Brief an Bundesverkehrsminister und DB-Chef
Sehr geehrter Herr Minister Scheuer,
sehr geehrter Herr Dr. Lutz,
die Bahnstrecke zwischen Tübingen und Stuttgart zählt zu den am stärksten belasteten Strecken. Die hohe Nachfrage nach Verkehrsleistungen auf dieser Bahnstrecke ist einerseits sehr erfreulich. Die Verkehrsangebote wie auch die Fahrgastzahlen sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. So stieg die Zahl der Verkehrshalte im Regionalverkehr in Tübingen seit dem Jahr 2013 von 177 auf 324 Züge pro Tag an. Es zeigen sich zugleich aber auch immer mehr die Grenzen der Kapazität. Dies schlägt sich bei der Zuverlässigkeit der Züge nieder. Uns als Abgeordnete mit Wahlkreisen entlang der Strecke erreichen seit Jahren – unabhängig vom jeweiligen Verkehrsunternehmen im Regionalverkehr – entsprechend viele Beschwerden von Fahrgästen. Zu den infrastrukturellen Mängeln kommt hinzu, dass wegen der begrenzten Kapazität im zukünftigen Tiefbahnhof in Stuttgart dort keine Züge mehr beginnen und enden können. Die sich daraus ergebenden Durchbindungen von Regionalzügen sorgen zwar für mehr umsteigefreie Verbindungen, sind aber zugleich auch verspätungsanfälliger.
In einer gemeinsamen Veranstaltung mit Fachleuten aus der Angebotsplanung, der betrieblichen Praxis und der Infrastruktur haben wir einige infrastrukturellen Handlungsbedarfe herausgearbeitet. Diese stellen wir Ihnen hier vor:
Auf dem 13,4 Kilometer langen Abschnitt zwischen Tübingen und Reutlingen gibt es keine Überleitstellen. So ist bei Störungen, beispielsweise liegen gebliebenen Zügen, die betriebliche notwendige Flexiblität stark eingeschränkt. Eine Überleitmöglichkeit etwa auf Höhe Wannweil/Kirchentellinsfurt würde für eine Entspannung sorgen. Wir können angesichts dieser bestehenden Einschränkungen nicht nachvollziehen, dass die Bundesregierung hier „keinen verkehrlichen oder betrieblichen Bedarf“ sieht, wie sie in ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage (Bundestags-Drs. 19/22040) geschrieben hatte. Die Schieneninfrastruktur darf nicht nur auf pünktliche Züge ausgelegt sein, sondern muss auch bei Störungen funktionsfähig sein.
Auf dem fast 14 Kilometer langen Abschnitt zwischen Metzingen und Nürtingen gibt es nur ein Blocksignal, das sich in etwa in der Streckenmitte befindet. Dies führt zu langen Blockabschnitten und schränkt dadurch die Kapazität der Strecke ein. Im Falle einer Signalstörung muss im bis zum nächsten Signal, im Extremfall bis zu sieben Kilometer, auf Sicht gefahren werden, tagsüber mit maximal 40 Stundenkilometer, nachts mit nur 15 Stundenkilometer. Wir bitten, dass der Einbau von zwei weiteren Blocksignalen geplant wird.
Die maximal fahrbare Streckengeschwindigkeit zwischen Tübingen und Stuttgart wechselt zwischen 110 und 120 Stundenkilometer, an bestimmten Stellen wie rund um die Bahnhöfe in Metzingen, Nürtingen und Esslingen bricht sie teils deutlich ein. Die Trassierung sollte mehr erlauben, wenn die Kurvenüberhöhung angepasst wird, wodurch die Fahrstabilität bei höheren Geschwindigkeiten gesichert wird. Höhere Geschwindigkeiten sollten teilweise für Reisezeitreduzierungen und teilweise für eine höhere Fahrplanstabilität genutzt werden. Die eingesetzten Fahrzeuge sind auf Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 160 Stundenkilometer ausgelegt. Wir bitten zu prüfen, wie die fahrbare Streckengeschwindigkeit auf möglichst vielen Abschnitten erhöht werden kann.
Ein besonderes Problem stellt der Bahnknoten Plochingen dar. Er ist geprägt durch
langsame Ein- und Ausfahrten. Diese liegen im Regelfall bei 60, teilweise auch nur bei 40 Stundenkilometer. Dies hat mit den Weichen und niveaugleichen Gleisquerungen zu tun. So kann beispielsweise nicht gleichzeitig ein Zug aus Tübingen kommend ein- und ein Zug in Richtung Ulm ausfahren. Wir bitten den Einbau schneller befahrbarer Weichen zu planen und den Bau von Überwerfungsbauwerken zu prüfen.
Im Interesse der Fahrgäste und der aus Klimaschutzgründen erforderlichen Verkehrsverlagerungen auf die Schiene sehen wir dringende Handlungsbedarfe.
Daher bitten wir, notwendige infrastrukturelle Anpassungen nicht hinaus zu zögern, sondern zügig in Angriff zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Gastel MdB (Wahlkreis Nürtingen)
Beate Müller-Gemmeke (Wahlkreis Reutlingen)
Chris Kühn (Wahlkreis Tübingen)