„Batterieelektrischer Antrieb hat das Rennen gemacht“

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19.03.2021

Gespräch mit dem „Auto-Professor“ Stefan Reindl

Es ist schon seit vie­len Jah­ren klar, dass es in der Auto­mo­bil­wirt­schaft kein “wei­ter so” mehr geben wird und darf. Der Druck von außen und innen wächst und der Ver­än­de­rungs­pro­zess kommt in Bewe­gung. In wel­che Rich­tung wird sich die Auto­mo­bi­li­tät ent­wi­ckeln? Was bedeu­tet das für die deut­sche Auto­in­dus­trie und ihre Zulie­fe­rer? Dar­über sprach ich mit dem „Auto­mo­bil-Pro­fes­sor“ Ste­fan Reindl vom Insti­tut für Auto­mo­bil­wirt­schaft (IfA) in Nürtingen/Geislingen

Pro­fes­sor Reindl ist Stu­di­en­de­kan für die auto­mo­bil- und mobi­li­täts­wirt­schaft­li­chen Bache­lor- und Mas­ter­pro­gram­me an der Hoch­schu­le für Wirt­schaft und Umwelt und Direk­tor des IfA. Er ist er unter ande­rem im Rah­men von Bera­tungs- und Bei­rats­man­da­ten für Unter­neh­men der Auto­mo­bil- und Mobi­li­täts­bran­che tätig. So gehört er auch dem „Stra­te­gie­dia­log Auto­mo­bil­wirt­schaft“ des Lan­des an, mit dem das Land fit gemacht wer­den soll, um mit neu­en Tech­no­lo­gien ein welt­weit füh­ren­der Auto­mo­bil- und Mobi­li­täts­stand­ort zu blei­ben bzw. zu wer­den.

Der Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess in Deutsch­land ist längt in Gang gekom­men. Bis­wei­len sind Auto­mo­bil­her­stel­ler schon wei­ter als Tei­le der Poli­tik. Eine klei­ne Über­sicht über Mel­dun­gen der letz­ten Tage:

Volks­wa­gen

Der Volks­wa­gen-Kon­zern hat im Coro­na-Jahr 2020 einen Gewinn von 10,6 Mil­li­ar­den Euro erwirt­schaf­tet. Er setzt erkenn­bar kon­se­quent auf bat­te­rie­elek­tri­sche Fahr­zeu­ge. In West­eu­ro­pa liegt der Anteil elek­tri­fi­zier­ter Fahr­zeu­ge inzwi­schen bei über 10 Pro­zent. Im lau­fen­den Jahr sol­len davon eine Mil­lio­nen Exem­pla­re ver­kauft wer­den. „Die Elek­tro­mo­bi­li­tät hat das Ren­nen gemacht“, sag­te VW-Chef Her­bert Diess. Er ver­weist auch dar­auf, dass im Kon­zern eine neue Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit für die Soft­ware ent­ste­hen soll, die mit 10.000 Beschäf­tig­ten „nach SAP das zweit­größ­te Soft­ware­un­ter­neh­men in Euro­pa“ wer­den sol­le.[1]

BMW

Zum Jah­res­en­de will das Unter­neh­men fünf voll­elek­tri­sche Autos auf der Stra­ße haben. 2023 sei­en es 13 voll­elek­tri­sche Model­le. Damit wol­le man Tes­la kon­tern, war zu hören. Auf der Jah­res­pres­se­kon­fe­renz wur­de das Ziel aus­ge­ge­ben, dass im Jahr 2030 jedes zwei­te ver­kauf­te Auto voll­elek­trisch ange­trie­ben sein sol­le. Den Mini sol­le es spä­tes­tens ab 2030 nur noch ohne Ver­bren­nungs­mo­tor geben. Die Münch­ner legen aber, so der Vor­stands­chef, wei­ter größ­ten Wert auf Tech­no­lo­gie­of­fen­heit. Es sei unrea­lis­tisch, dass sich in jedem Land zum sel­ben Zeit­punkt die­sel­ben Tech­no­lo­gien durch­set­zen wür­den. Damit ver­folgt BMW eine ande­re Stra­te­gie als VW – oder auch Daim­ler, der frü­he­re Brenn­stoff­zel­len-Plä­ne für sei­ne Pkw auf­ge­ge­ben hat­te.[2]

