08.04.2021
Erkrankte werden jünger – Mehr schwere Verläufe
In den Tagen vor und nach den Osterfeiertagen habe ich mich bei Kliniken und Pflegeheimen nach der aktuellen Corona-Lage und der Situation der Kranken- und Altenpflege informiert. Das Impfen und die Schnelltests zeigen offenbar Wirkung. Grundlegende Probleme in der Pflege bleiben jedoch.
Haben wir das Schlimmste bereits hinter oder noch vor uns? In allen Gesprächen, die ich mit Klinik- und Heimleitungen[1] sowie pflegerischem Personal geführt habe, klang Optimismus durch. Doch die Corona-Lage stellt sich regional sehr unterschiedlich dar. „Wir rennen sehenden Auges ins Verderben“, so die Prognose der Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin.[2] „Die Inzidenzzahlen fallen derzeit. Mit etwas Optimismus haben wir einen Trend“, so sagte mir ein Klinikchef aus der Region.
Die Zahlen
Die Medius-Kreiskliniken Esslingen verzeichnen seit drei Wochen Schwankungen, aber keinen Anstieg. Kurz vor Ostern wurden 33 Corona-Patient*innen behandelt, davon 10 auf der Intensivstation (davon wiederum wurden sieben beatmet). Vor einem Jahr waren es, ebenfalls verteilt auf die Häuser, in Spitzenzeiten knapp 100. Bei den Alb-Fils-Kliniken im Landkreis Göppingen waren es, ebenfalls vor Ostern, 40 Patient*innen mit Corona, von denen sieben auf Intensivpflege, vier davon mit Beatmung, angewiesen waren. Vor Weihnachten seien es doppelt so viele gewesen. Die Filderklinik versorgt aktuell drei COVID-Patienten auf der Intensivstation, die alle beatmet werden, plus fünf im Isolierbereich auf Normalstation. Vor einem Monat waren es noch eine Person auf Intensiv und vier auf Normalstation – plus einige Verdachtsfälle. Die Situation sei beherrschbar, ist von den befragten Kliniken in der Region zu hören.
Die Auslastung der Kliniken lag bei rund 90 Prozent.
Die Sieben-Tage-Inzident im Landkreis Esslingen liegt heute bei 115,7 (Vortag 104,5). Inwiefern dieser deutliche Anstieg mit „Nachmeldungen“ aus dem Osterwochenende zusammen hängen, werden wir in einigen Tagen wissen.
Impfen und Schnelltests
„Tests und Impfen zahlen sich aus“ war mehrfach zu hören. Welcher genaue Prozentsatz des eigenen Personals in Kliniken und Heimen geimpft ist, weiß niemand genau. Die Schätzungen reichen von 50 über „deutlich über 50 Prozent“ bis hin zu 90 Prozent. Ein kleinerer Teil des Personals steht dem Impfen skeptisch gegenüber. Aus einer Einrichtung wurde mir berichtet, vor allem Pflegekräfte aus Osteuropa seien skeptisch. Einige würden wohl auf „Sputnik“ als dem Impfstoff ihres eigenen Vertrauens warten wollen.
In der Altenhilfe seien 75 bis 95 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner geimpft – nahezu alle, die dies gewollt hätten.
Nebenwirkungen durch das Impfen seien weder beim Personal noch bei den alten Menschen in den Heimen ein (größeres) Problem gewesen.
Das eigene Personal wird zumeist zweimal pro Woche, teilweise auch häufiger, getestet. Die Tests seien auch bei mutierten Viren nicht weniger zuverlässig. Patient*innen in den Kliniken würden einmal wöchentlich getestet.
Entwicklungen unter den Erkrankten
Die Kliniken berichten von deutlich gesunkenen Durchschnittsaltern unter den stationär behandelten Corona-Patient*innen. Dieser sei von 70 bis 80 auf jetzt rund 50 Jahre gesunken, so eine der Kliniken. Eine andere berichtete von einem auf 40 bis Mitte 50 Jahre abgesunkenen Altersschwerpunkt. Die dritte Klinik beobachtet ebenfalls einen gesunkenen Altersdurchschnitt, der jedoch nicht so stark gefallen sei. Man behandle aktuell Menschen zwischen 21 und 84 Jahren, so eine der Kliniken.
Die Behandlungsmöglichkeiten hätten sich gegenüber dem letzten Jahr deutlich verbessert. Auffällig ist die länger gewordene Verweildauer in den Kliniken, da die Krankheitsverläufe schwerer seien, aber nicht mehr so häufig zum Tod führen. Auch in jüngster Zeit sei es zu Verlegungen in andere Kliniken gekommen, da einzelne Personen sehr schwer erkrankt und auf spezielle Behandlung angewiesen gewesen seien.
Bei jeder zehnten zuvor stationär behandelten Person müsse von Langzeitfolgen ausgegangen werden. Dann drücke sich dies häufig in Atemnot aus. Es gebe 40-Jährige, die wegen Corona seit einem Jahr krankgeschrieben seien.
Besuchsregelungen
Überall sind negative Schnelltests die Voraussetzung, um in die Gebäude zu gelangen. Gemeinschaftsräume in den Altenheimen seien für Besuche nach wie vor gesperrt.
Fachkräfte in der Pflege
Gleichgültig, ob Altenhilfe oder Kliniken, alle klagten über den Fachkräftemangel. Man lebe „von der Hand in den Mund“. Aus der Altenhilfe wurde beklagt, dass gute Leute in die besser bezahlten Krankenhäuser abwandern würden. Aber auch dort wurde der Nachwuchsmangel beklagt. Die Belastungen des Personals seien durch Corona deutlich gestiegen (schwere Pflegefälle, verschärfte Hygieneauflagen, Angst vor eigener Ansteckung). „Unsere Leute sind ermüdet“, war auch zu hören.
[1] Gespräche mit Medius-Kreiskliniken Esslingen, Alb-Fils-Kliniken des Landkreises Göppingen, Filderklinik, Samariterstiftung (Trägerin zahlreicher Altenpflegeheime) und Infos zum Impfen vom Wohn- und Pflegezentrum St. Vinzenz in Filderstadt
[2] Quelle: StZ vom 01.04.2021