Jetzt die richtigen Weichen stellen
Autorenpapier von Sven-Christian Kindler und Matthias Gastel
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG leisten wie die der Privatbahnen in der andauernden Corona-Krise einen sehr wertvollen Beitrag für die Grundversorgung der Bevölkerung. Sie sind Alltagsheldinnen und Alltagshelden, und zwar schon seit Jahren! Gerade in dieser Krise ist es wichtig, dass der Güterverkehr weiter rollt. Auch der Fern- und Regionalverkehr muss, wenn auch eingeschränkt, weiterlaufen, um Mobilität zu ermöglichen. Davon hängt ab, ob die im Schichtdienst arbeitende Ärztin zuverlässig in die Klinik, die Erzieherin in die Kita zur Notbetreuung und die Kassiererin in den Supermarkt gelangen können. Damit die Deutsche Bahn in den nächsten Wochen und auch nach der Krise diesen überaus wertvollen Beitrag weiter leisten kann, ist der Bund als Eigentümer in der Pflicht. Die Deutsche Bahn darf nicht sich selbst überlassen werden.
Der Konzernbericht für das Jahr 2019 zeigt, dass die Deutsche Bahn nicht über die finanzielle Kraft verfügt, um die Folgen der Corona-Krise zu stemmen. Damit verschärfen sich die Investitionsprobleme der Deutschen Bahn. Schon 2019 klaffte beim bundeseigenen Konzern ein mindestens drei Milliarden Euro großes Finanzierungsloch, das nur durch höchst zweifelhafte Hybridanleihen bilanziell geschlossen werden konnte. Weiterhin schiebt der Bund einen Investitionsstau von über 50 Milliarden Euro für eine intakte Schieneninfrastruktur vor sich her. Die überschaubaren Mittel aus dem unambitionierten Klimapaket der Bundesregierung reichen hinten und vorne nicht aus, um den mittelfristigen Investitionsbedarf im Unternehmen zu decken. Mit der Pandemie droht nun ein nachhaltiger finanzieller Schaden, der das Potenzial hat, das bundeseigene Unternehmen über Jahre in eine Krise zu stürzen. Bereits in ihren Gewinnprognosen vor der Coronakrise erwartete die Deutsche Bahn ein düsteres Jahr 2020. Die Coronapandemie droht nun die Schwierigkeiten der letzten Jahre allesamt in den Schatten zu stellen und die DB härter als alle Stürme und Unwetter der letzten Jahre zusammen zu treffen.
Jetzt muss entschlossen gehandelt werden, damit die Deutsche Bahn gut durch diese Krise fahren kann und danach als starkes Unternehmen den Personen- und Güterverkehr in hoher Qualität vorantreiben und gemeinsam mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen zum Rückgrat der Verkehrswende werden kann. Auf Sicht fahren ist der politisch falsche Ansatz. Die Bundesregierung darf nicht warten, bis die Deutsche Bahn durch die Krise gänzlich ins Straucheln gerät.
Unsere Vorschläge für Weichenstellungen:
- Die Verschuldungsobergrenze des Haushaltsausschusses Bundestages schränkt die Deutsche Bahn in der derzeitigen Situation fiskalisch stark ein und führt zu intransparenten und teuren Umgehungstatbeständen wie den milliardenschweren Hybridanleihen und absurden Überlegungen für teilprivatisierte Asset-Gesellschaften bei DB Cargo. Da die Verschuldungsobergrenze erreicht ist, ist es der Deutschen Bahn in der aktuellen Krise nur schwer möglich, sich mit ausreichend Kapital zu versorgen, um die Folgen für den Personen- und Güterverkehr abzufedern. Sie erschwert außerdem notwendige Investitionen in moderne Züge und für ein leistungsfähiges Netz. Der Deutsche Bundestag hat zurecht und mit unserer ausdrücklichen Unterstützung die Schuldenbremse des Bundes aufgrund dieser historischen Krise aufgehoben und es dem Staat somit ermöglicht, dringend benötigte Kredite aufzunehmen, um Beschäftigte und Unternehmen zu unterstützen. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages sollte daher auch die Verschuldungsobergrenze der Deutschen Bahn unter Vorgabe klarer Bedingungen und strenger Kontrollmechanismen ebenso aufheben. Nur so besteht überhaupt eine Chance, als Bundesunternehmen die Krise finanziell zu überstehen und nach dem Abklingen der Pandemie Milliarden in zeitgemäße Züge, in barrierefreie Bahnhöfe, in Lärmschutz und innovative Logistikkonzepte auf der Schiene zu investieren. Klar muss auch sein, dass „frisches Geld“ nicht in intransparenten und ineffizienten Strukturen der DB versickern darf. Bundesregierung und Bundestag müssen dem Staatskonzern auf die Finger gucken und gucken können.
- Das deutsche Bahnwesen am Gemeinwohl ausrichten und die Deutsche Bahn vom Gewinndruck befreien: Das Ziel, hohe Renditen zu erwirtschaften, hat u.a. dazu geführt, dass Strecken und ganze Güterbahnhöfe stillgelegt, Anschlussgleise abgekoppelt und Nachtzüge eingestellt wurden. In der Corona-Krise wird der Zwang zur Gewinnerzielung gänzlich ad absurdum geführt und droht zu weiteren Angebotseinschränkungen für die Kundinnen und Kunden zu führen. Die Deutsche Bahn muss dieses und nächstes Jahr vom Eigentümer Bund von der Vorgabe zur Gewinnerzielung und der Abführung einer Dividende befreit werden.
- Der Bund muss den Bahnsektor attraktiver und wettbewerbsfähiger aufstellen, damit er die Krise übersteht. In der derzeitigen Krise zeigt der Schienenverkehr seine Stärken und seine Resilienz gegenüber Schockereignissen. Dennoch steht der Schienengüterverkehr in einem verzerrten Wettbewerb mit dem Gütertransport via Lkw. Die derzeit noch relativ hohe Auslastung der Güterbahnen droht bei anhaltenden Produktionsstopps in der Industrie stark zurückzugehen und die Wirtschaftlichkeit des Schienengüterverkehrs massiv zu beeinträchtigen. Daher darf der Bund den Schienenverkehr nicht weiter bei der staatlichen Kostenregulation gegenüber dem Verkehrsträger Straße benachteiligen. Die milliardenschweren Dieselsubventionen für Lkw sind eine Wettbewerbsverzerrung, die nach der Krise korrigiert gehören.
- In der Coronakrise können zudem mit dem Schienengüterverkehr im Vergleich zum Lkw sehr viele Güter mit geringem Infektionsrisiko für die daran beteiligten Menschen transportiert werden. Sinnvoll sind daher sehr kurzfristige Anreize für eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Dafür schlagen wir eine staatliche Verlagerungsprämie und ein Aussetzen der Trassenpreise und der Gebühren fürs Verladen auf die Güterbahnen für die Dauer der Coronakrise vor.
Regierung und demokratische Opposition im Deutschen Bundestag müssen jetzt gemeinsam die Deutsche Bahn und die gesamte Bahnbranche durch die Krise führen und zusammen dafür sorgen, dass sie nicht nur übersteht, sondern gestärkt aus ihr hervorgehen kann.