Sicht eines Wis­sen­schaft­lers

Pro­fes­sor Reindl gab in der Ver­an­stal­tung, an der Mit­glie­der der bei­den grü­nen Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaf­ten „Mobi­li­tät“ sowie „Wirt­schaft, Finan­zen und Sozia­les“ betei­ligt waren, zunächst einen kur­zen Über­blick über die wirt­schaft­li­che Lage der Auto­mo­bil­her­stel­ler: Nach durch Coro­na beding­ten Ein­brü­chen im ers­ten Halb­jahr 2020 sei der Absatz vor allem auf den Märk­ten in Chi­na und den USA wie­der gestie­gen. Damit sei die Export­ab­hän­gig­keit der deut­schen Auto­mo­bil­in­dus­trie, der es „rela­tiv gut“ gehe, gewach­sen. Die deut­sche Auto­mo­bil­in­dus­trie kön­ne mit Nach­fra­ge­schwan­kun­gen bes­ser umge­hen als die Her­stel­ler ande­rer euro­päi­scher Län­der, was auch an der Kurz­ar­bei­ter-Rege­lung lie­ge. Bei den Zulie­fe­rern sei die Lage stark davon abhän­gig, wie hoch der Anteil der Pro­duk­te mit dem Ver­bren­nungs­mo­tor zusam­men­hän­ge. Es sei hier mit mehr Zu- und Auf­käu­fen bzw. Über­nah­men zu rech­nen. Die deut­schen Her­stel­ler wür­den den Weg zum bat­te­rie­elek­tri­schen Auto inzwi­schen kon­se­quent gehen. Der bat­te­rie­elek­tri­sche Antrieb habe bei Pkw und Vans tat­säch­lich das Ren­nen gemacht. Man kön­ne sich dies­be­züg­lich nicht den gro­ßen Märk­ten ver­wei­gern, die dar­auf set­zen wür­den. Den Begriff der „Tech­no­lo­gie­of­fen­heit“ kön­ne er nicht mehr hören, dies habe bereits sehr viel Zeit ohne kon­kre­te Fest­le­gun­gen gekos­tet. Her­stel­ler aus ande­ren Län­dern sei­en wei­ter als die in Deutsch­land, sie sei­en aber nicht unein­hol­bar. Der aktu­el­le Druck habe gezeigt, dass deut­sche Auto­bau­er schnel­ler umsteu­ern könn­ten als man­che gedacht hät­ten. In den nächs­ten zwei bis drei Jah­ren wer­de es bei den Bat­te­rien deut­li­che Fort­schrit­te und dadurch grö­ße­re Reich­wei­ten geben. 500 bis 600 Kilo­me­ter Reich­wei­te sei­en erfor­der­lich. Her­stel­ler und Zulie­fe­rer wür­den kei­ne Kraft mehr auf die Wei­ter­ent­wick­lung der Ver­bren­nungs­tech­no­lo­gie mehr ver­schwen­den. Man kön­ne jeden Euro für die Ent­wick­lung eben nur ein­mal aus­ge­ben und müs­se den Weg der E‑Mobilität kon­se­quent gehen. Die Her­stel­ler wür­den dabei auch nicht ins­ge­heim auf die Ret­tung des Ver­bren­nungs­mo­tors durch E‑Fuels set­zen, da die­se Dis­kus­si­on über­wie­gend hier­zu­lan­de statt­fän­de und der Inlands­markt nicht groß genug sei, um dafür an der Ver­bren­nungs­tech­no­lo­gie fest­zu­hal­ten. Außer­dem sei­en E‑Fuels abseh­bar nicht ver­füg­bar. Daher wer­de sich der Trend zu E‑Antrieben noch beschleu­ni­gen. In der Hybrid-Tech­no­lo­gie sieht Prof. Reindl nur für weni­ge Jah­re einen Sinn, bis die Bat­te­rien eine aus­rei­chen­de Reich­wei­te böten. Er sel­ber sei ein Anhän­ger der Posi­ti­on, man sol­le der Auto­mo­bil­in­dus­trie ein kla­res Aus­stiegs­da­tum für neue Ver­bren­ner-Fahr­zeu­ge vor­ge­ben. Das gebe sowohl der Indus­trie als auch deren Kun­den Sicher­heit.

Aus­wir­kun­gen eines Ver­bren­ner-Aus­stiegs

Die Trans­for­ma­ti­on habe erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf den Arbeits­markt, so Prof. Reindl. Die käme aber nicht allei­ne, denn zugleich sei auch noch kein Ende der Auto­ma­ti­sie­rung abseh­bar, mit der immer weni­ger mensch­li­che Arbeit für die Pro­duk­ti­on des Mas­sen­guts Auto erfor­der­lich sei. Beson­ders betrof­fen sei­en auch Tank­stel­len, die kei­ne Zukunft hät­ten. Denn E‑Autos wür­den anders­wo gela­den wer­den. Hin­ge­gen wür­den Dienst­leis­tun­gen rund ums Auto und die Mobi­li­tät zuneh­men und mehr Arbeits­plät­ze bie­ten als heu­te.

Abschlie­ßend beton­te Prof. Reindl noch­mals, wir könn­ten unse­re Auto­mo­bil­wirt­schaft nur ret­ten, wenn wir vor­ne in der Ent­wick­lung dabei blei­ben wür­den. Sonst kön­ne auch anders­wo auf der Welt ent­wi­ckelt und pro­du­ziert wer­den.

[1] TSP Back­ground v. 17.03.2021

[2] Stutt­gar­ter Zei­tung vom 18.03.2021; TSP Back­ground vom 18.03.2021; HBL vom 18.03.2021