14.01.2022, ergänzt am 22.02.2022
Vorrang für Flugzeuge
Die neue Ampelkoalition setzt beim Pkw klar auf batterieelektrische Antriebe. Hatte die FDP in der Vergangenheit strombasierte Kraftstoffe auch für Autos gefordert und auf „Technologieoffenheit“ gesetzt, ist die Position nun viel klarer.
Die Herstellung von alternativen Kraftstoffen mittels Elektrolyse erfordert wegen sehr hoher Umwandlungsverluste[1] riesige Mengen an Strom. Dieser Strom muss, soll das Klima geschützt werden, natürlich Ökostrom sein. Wegen der geringen Effizienz und auch der daraus resultierenden hohen Kosten (reine Herstellungskosten aktuell 10 Euro pro Liter, perspektivisch bis zu 4,50 Euro[2]) haben wir Grüne schon lange die Position vertreten, dass E‑Fuels den Bereichen vorbehalten sein müssen, die sich nicht direkt elektrifizieren lassen. Die Bahn fährt am effizientesten mit Oberleitung und das Auto mit der Batterie. Für Flugzeuge und Schiffe stellt beides kaum eine Option dar, weshalb hier auf strombasierte Kraftstoffe gesetzt werden muss. Die Wissenschaft ist sich hier sehr einig und auch die Automobilindustrie setzt inzwischen weitgehend konsequent auf batterieelektrische Antriebe, statt auf Alternativkraftstoffe und eine Zukunft des Verbrennungsmotors zu spekulieren.[3] Selbst aus dem Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) war zuletzt kaum mehr eine Verteidigung des Verbrennungsmotors zu vernehmen: „Der Fokus im Pkw-Bereich liegt klar auf der E‑Mobilität“. (Tagesspiegel Background v. 14.01.2022) Die Zurückhaltung der Autohersteller kann auch damit zu tun haben, dass sie keine Garantie für den Fall übernehmen wollen, wenn es durch den Einsatz von E‑Fuels zu unerwarteten Schäden am Motor kommen sollte. Zwar sind die Kraftstoffeigenschaften von E‑Fuels sehr ähnlich zu konventionellen Kraftstoffen, sie können jedoch einer anderen DIN-Kraftstoffkategorie angehören. Man erinnere sich an die unsägliche Diskussion die E10-Kraftstoffe mit Biokraftstoff-Beimischung. Auch damals wollten die Autobauer nicht garantieren, dass die Kraftstoffe problemlos getankt werden können.
Ich war in mehreren Forschungseinrichtungen und sprach dort mit Forschenden, die alle dieselbe Position vertraten: Wir brauchen E‑Fuels (und grünen Wasserstoff), nicht aber für Pkw, da hier die batterieelektrischen Antriebe am sinnvollsten sind. Nachfolgend eine Auswahl aus den Beiträgen, die ich über die Gespräche für meine Homepage verfasst habe:
Zentrum für Solar- und Wasserstoffforschung in Stuttgart:
https://www.matthias-gastel.de/was-die-wissenschaft-zu-wasserstoff-und-e-fuels-sagt/
Zentrum für Solar- und Wasserstoffforschung in Ulm:
https://www.matthias-gastel.de/entwicklung-von-akku-und-brennstoffzelle/
Fraunhofer/Bosch:
https://www.matthias-gastel.de/voran-mit-wasserstoff-in-salzgitter/
Fachgespräch mit verschiedenen Expertisen:
https://www.matthias-gastel.de/was-alternative-kraftstoffe-noch-nicht-koennen/
Das von der Bundesregierung initiierte “PtX Lab Lausitz”, das an der Markteinführung von strombasierten Kraftstoffen arbeitet, lehnt den Einsatz in Pkw ebenfalls ab und zielt auf den Luft- und Seeverkehr ab. Die Elektrifizierung der Pkw sei “100-prozentig sinnvoller”. Zur Begründung rechnet er vor: Für 10 Millionen Autos bräuchte es mit Batterieantrieb 20 bis 25 Terrawattstunden (TWh) Strom, für Brennstoffzellen-Pkw 72 bis 90 TWh und für Verbrenner mit PtL (Power to Liquid) sogar 118 bis 150 TWh. (Quelle: Tagesspiegel Background v. 21.01.2022)
In der neuen Ampelkoalition wird inzwischen sehr konsequent auf batterielektrische Antriebe beim Pkw gesetzt. Im Koalitionsvertrag wurde das Ziel benannt, bis zum Jahr 2030 mindestens 15 Millionen E‑Autos in Deutschland zugelassen haben zu wollen. Damit wären bei den Neuzulassungen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor verdrängt. Bundesverkehrsminister Wissing hat inzwischen klargestellt, was für uns Grüne schon zuvor klar war: Gemeint sind vollelektrische Pkw und ausdrücklich keine Hybridfahrzeuge.
