„Wir haben nicht zwei Erden“

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08.01.2021

Gespräch mit Meteorologe Sven Plöger

Gemein­sam mit mei­ner Frak­ti­ons­kol­le­gin Syl­via Kot­ting-Uhl hat­te ich zu einem öffent­li­chen Video­ge­spräch mit dem Meteo­ro­lo­gen Sven Plö­ger, bekannt durch sei­ne Wet­ter­vor­her­sa­gen in Funk und Fern­se­hen, ein­ge­la­den. Es ging um die Ent­wick­lung des Kli­mas und die mensch­li­chen Ein­flüs­se auf die Beschleu­ni­gung die­ser Ver­än­de­run­gen. Das Inter­es­se an der Ver­an­stal­tung war groß.

Grund­la­gen

Zunächst erläu­ter­te Plö­ger den Unter­schied zwi­schen „Wet­ter“ und „Kli­ma“. Kli­ma sei das über einen Zeit­raum von min­des­tens 30 Jah­ren gemit­tel­te Wet­ter an einem Ort. Das Kli­ma, so Plö­ger, ver­än­de­re sich glo­bal in rasan­tem Tem­po, das es so bei Erwär­mun­gen oder Abküh­lun­gen in der Ver­gan­gen­heit nicht gege­ben habe. Mit rein natür­li­chen Pro­zes­sen sei die Geschwin­dig­keit der Ver­än­de­rung nicht erklär­bar. Dar­in sei­en sich 99 Pro­zent der Wis­sen­schaft­ler einig. Der maß­geb­li­che Ein­fluss des Men­schen sei in der Wis­sen­schaft fast aus­nahms­los unstrit­tig. Beim Kli­ma­wan­del gehe es dar­um, die Anpas­sungs­fä­hig­keit von Pflan­zen und Tie­ren nicht über­zu­stra­pa­zie­ren, indem man zu schnel­le Ver­än­de­run­gen zulas­se. Sonst wür­de man den „Kipp­punkt“ errei­chen, an dem das Kli­ma­sys­tem immer unbe­re­chen­ba­rer und gefähr­li­cher wer­de. Dass man die wei­te­re Erwär­mung des Glo­bus nicht ver­hin­dern kön­ne sei klar. Die Gewich­tung zwi­schen Ver­mei­dung und Anpas­sung lie­ge zwi­schen der Ein­sicht, eine wei­te­re Erwär­mung nicht voll­stän­dig ver­hin­dern zu kön­nen und der Ahnung, dass wir aus­schließ­lich auf Anpas­sung zu set­zen nicht bezah­len könn­ten. Dafür ste­he das „1,5 Grad-Ziel“, für das die Mensch­heit noch 10 Jah­re Zeit hät­ten, um die Treib­haus­gas-Emis­sio­nen deut­lich zu redu­zie­ren. Um zu ver­deut­li­chen, was eini­ge Grad Tem­pe­ra­tur­un­ter­schied bedeu­ten, blick­te Plö­ger 11.000 Jah­re zurück auf die letz­te Kalt­zeit. Damals sei es vier Grad käl­ter gewe­sen. Der Nor­den Euro­pas habe unter einer zwei bis drei Kilo­me­ter dicken Eis­schicht gele­gen und auch der Nord­os­ten Deutsch­lands sei von Eis bedeckt gewe­sen. Der Mee­res­spie­gel habe 120 Meter tie­fer gele­gen. Bis zum Ende die­ses Jahr­hun­derts kön­ne das Kli­ma den glei­chen Tem­pe­ra­tur­sprung machen, nur dies­mal nach oben und statt in 11.000 in rund 100 Jah­ren. Seit Beginn der regel­mä­ßi­gen Wet­ter­auf­zeich­nung im Jahr 1881 sei die Tem­pe­ra­tur in Deutsch­land um 1,4 Grad  gestie­gen. 2015 bis 2019 sei­en seit­her die wärms­ten Jah­re gewe­sen. Seit 2018 sei­en 26 der 36 Mona­te zu tro­cken gewe­sen.

Ein­fa­che phy­si­ka­li­sche Effek­te wür­den die Erwär­mung beschleu­ni­gen: Wo bei­spiels­wei­se Eis geschmol­zen sei, kämen dunk­le­re Fle­cken zum Vor­schein, die – anders als das wei­ße Eis – das Son­nen­licht nicht reflek­tie­ren, son­dern sich schnel­ler erwär­men wür­den, wodurch auch das umlie­gen­de Eis schmel­ze.

Die Fak­to­ren

Ein natür­li­cher Treib­haus­gas­ef­fekt sor­ge in gro­ßen Tei­len unse­rer Erde für bewohn­ba­re Tem­pe­ra­tu­ren. Die durch­schnitt­li­che Erd­ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur betra­ge knapp plus 15 Grad. Das men­gen­mä­ßig wich­tigs­te Treib­haus­gas sei Was­ser­dampf, gefolgt von Koh­len­di­oxid (CO 2), das seit der Indus­tria­li­sie­rung um 50 Pro­zent zuge­nom­men habe. Die Treib­haus­ga­se wür­den dar­über ent­schei­den, wie viel Son­nen­strah­lung die Erde erreicht. Wäh­rend wir den beim Was­ser­dampf die atmo­sphä­ri­sche Kon­zen­tra­ti­on gar nicht beein­flus­sen könn­ten, sei Chlor über die Flu­or­chlor­koh­len­was­ser­stof­fe (FCKW) allei­ne durch uns Men­schen in die Atmo­sphä­re gelangt. Die Treib­haus­ga­se wirk­ten unter­schied­lich stark, kämen aber auch in unter­schied­li­chen Men­gen vor. So sei­en Methan und FCKW deut­lich kli­ma­wirk­sa­mer als CO 2, aber die rie­si­gen durch uns Men­schen erzeug­ten Men­gen wür­den das CO 2 zu zwei Drit­teln für den mensch­lich ver­ur­sach­ten Anteil an der Kli­ma­er­wär­mung ver­ant­wort­lich machen.

