komplizierten Rechtslage nicht vorab online planen. Denn dieses Fahrzeug ist – wie geschildert – weder ein Auto noch ein Fahrrad. Unklar ist die Frage, ob E‑Tretroller und Fahrrad nebeneinander gefahren werden dürfen. Zwei Radfahrenden ist dies grundsätzlich erlaubt, während mit zwei E‑Tretrollern nicht nebeneinander her gefahren werden darf.
Am zweiten Tag stand mir ein höherwertiges und komfortableres Modell des Herstellers „Metz“[2] aus der Nähe von Nürnberg zur Verfügung. Es fuhr sich insbesondere auf unebener Strecke angenehmer. Da mir beim Laden ein Fehler unterlaufen ist, musste ich eine Teilstrecke in Bussen des Nahverkehrs zurücklegen (mit dem Roller wäre ich schneller gewesen). In zusammengeklapptem Zustand dürfen die Roller als Handgepäck mitgenommen werden. Es zeigte sich, dass der größere Komfort, den dieses Rollermodell bietet, bei der Mitnahme im Bus nicht ganz unproblematisch ist: Er passt wegen seiner Länge unter keine Sitzbank und Bremshebel und andere Teile, die etwas abstehen, können immer wieder mal irgendwo hängen bleiben.
Der dritte Tag stellte die mit Abstand größte Herausforderung dar. Es ging nämlich die Neidlinger Steige hinauf auf die Schwäbische Alb. Das bedeutete: 14 Kilometer Strecke bis zum ersten Termin des Tages, an dem eine Steckdose zur Verfügung stand. Ich trat den ersten Teil des Albaufstiegs fleißig mit und drückte den Gashebel nur selten ganz durch, um Strom zu sparen. Oben angekommen, war der Akkustand auf 70 Prozent gefallen. Am Etappenziel zeigte der Akku noch 20 Prozent. Nach 1,5 Stunden Laden war der Stromspeicher bei 70 Prozent. Nun ging es wieder hinunter, der Motor konnte aus bleiben. Die Bremsen bewährten sich aufs Beste. Ich fuhr meist um die 30 Stundenkilometer, zwischendurch auch mal 35. Weiter ging es mit Tempo 20 auf der Ebene. Es war mit insgesamt 22 Kilometer das längste Tourenstück der drei Tage. Einen großen Teil der Strecke musste ich mangels Radwegen (trotz gut ausgebauter Feldwege) auf der Fahrbahn fahren. Die Autos und Lastwagen durften dort 70, teilweise sogar 100 Stundenkilometer schnell fahren. Nicht wenige Male wurde ich mit eindeutig zu geringem Abstand überholt. Solche Streckenabschnitte waren alles andere als angenehm. Ich fühle mich aber nie unsicher.
Zusammenfassung und Fazit:
Nach drei Tagen und 77 Kilometern, die ich mit zwei verschiedenen E‑Tretroller-Modellen in meinem Wahlkreis unterwegs war, bin ich um einige Erfahrungen reicher. Mir ging es um einen Praxistest der Alltagstauglichkeit sowohl der Fahrzeuge an sich als auch der für sie geltenden Verkehrsregeln. Dafür habe ich mir bewusst einen Schwerpunkt im ländlicher strukturierten Teil meines Wahlkreises ausgewählt. Dort sind die Bus- und Bahnangebote nicht sonderlich gut ausgeprägt. Meine Tour führte mich zu verschiedenen Terminen bis hinauf auf die Schwäbische Alb.
Meine Erfahrung: Ich empfand den Roller auch auf längeren Strecken (15–22 Kilometer am Stück) überraschend bequem und das ruhige Fahren ist sehr angenehm. Man kann auf dem Trittbrett der Roller die Füße mal neben- und mal hintereinander positionieren oder nach Belieben auch mal mittreten. Ich hatte die gesamte Fahrt über einen großen und schweren Rucksack auf dem Rücken, was beim Fahren überhaupt nicht störte. Der Akku ermöglichte allerdings nicht immer die erforderliche Reichweite. Als problematisch hat sich erwiesen, dass Feld- und Waldwege nicht genutzt werden dürfen. Dort, wo keine Radwege vorhanden sind, muss der E‑Tretroller, der als Kraftfahrzeug gilt, auf der Fahrbahn gefahren werden – auch wenn dort viele Pkw und Lkw mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind.
Mein Fazit: Der E‑Tretroller kann – neben dem Fahrrad/Pedelec – durchaus auch auf mittleren Distanzen im ländlichen Raum für manche Strecken die ökologisch vorteilhaftere Alternative zum Auto darstellen. Ein besseres Angebot an gut ausgebauten Radwegen, das dringend erforderlich ist, kommt dem Fahrrad ebenso zugute wie dem E‑Tretroller.
[1] 14 Kilogramm leicht, kleine Reifen, Vorderreifen luftgefüllt, Hinterreifen Vollgummi, 125 Kilogramm „Zuladung“ zulässig, Preis knapp 1.000 Euro
[2] 16 Kilogramm „schwer“, größere luftgefüllte Reifen, etwas breiteres Trittbrett (beide Füße finden problemlos nebeneinander Platz), kraftvoller am Berg, Preis rund 2.000 Euro. Lauter als das preiswertere Modell.