Bundesregierung verfehlt eigenes Ziel
Die effizienteste und umweltfreundlichste Art, Züge anzutreiben, ist die mit Strom aus der Oberleitung. Doch gerade hier besteht in Deutschland noch ein erheblicher Handlungsbedarf.
Die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage unserer Fraktion macht einmal mehr deutlich: In Deutschland sind gerade einmal 60,5 Prozent der Streckenkilometer der DB Netz AG elektrifiziert (Stand 2017). Seit 2009 (58,6%) ging in Sachen Oberleitung kaum mehr etwas voran. Strecken, die das Glück hatten, mit einer Oberleitung versehen zu werden, waren häufig S‑Bahn-Strecken. Dies gilt insbesondere für die S‑Bahn Rhein-Neckar (u. a. Meckesheim – Aglasterhausen) und die Münchner S‑Bahn (Dachau – Altomünster). Die oben genannten 60,5 Prozent erhöhen sich leicht durch inzwischen erfolgte Elektrifizierungen wie beispielsweise der Breisgau-S-Bahn. In der baulichen Umsetzung befinden sich die Elektrifizierung der Südbahn zwischen Ulm über Friedrichshafen nach Lindau und der Strecke zwischen Geltendorf und Lindau. Beide Projekte wurden aber erst möglich, nachdem Baden-Württemberg und Bayern die Übernahme erheblicher Kostenanteile zugesagt hatten, obwohl es sich um Schienenwege des Bundes handelt. Der Bedarfsplan, der aus dem „Vordringlichen Bedarf“ des Bundesverkehrswegeplans abgeleitet wurde, sieht die Elektrifizierung auch größerer Strecken vor. Darunter befindet sich die Ausbaustrecke Hof – Marktredwitz – Regensburg – Obertraubling (180 Kilometer) und die Ausbaustrecke München – Mühldorf – Freilassing (145 Kilometer). Das Problem: Es dauert noch lange, bis diese Strecken fertiggestellt werden. Vor 2028 wird kaum eine dieser Strecken elektrifiziert sein. Als nächste wird voraussichtlich die Ausbaustrecke Oldenburg – Wilhelmshaven (52 Kilometer, geplante Inbetriebnahme 2022) fertiggestellt werden. Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 einen Strecken-Elektrifizierungsgrad von 70 Prozent zu erreichen sein, mit großer Wahrscheinlichkeit verfehlt. Sie selber rechnet nur mit einem Elektrifizierungsstand von 67 Prozent, wie sie auf unsere Anfrage antwortete. Für den Klimaschutz ist das langsame Tempo bei der Elektrifizierung fatal – und eine politische Blamage!
Im Jahr 2020 will die Bundesregierung eine Förderkonzeption für die Elektrifizierung regionaler Strecken vorlegen. Darauf drängen wir Grüne seit langem. Auch zu den Planungen für sog. „Strominseln“ können Bundesregierung und Deutsche Bahn derzeit nichts sagen. Dabei geht es um die Teilelektrifizierung von Bahnstrecken, auf denen batterieelektrische Züge während der Fahrt oder während notwendiger Halte (insbesondere an Bahnhöfen) ihre Akkus aufladen können. Die Deutsche Bahn sei, so die Antwort der Bundesregierung, mit Schleswig-Holstein und dem Saarland „in der Abstimmung“.
Ergänzungen zu Baden-Württemberg:
Die 59 Kilometer lange Strecke zwischen Friedrichshafen und Radolfzell wird vermutlich mit Mitteln nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) elektrifiziert werden. Eine Fertigstellung wird jedoch erst nach 2029 erwartet.