Aus­wir­kun­gen der Erd­er­wär­mung

Je nach Sze­na­rio (auf­bau­en auf unter­schied­li­che Kon­zen­tra­ti­ons­pfa­den der Treib­haus­ga­se) kön­ne es bis zum Ende des Jahr­hun­derts glo­bal um durch­schnitt­lich  1 bis fünf Grad wär­mer wer­den, so Plö­ger. Der Mee­res­spie­gel wer­de dann um 26 bis 82 Zen­ti­me­ter anstei­gen. Wäh­rend es in der Sahel­zo­ne und im Mit­tel­meer­raum immer tro­cke­ner wür­de und in eini­gen Regio­nen die Anbau­flä­chen für Lebens­mit­tel deut­lich schrump­fen wür­den, wür­den in Deutsch­land Som­mer­nie­der­schlä­ge ab- und Win­ter­nie­der­schlä­ge zuneh­men. Beson­ders stark sei­en die Wäl­der, und hier wie­der­um vor allem die Regen­wäl­der, betrof­fen. Dort wer­de der Was­ser­kreis­lauf gestört und die Wäl­der könn­ten all­mäh­lich ver­trock­nen. Bei den Stür­men gebe es ver­schie­de­ne For­men. Bei Sturm­bö­en im Zusam­men­hang Som­mer­ge­wit­tern kön­ne man sicher eine Zunah­me abse­hen.

Umgang mit Behaup­tun­gen der Kli­ma­for­schung­s­i­gno­ran­ten

Auf eini­ge der immer wie­der keh­ren­den Behaup­tun­gen der­je­ni­gen, die die Ergeb­nis­se der Kli­ma­for­schung „in den Wind schla­gen“, wur­de oben bereits ein­ge­gan­gen. Ins­be­son­de­re, und dar­auf müs­se immer wie­der hin­ge­wie­sen wer­den, gehe es um das bis­her nicht bestan­de­ne Tem­po, mit dem sich das Kli­ma ver­än­de­re, seit die Men­schen in gro­ßen Men­gen fos­si­le Ener­gie­trä­ger ver­feu­ern. Der Mensch, so Plö­ger, sei der beschleu­ni­gen­de Fak­tor. Eine ande­re Behaup­tung eini­ger Igno­ran­ten lau­tet, die Son­ne habe ihre Akti­vi­tä­ten ver­stärkt. Dem wider­spricht Plö­ger. Zwar unter­lä­gen die Akti­vi­tä­ten der Son­ne Schwan­kun­gen. Um den aktu­el­len Tem­pe­ra­tur­an­stieg jedoch ener­ge­tisch zu erklä­ren, sei­en rund drei Watt pro Qua­drat­me­ter erfor­der­lich. Das kön­ne die Son­ne, deren Akti­vi­tä­ten seit den 1980er-Jah­ren zurück­gin­gen, nicht leis­ten. „0,04 Pro­zent CO 2 in der Atmo­sphä­re“ kön­nen kei­nen Kli­ma­wan­del ver­ur­sa­chen“, ist eben­falls immer wie­der zu hören. Plö­ger weist dar­auf hin, dass es nicht allei­ne auf die Men­ge, son­dern auf die Wir­kung ankom­me. Das „Ozon­loch“ sei von FCKW aus­ge­löst wor­den, das in rund einer hal­ben Mil­li­on Mal gerin­ge­ren Men­gen vor­han­den gewe­sen sei.

Die Hand­lungs­fel­der

Deutsch­land sei beim Aus­stoß von CO2 welt­weit auf Platz 2 (Anteil 2 Pro­zent aller CO 2‑Emissionen). Jedes Land kön­ne für sich pro­kla­mie­ren, kei­ne domi­nie­ren­de Rol­le zu spie­len und damit ein Nicht­han­deln begrün­den. Pro Kopf lie­ge Deutsch­land vor den Chi­ne­sen. In Deutsch­land wer­de vor allem „eine gute Kli­mar­he­to­rik“ betrie­ben, so Plö­ger. Er setz­te sich aber auch mit den Schwie­rig­kei­ten aus­ein­an­der, vor denen eine gute Kli­ma­po­li­tik ste­hen wür­de: „Ver­än­de­run­gen sind immer mit der Angst der Men­schen, dass das eige­ne Leben schlech­ter wer­den könn­te, ver­bun­den.“ Als kon­kre­te Hand­lungs­fel­der haben wir die Berei­che Landwirtschaft/Ernährung („Wir kochen bil­li­ges Essen in teu­ren Küchen“) und Ver­kehr ange­spro­chen. Auch die Bedeu­tung der Moo­re als „CO 2‑Senken“ wur­de von ihm erläu­tert.

Im inter­na­tio­na­len Kli­ma­schutz setzt er auf den neu­en US-Prä­si­den­ten, aber auch auf Deutsch­land als Zug­pferd: „Wir haben nicht zwei Erden!“

Hin­weis: Die­ser Text ent­stand aus Infor­ma­tio­nen aus dem Buch „Zieht euch warm an, es wird heiß“ von Sven Plö­ger und aus Mit­schrie­ben aus der Ver­an­stal­tung.