„Der Umgang ist ruppiger geworden“
“Aus dem Alltag eines Polizisten” war der Titel einer Veranstaltung, zu der ich nach Weilheim unter Teck eingeladen hatte. Es ging um die Attraktivität des Polizeidienstes, um den gesellschaftlichen Respekt den Polizistinnen und Polizisten gegenüber, um den Einsatz beim G20-Gipfel in Hamburg sowie die personelle und sachliche Ausstattung der Polizei.
Zunächst habe ich aus der Arbeit der Bundestagsfraktion und von unseren sicherheitspolitischen Vorstellungen berichtet: Wir müssen sehen, dass offene und demokratische Gesellschaften wie die unsere immer verwundbar sein werden. Sicherheit und Freiheit werden immer wieder aufs Neue miteinander abgewogen werden müssen. Aktionismus ohne Nutzen für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger lehnen wir ab. Wir kritisieren, dass alleine zwischen den Jahren 2009 und 2015 über 1.000 Stellen bei der Bundespolizei abgebaut wurden und fordern, dies rückgängig zu machen. Die Polizei wollen wir personell und sachlich gut ausstatten. Die Terrorismusbekämpfung wollen wir verbessern, indem Defizite bei der Identitätsfeststellung von Einreisenden behoben werden und in der EU der automatische Datenabtausch besser organisiert wird. Wir Grüne wollen aber auch die Prävention gegen menschenverachtende Ideologien verbessern, wozu eine gute Bildung in Kitas und Schulen, die Erhöhung der Demokratie- und Medienkompetenz sowie die Stärkung von Beratungsstellen zählen.
Mein Gesprächspartner war Frank-Ulrich Seeman, Polizist und am Ende seiner Polizeilaufbahn Kriminalhauptkommissar. Seine eigene Laufbahn, die ihn von der Ausbildung und der Schutzpolizei über die Ausbildung bei der Kripo zum Studium an der Polizeihochschule führte, bezeichnete er selber als „nicht ganz typisch“. Dafür hat er reichlich Erfahrungen sammeln können: Im Großstadtrevier genauso wie auf dem Land, bei der Bekämpfung der Drogen- wie auch der Rockerkriminalität und vieles mehr. Der Polizeidienst biete eben eine „große Vielfalt an Möglichkeiten“.
Aus 40 Jahren Diensterfahrung könne er feststellen, dass der Umgang insbesondere bestimmter großstädtischer Milieus gegenüber den Polizistinnen und Polizisten ruppiger geworden ist („Manche meinen, ihnen gehört die Welt“). Auf meine Frage, wie es beim Großeinsatz beim G 20-Gipfel in Hamburg zu derart heftigen Ausschreitungen mit vielen Verletzten auf beiden Seiten kommen konnte, antwortete Seemann, dass es trotz einer langen Vorbereitungszeit zu vielen polizeilichen Fehleinschätzungen und womöglich auch nicht hilfreichen politischen Einflussnahmen gekommen sei. Immer wieder komme es vor, dass die Politik von der Polizei erwarte, dass die Staatsgäste möglichst nichts von den Protesten mitbekommen. Umso größer wird der Aufwand, die Veranstaltung abzusichern. Der Gipfel hätte aber auch nie in Hamburg stattfinde dürfen, warf ein im Publikum anwesender Polizist ein. Denn zu den gewaltbereiten Demonstranten aus der Hansestadt könnte problemlos zusätzlich eine große Anzahl weiterer Gewaltbereiter anreisen. Die Ausstattung der Polizei (zumindest in Baden-Württemberg) ist aus Seemanns Sicht gut, manchmal sogar überzogen. Woran es hapere seien ein guter Digitalfunkt und Helfer für die Bewältigung des bürokratischen Aufwandes wie Diktiergeräte. Hierzu wäre es auch gut, wenn es das Berufsbild eines „Polizeifachangestellten“ für die Erledigung von Schreibarbeiten gebe, so dass die Polizei mehr Präsenz „draußen“ zeigen könne. Genauso, wie die Aufnahme von Frauen in den Polizeidienst gut gewesen sei, genauso bringe auch die zunehmende Aufnahme von Menschen mit Migrationshintergrund bei der Polizei Vorteile. Sie könnten sich besser in Menschen aus anderen Kulturkreisen hineindenken und sich häufig besser mit ihnen verständigen.
Was „PolizeiGrün“, der Verband in dem Frank-Ulrich Seemann Mitglied ist, genau ist, wollte ich zum Ende der Veranstaltung noch erfahren. Antwort: Ein kleiner e. V. von grünen und grünnahen Polizeiangehörigen, die sich über ihre Vorstellungen von Polizeiarbeit austauschen. Zu den Aufgaben zählten die Beratung der Fraktionen und politischen Entscheidungsträger in polizeispezifischen Fragen sowie die Mitwirkung bei der Ausgestaltung einer noch moderneren und bürgerfreundlicheren Polizei.
Fazit: Das Publikum und ich bekamen sachkundige Antworten und Erzählungen aus 40 Jahren Polizeiarbeit gebote. Dass aus dem Publikum der Wunsch kam, dieses neue Einblicke ermöglichende Veranstaltungsformat an einem anderen Ort zu wiederholen, freut mich besonders.