Bauablauf von S 21 führt zu schlechteren Anschlüssen
Etwa ein halbes Jahr vor Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs von Stuttgart 21 soll die „Panoramabahn“ auf Höhe des Nordbahnhofs gekappt werden. Ursprünglich hätten bald darauf die Züge der Gäubahn über den Flughafen an den neuen Hauptbahnhof geführt werden sollen. Doch die Zeitpläne laufen auseinander – und die Fahrgäste haben das Nachsehen.
Die Deutsche Bahn hält eisern daran fest, dass der Tiefbahnhof im Dezember 2025 in Betrieb gehen soll. So unsicher das bei kritischer Betrachtung sein dürfte, so sicher ist, dass nicht der ganze neue Bahnknoten zu diesem Zeitpunkt fertig gebaut sein wird. Probleme macht insbesondere der Planfeststellungsabschnitt 1.3b. Hier geht es um die Führung der Gäubahn (Zürich – Singen – Böblingen – Stuttgart Hauptbahnhof) über den Flughafen. Diese Pläne gelten als extrem kompliziert. Immer wieder ist zu hören, dass die Ingenieure noch keine Lösung gefunden haben. Jetzt wurde wegen der Coronakrise auch noch die Erörterungsveranstaltung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens abgesagt. Einen Fertigstellungstermin für die Baumaßnahmen zur Errichtung der Rohrer Kurve und des Bahnhofs „3. Gleis“ am Flughafen sowie eines Tunnels zur Neubaustrecke an der Autobahn konnte die Deutsche Bahn schon vor der Coronakrise nicht nennen. Hinter vorgehaltener Hand war schon vom Jahr 2030 die Rede. Dies hätte zur Folge, dass die Züge der Gäubahn über fünf Jahre lang nicht an den Hauptbahnhof fahren können. Start- und Endpunkt für diesen Zeitraum wäre dann Stuttgart-Vaihingen. Dort wird bereits an einem neuen Regionalbahnsteig gearbeitet. Fahrgäste der Gäubahn müssen dann in Vaihingen auf die bzw. von der S‑Bahn umsteigen. Der Umstieg bedeutet für die Reisenden einen Komfortverlust. Es kommt aber noch dicker: In sehr vielen Fällen kommt es zu Anschlussverlusten und Reisezeitverlängerungen für diejenigen, die am Hauptbahnhof umsteigen müssen. Konkrete Beispiele: Will ein Fahrgast von Singen um 8.35 Uhr (oder später bspw. in Tuttlingen, Rottweil, Horb oder Böblingen zusteigen) über Stuttgart nach Nürnberg fahren, so kommt er heute[1] um 13.20 Uhr in Nürnberg an. Endet der Zug in Vaihingen und es muss dort in die nächste S‑Bahn umgestiegen werden, so kann der Anschluss um 10.57 Uhr mit größter Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden. Der Fahrgast kommt dann nicht um 13.20 Uhr in Nürnberg an, sondern erst um 14.18 Uhr, also eine Stunde später. Es gibt drastischere Beispiele als diese und auch Anschlüsse, die trotz des Umstiegs in Vaihingen unverändert erreicht werden. Von 16 Anschlüssen verschlechtern sich genau 8. Auf manchen Verbindungen ändert sich nichts. Die acht Anschlüsse, die sich verändern, führen zu verlängerten Reisezeiten im Rahmen von ein bis fast 2,5 Stunden. Ähnlich sieht es für diejenigen aus, die aus Richtung Singen kommend nach München umsteigen wollen. Hier werden sieben von 16 Verbindungen zeitaufwändiger. Meist geht es um 20 bis 35 Minuten. Die letzte Abendverbindung funktioniert überhaupt nicht mehr. Besonders häufig trifft es die Reisenden aus dem Süden, die in Stuttgart nach Mannheim umstiegen wollen. 11 von 16 Verbindungen werden mehr Zeit beanspruchen als heute. Jedoch verlängern sich die Reisezeiten dank der vielen Verbindungen zwischen Stuttgart und Mannheim teilweise nur um wenige Minuten und maximal um rund eine halbe Stunde.
Fazit: Die Unterbrechung der direkten Erreichbarkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs geht massiv zu Lasten der Fahrgäste aus den Räumen Singen, Tuttlingen, Rottweil, Horb und Böblingen. Sie müssen zusätzlich umsteigen und vielfach mit längeren Reisezeiten rechnen. Warum das? Weil es bisher keine politische Einigung darüber gibt, den Bauablauf so anzupassen, dass die Panoramabahnstrecke nahezu unterbrechungsfrei befahrbar bleibt. Daher die Forderung: Bringt endlich die städtebaulichen Ansprüche für die Überbauung des Gleisvorfeldes in Einklang mit dringenden verkehrlichen Erfordernissen! Die Fahrgäste dürfen nicht die Leidtragenden verfehlter Planungen sein.
[1] Den derzeit ausgedünnten „Coronafahrplan“ lassen wir außer Acht und beziehen uns auf den normalen, nicht ausgedünnten Fahrplan