Weshalb auf batterieelektrische Fahrzeuge gesetzt wird, hat er wie folgt erklärt:
„Wir müssen die verschiedenen Energieträger dort einsetzen, wo sie am effizientesten sind. Das ist beim Pkw der E‑Antrieb. Wir werden E‑Fuels vor allem für den Flugverkehr brauchen. Auf absehbare Zeit werden wir aber nicht genug E‑Fuels haben, um die jetzt zugelassenen Pkw mit Verbrennungsmotor damit zu betreiben.“[4]
Auch E‑Fuels lösen das Problem der Luftschadstoffe nicht
Zwar sind E‑Fuels, wenn ausschließlich Ökostrom zum Einsatz kam, klimaneutral. Damit sind aber längst nicht alle Probleme des Verbrennungsmotors gelöst. Hinzu kommt neben dessen geringer Energieeffizienz das Problem mit den gesundheitsschädlichen Luftschadstoffen.
Nils Aldag vom Energieunternehmen Sunfire GmbH, das synthetische Kraftstoffe produziert, sagte am 03.07.2019 im Interview mit der Stuttgarter Zeitung, dass auch bei der Verbrennung von E‑Fuels Stickoxide entstehen würden. Für den Stadtverkehr sei daher tatsächlich das Batteriefahrzeug am besten geeignet. Die aktuellen Kosten von E‑Fuels lägen unter der Voraussetzung, dass der Strom sehr günstig ist, um über das dreifache über denen von fossilem Diesel. Perspektivisch lägen die Kosten um 30 bis 100 Prozent darüber.
Ein Praxistest mit E‑Fuels erbrachte ernüchternde Ergebnisse: Es wurden gleich viele giftige Stickstoffoxide ausgestoßen wie mit fissilem Kraftstoff. Stickoxide sind die Ursache für einige Fahrverbote in Innenstädten. Bei der Verbrennung von synthetischem Benzin entstand außerdem im Vergleich zu normalem Benzin fast dreimal so viel des ebenfalls gesundheitsschädlichen Kohlenmonoxids. Die Ammoniak-Emissionen lagen doppelt so hoch. Lediglich bei den Partikelemissionen brachten die E‑Fuels Vorteile.[5]
Im Luftverkehr und der Schifffahrt relativieren sich die gerade beschriebenen Nachteile des E‑Fuels, da die Luftschadstoffe an ihren Entstehungsorten meist nicht auf menschliche Lungen einwirken und sich über die Distanzen schnell verdünnen.
Auch wenn der Minister am Tag nach seinen Aussagen contra E‑Fuels für den Pkw etwas relativierend klang, als er die Probleme mit den vielen Bestands-Pkw ansprach, besteht nun offenbar weitgehend Klarheit für die Antriebswende, eine der beiden Säulen der Verkehrswende.
Übrigens handelt es sich keineswegs um einen kompletten Positionswechsel in der Bundesregierung. Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde ausgesagt: „Prinzipiell macht die bis spätestens zum Jahr 2050 notwendige weitgehende Treibhausgasneutralität des Verkehrs es notwendig, stromerzeugte Kraftstoffe im gasförmigen bzw. flüssigen Zustand auf Basis erneuerbaren Stromes herzustellen und diese dort einzusetzen, wo eine Elektrifizierung technisch kaum möglich ist.“ Quelle: Bundestags-Drucksache 19/8742
Daran hat sich einzig das Datum geändert, ab dem Deutschland weitgehend klimaneutral sein will: Nämlich bereits 2045.
[1] „Durch die bei der Herstellung des strombasierten Flüssigkraftstoffs einhergehenden Umwandlungsverlusten ergibt sich heute bei der Produktion ein Wirkungsgrad von etwa 44 Prozent. Zusätzliche Verluste ergeben sich bei der Verbrennung, sodass der Gesamtwirkungsgrad bei der Verwendung von strombasierten Flüssigkraftstoffen in einem Pkw mit Verbrennungsmotor etwa 13 Prozent beträgt. Das bedeutet, dass 13 Prozent der eingesetzten elektrischen Energie in die Bewegung des Fahrzeugs umgesetzt werden.“ Quelle: BT-Drs. 19/8742 (letzte Legislatur)
[2] Ohne Transportkosten, Gewinnaufschläge der Hersteller und des Handels sowie Steuern/Abgaben. Angaben der „alten“ Bundesregierung. Zitat: „Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Kosten von strombasierten Flüssigkraftstoffen derzeit bis zu 4,5 Euro pro Liter Dieseläquivalent betragen. (…) Derzeitig und in den nächsten Jahren wird ein wirtschaftlicher Betrieb noch nicht möglich sein.“
[3] Porsche betreibt zwar ein E‑Fuel-Programm, betont aber, dass dieses ausschließlich auf Bestandsfahrzeuge abzielt und das Unternehmen klar auf batterieelektrische Antriebe und den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor setzt. Das Unternehmen verweist darauf, dass seine Fahrzeuge länger genutzt werden als die anderer Marken und es deswegen eine Lösung für Altfahrzeuge brauche. Das Unternehmen verweist aber auch darauf, dass seine Kundschaft weniger sensibel für die Preise von E‑Fuels wäre. Quellen: Verschiedene Medienberichte und persönliche Gespräche mit Vertretern von Porsche.
[4] Interview im Tagesspiegel v. 13.01.2022; ähnlich in der Bundestagsdebatte am gleichen Tag
[5] Quelle: https://www.auto-motor-und-sport.de/tech-zukunft/alternative-antriebe/abgastest-t-u-e-efuels-emittieren-so-viel-nox-fossiles-benzin-weniger-partikel-mehr-co/