Symbolbild: Der Bau der Gesamtumfahrung Aufhausen, Bopfingen, Trochtelfingen, Pflaumloch, Nördlingen hätte erhebliche Umweltauswirkungen. Das räumt auch das Bundesverkehrsministerium ein – und möchte dieses Projekt dennoch in den “Vordringlichen Bedarf” des Bundesverkehrswegeplans einstufen.
PRESSEMITTEILUNG
19.07.2016
B 29 neu: Bundeverkehrsministerium räumt dünne Datenbasis ein – Gastel (MdB, Grüne) kritisiert intransparente Planung und fehlende Alternativenprüfung
In Kürze will der Bundesverkehrsminister den Bundesverkehrswegeplan vom Bundeskabinett verabschieden lassen. Wie aus einem zweiten, bisher nicht veröffentlichten Referentenentwurf des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) hervorgeht, bleibt die großen Umgehungstraße B 29 zwischen Röttingen im Ostalbkreis und dem bayrischen Nördlingen unverändert im Vordringlichen Bedarf eingestuft. Somit wird das Projekt aller Voraussicht nach mit der höchsten Priorität im neuen Bundesverkehrswegeplan enthalten sein. Begründet wird dies seitens des Bundesverkehrsministeriums u. a. mit einer Erhöhung der Verkehrssicherheit und der Beseitigung von Engpässen.
Der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (Bündnis 90/Die Grünen) aus dem Wahlkreis Nürtingen, der dem Bundestags-Verkehrsausschuss angehört, hatte erneut eine Kleine Anfrage zu dem Thema an die Bundesregierung gerichtet. Wie das Bundesverkehrsministerium in der Antwort einräumt, wurde die Verkehrssicherheit nur pauschal und ohne Kenntnis der örtlichen Situation bewertet. Die Daten der Polizei, die das Unfallgeschehen entlang des bisherigen Straßenverlaufes als „weitgehend unauffällig“ beschreiben, werden somit ignoriert und künstlich ein abstrakter Nutzen für das Projekt unterstellt. Ebenfalls eingeräumt wird, dass durch den Bau der großen Umfahrung mehr Verkehr auf die B 29 gelenkt und dieser dann negative Auswirkungen auf die nachfolgenden Orte haben kann, welche bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden.
Ein zentraler Kritikpunkt ist darüber hinaus, dass die Projektbewertung seitens des Verkehrsministeriums lediglich auf einer – von vielen Seiten beanstandeten – Machbarkeitsstudie des Ostalbkreises beruht, anstatt eine eigene ordentliche Untersuchung vorzunehmen. An verschiedenen Stellen der Projektbewertung wird allgemein auf die Machbarkeitsstudie verwiesen. Diese wurde aber vom Bundesverkehrsministerium nicht für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Gastel hält dieses Vorgehen für intransparent und bemängelt, dass eine vorgesehene kritische Überprüfung des Projektes insbesondere auch durch die betroffenen Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des rechtlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens unverhältnismäßig erschwert wurde.
Für große Verwunderung sorgt die nicht durchgeführte Bewertung der vom Bundesland Baden-Württemberg angemeldeten kleinen Lösung mit einzelnen Ortsumfahrungen bei Trochtelfingen und Pflaumloch. Stattdessen wurde nur die vom Bundesministerium offenbar selbst favorisierte und vom Land Baden-Württemberg auch auf Nachfrage seitens des Bundesverkehrsministeriums nicht nachträglich zur Prüfung angemeldete große Umgehungsstraße berücksichtigt: „Gegenstand der Projektbewertung und ‑beurteilung war die gemeinsame Umfahrung von Aufhausen, Bopfingen, Trochtelfingen und Pflaumloch“, heißt es ohne weitere Begründung in der Antwort des BMVI auf die Kleine Anfrage. „Dieses Verhalten zeigt wieder einmal mehr, dass es bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans nicht um passgenaue Verkehrslösungen vor Ort geht, sondern dass die Dobrindt-Behörde sich den Plan so zurechtbaut, wie sie bzw. einflussreiche Lokalfürsten ihn gerne hätten“, äußert sich der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (Bündnis 90/Die Grünen) verärgert. „Außerdem wird der gesamte Prozess mit den Projektanmeldungen der Länder und der Versuch einer sachlichen, objektiven Bewertung der Vorschläge inklusive der Alternativenabwägung ad absurdum geführt, wenn das Bundesministerium nach Gutsherrenart und entgegen den eigenen Regeln entscheidet, was überhaupt bewertet wird.“, so Gastel weiter.
Darüber hinaus würde die Gesamtumfahrung würde ein streng geschütztes EU-Naturschutzgebiet (Flora-Fauna-Habitat-Gebiet) innerhalb eines ausgedehnten Waldes erheblich beeinträchtigen, ein Überschwemmungs- sowie ein Wasserschutzgebiet durchfahren und bisher unzerschnittene Räume durchschneiden. Die daraus resultierende und mit der höchsten Stufe (hoch) bewertete Umweltauswirkung hat „keine unmittelbare Auswirkung auf die Einstufung des Projektes“, wie Matthias Gastel aus der Antwort zu seiner Anfrage zitiert. Somit finden zentrale Aspekte wie die Zerschneidung und Verbrauch von Natur, Fläche und Landschaft keine Berücksichtigung bei der Entscheidung für das Projekt. Auf Grund der hohen Umweltauswirkungen schlägt das Umweltbundesamt vor, die große Umgehungsstraße zwischen Röttingen und Nördlingen vollständig aus dem Bundesverkehrswegeplan zu streichen. Diese Auffassung vertritt auch Matthias Gastel: „Der Bund muss die große Lösung beerdigen und stattdessen die Alternativen, die geringere Nebenwirkungen aufweisen, prüfen.“