09.08.2018
Anstieg bei Böschungsbränden
Böschungsbrände treten seit der Pionierzeit der Eisenbahn entlang ihres Streckennetzes auf. Der Einsatz von Dampflokomotiven verlangte in Deutschland bis in die zweite Hälfte der 1970er-Jahre (Deutsche Bundesbahn) bzw. 1980er-Jahre (Deutsche Reichsbahn) besondere Vorkehrungen, um Böschungsbrände durch Funkenflug möglichst zu verhindern bzw. ihre Ausbreitung zu begrenzen. Dazu wurden in besonders sensiblen Streckenabschnitten, wie beispielsweise in Wald- und Heidegebieten, Brandschutzstreifen beiderseits der Gleise angelegt, die fortwährend gepflegt, also von Vegetation freigehalten werden mussten.
Mit dem fortschreitenden Traktionswechsel, also der Umstellung auf Diesel- und E‑Traktion, war eine häufige Brandursache praktisch entfallen. Trotzdem bleiben Böschungsbrände auch nach der Ausmusterung der Dampflokomotive ein Ereignis, das zu teils erhebliche Betriebsstörungen oder sogar wie im Falle Siegburg zu weitreichenden Sachschäden führen kann. Ursache bzw. Auslöser von Böschungsbränden können technische Defekte an Fahrzeugen sein, also „feste Bremsen“ an Güterwagen oder heiß gelaufene Radsatzlager. Häufig liegen die Ursachen nicht im eigentlichen Bahnbetrieb. Glasscherben im Randbereich von Eisenbahnstrecken und die achtlos weggeworfene Zigarette können gerade bei lang anhaltenden Hitzeperioden verbunden mit einer extremen Trockenheit, wie wir sie gerade 2018 erleben, ausreichen, um einen Flächenbrand auf Bahndämmen und Böschungen auszulösen. Durch das Rauchverbot und die weitgehende Klimatisierung in Zügen (Fenster können nicht mehr geöffnet werden) scheidet die „Zigarette“ bahnseitig als Auslöser für Brände im Bahnbereich weitgehend aus.
Fördernd für die Ausbreitung von Böschungsbränden wirkt sich der strukturelle Wandel des Eisenbahnbetriebs in Deutschland aus. Da entlang von Strecken immer weniger Betriebspersonal auf Bahnhöfen und Stellwerken benötigt wird, sind längere Streckenabschnitte auch nicht mehr dauernd unter Beobachtung, so dass Brände erst später durch Triebfahrzeugführer oder Dritte entdeckt und gemeldet werden.
Die Deutsche Bahn muss sich angesichts des laufenden Klimawandels darauf einstellen, dass durch längere Hitzewellen und Trockenperioden die Neigung zu Böschungsbränden zunimmt.
Günstig wirkt sich die laufende Umrüstung der Güterwagenflotte auf die Verbundstoffbremssohle (LL-Sohle) bzw. die neuwagenseitige Ausrüstung mit der K‑Sohle aus, da gegenüber der Graugussbremssohle die Bremssohlen (Funkenschlagen der Bremsbeläge) seltener als Auslöser für Böschungsbrände in Frage kommen.
Auch die übrige Vegetationskontrolle (einschließlich Baumfällungen) kann insofern präventiv wirken, dass Böschungsbrände nicht auf angrenzende Wälder oder auch Siedlungen überschlagen. Allerdings können bei massiven Eingriffen über die „Rückschnittzone“ hinaus (6 Meter ab Gleismitte) naturschutzfachliche Konflikte auftreten.
Eine Anfrage von mir an die Bundesregierung machte das Dilemma und die besondere Situation des Jahres 2018 besonders deutlich: In den Jahren zwischen 2014 (ältere Zahlen gibt es lt. Bundesregierung nicht) und 2017 gab es je rund 400 Böschungsbrände, die zu Beeinträchtigungen im Zugverkehr führten. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2018 waren es aber bereits 468 Böschungsbrände. Ursachen sind nach Auskunft der Bundesregierung technische Defekte an Zügen wie Funkenschlag beim Bremsen, weggeworfene brennende Zigaretten sowie Abfälle wie Glasscherben, die als Brennglas wirken.
Meine politische Bewertung:
Die massive Zunahme der Böschungsbrände zeigt die Herausforderungen, die sich für komplexe Infrastrukturen wie dem Schienennetz unter den Bedingungen des Klimawandels ergeben. Es ist in gewisser Weise tragisch, dass das klimafreundliche Verkehrsmittel Bahn durch die Auswirkungen des Klimawandels besonders betroffen ist. Häufigere Stürme lassen Bäume auf Gleise stürzen, zunehmende Dürreperioden führen zu Böschungsbränden. Beides führt häufig zu empfindlichen Betriebsstörungen. Die DB ist durch den Klimawandel herausgefordert, ihre Infrastruktur möglichst so zu rüsten, dass sie auch unter widrigen Umständen möglichst betriebsbereit bleibt. Zur Klimaanpassungsstrategie gehört zwangsläufig auch der Rückschnitt von Bäumen und Sträuchern entlang von Eisenbahnstrecken. Die Herbststürme 2017 und die lang anhaltende Trockenperiode 2018 verdeutlichen die zentrale Bedeutung der so genannten Vegetationskontrolle für einen sicheren und verlässlichen Bahnbetrieb. Die Betriebssicherheit und Gefahrenabwehr hat in diesem Zusammenhang immer Vorrang.