Aktuelle Lageeinschätzung zum Ukraine-Krieg

01.12.2022

Öffentliches Gespräch über Auswege aus dem Krieg

Putins bru­ta­ler Angriffs­krieg hat bereits zu vie­le Opfer gefor­dert. Mil­lio­nen von Men­schen sind geflüch­tet, haben ihre Liebs­ten und ihre Hei­mat ver­las­sen. Zahl­rei­che ukrai­ni­sche Städ­te, Ver­kehrs­we­ge und Infra­struk­tu­ren sind zer­stört. Vie­le rus­si­sche Kriegs­ver­bra­chen wur­den doku­men­tiert. Es gibt einen Man­gel an sau­be­rem Was­ser und immer häu­fi­ger fällt die Ener­gie­ver­sor­gung aus.

Die weit gehen­den Fol­gen des Bruchs mit der euro­päi­schen Frie­dens­ord­nung sind noch nicht voll­stän­dig abseh­bar: Der Wie­der­auf­bau der Ukrai­ne ist eine immense Auf­ga­be, vor der ganz Euro­pa gemein­sam steht. Nicht weni­ge Nach­bar­staa­ten Russ­lands fürch­ten um ihre Sicher­heit ange­sichts Putins Aggres­sio­nen und die Aus­wei­tung der NATO und die zukünf­ti­ge Rol­le die Ukrai­ne in der EU wer­den poli­tisch dis­ku­tiert. Die Ener­gie­kri­se, die unsi­che­re Ver­sor­gungs­la­ge mit Getrei­de, die Infla­ti­on sowie wirt­schaft­li­che Unwäg­bar­kei­ten beschäf­ti­gen die Men­schen in wei­ten Tei­len der Welt. Im Rah­men einer öffent­li­chen Video­kon­fe­renz zusam­men mit mei­ner Frak­ti­ons­kol­le­gin Jami­la Schä­fer befass­ten wir uns mit den aktu­el­len Ent­wick­lun­gen des Ukrai­ne­krie­ges. Jami­la Schä­fer ist grü­ne Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te und befasst sich seit Jah­ren mit Außen- und Euro­pa­po­li­tik und den The­men Flucht und Migra­ti­on. Sie ist Mit­glied im Aus­wär­ti­gen Aus­schuss sowie im Unter­aus­schuss Ver­ein­ten Natio­nen, inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen und zivi­le Kri­sen­prä­ven­ti­on des Bun­des­ta­ges.

Zu Beginn berich­te­te Jami­la Schä­fer von ihrer Arbeit etwa im Aus­wär­ti­gen Aus­schuss, wel­cher sich aktu­ell viel mit dem Ukrai­ne­krieg befasst. Sie sprach von eini­gen posi­ti­ven Ent­wick­lun­gen. So habe aktu­ell oft die Ukrai­ne mili­tä­risch die Vor­hand, konn­te eini­ge besetz­te Gebie­te aus rus­si­scher Beset­zung zurück­ge­win­nen und Kriegs­ver­bre­chen der rus­si­schen Armee been­den. Dadurch sei es durch­aus rea­lis­tisch, dass die Ukrai­ne den Krieg mili­tä­risch gewin­nen kön­ne. Aller­dings mach­te sie auch deut­lich, dass die rus­si­sche Kriegs­füh­rung äußerst bru­tal ist und eine hohe Anzahl an zivi­len Opfern in Kauf nimmt und bereits genom­men hat.

Ein wich­ti­ges Zei­chen der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft sei die im Rah­men des G20-Gip­fels erneut durch vie­le Län­der sehr deut­lich ver­ur­teil­ten rus­si­schen Aggres­sio­nen. Dies zei­ge, dass Russ­land mitt­ler­wei­le ziem­lich allei­ne daste­he. Wei­ters berich­te­te Jami­la Schä­fer, dass die Unter­stüt­zung auf ver­schie­dens­te Arten aus euro­päi­schen Län­dern der Ukrai­ne eine gro­ße Hil­fe sei. Auch Deutsch­land hat über den Haus­halts­aus­schuss erst kürz­lich erneut zwei Mil­li­ar­den Euro für die Ukrai­ne bereit­ge­stellt.

Anschlie­ßend an den Bericht von Jami­la Schä­fer folg­ten meh­re­re Fra­gen von Teil­neh­men­den sowie eine Dis­kus­si­ons­run­de. Ich woll­te etwa Jami­las Schä­fers Ein­schät­zun­gen zu den Spal­tungs­ten­den­zen in Russ­land wis­sen. Im Regime sel­ber habe Putin noch rela­tiv gro­ßen Rück­halt, so Jami­la Schä­fer, es gebe sogar Ten­den­zen von rechts, denen die Bestre­bun­gen Putins nicht weit genug gehen. Aus der Bevöl­ke­rung gebe es aber zuneh­mend kri­ti­sche­re Stim­men. Aller­dings habe die Zivil­ge­sell­schaft in Russ­land in den letz­ten Jah­ren aber schon deut­lich gelit­ten und Pro­tes­te aus der Bevöl­ke­rung sei­en recht schnell unter­bun­den wor­den.

Die gro­ße Schwä­chung Putins gin­ge im Moment unter ande­rem von den  Men­schen aus, die vor sei­ner Mobil­ma­chung flie­hen. Die­sen müs­se Asyl gewährt wer­den, so Schä­fer. Für die Ein­glie­de­rung sei­en auch ver­schie­de­ne Sti­pen­di­en­pro­gram­me wich­tig, die es in Deutsch­land gebe.

In wei­te­rer Fol­ge des Gesprächs ging es noch um rea­lis­ti­sche Aus­bli­cke im Hin­blick auf Frie­dens­ver­hand­lun­gen sowie die Fra­ge, war­um nicht mehr Waf­fen­lie­fe­run­gen aus Deutsch­land erfol­gen. Auch wur­de die Auf­nah­me wei­te­rer Län­der in die NATO dis­ku­tiert sowie die tür­ki­schen Ein­flüs­se dar­auf. Der Druck auf Putin, so mei­ne Kol­le­gin, wach­se, sich auf ernst­haf­te Ver­hand­lun­gen ein­zu­las­sen. Die Ukrai­ne habe bereits Gebiets­ab­tre­tun­gen ange­bo­ten, um ein Zei­chen für den ernst­haf­ten Wil­len für den Frie­den zu set­zen. Für Putin wür­den die Risi­ken einer Ver­wei­ge­rung zuneh­mend höher als die, die mit Ver­hand­lun­gen ver­bun­den sind.

Ins­ge­samt ein span­nen­der Abend, ver­bun­den mit der Hoff­nung auf ein bal­di­ges Ende die­ses schreck­li­chen Krie­ges. Vie­len Dank an Jami­la für ihren fun­dier­ten Ein­blick in ihre Arbeit sowie allen Teil­neh­men­den für ihr Inter­es­se.

Die­ser Text ent­stand unter Mit­wir­kung eines Prak­ti­kan­ten.