Koordinierung erscheint verbesserungsbedürftig
In den letzten Jahren mussten die Nutzer der Gäubahn viel über sich ergehen lassen. Streckensperrungen, Fahrplanänderungen und Schienenersatzverkehre in Folge von Bauarbeiten standen praktisch auf der Tagesordnung. Um herauszuarbeiten, warum dies der Fall ist und ob Mängel, etwa bei der Koordinierung der Baumaßnahmen begangen wurden, habe ich untersucht, wann, wo welche Arbeiten in den letzten Jahren stattfanden.
Dabei habe ich mich für den Zeitraum 2016 bis 2021 für die detaillierte Betrachtung entschieden. Beachtung finden in dieser Aufstellung nur Baumaßnahmen. Andere Beeinträchtigungen, etwa durch Unfälle (Entgleisungen im Bahnhof Horb) oder technische Defekte an Fahrzeugen und damit verbundene Sperrungen sind nicht mit eingeflossen.
In den sechs betrachteten Jahren fanden zwischen Stuttgart und Schaffhausen, bzw. Stuttgart und Konstanz 16 größere Baumaßnahmen statt. Insgesamt war die Strecke an knapp 400 Tagen¹ nicht vollständig ohne Beeinträchtigung zu befahren, weil an einem oder mehreren Streckenabschnitt Bauarbeiten stattfanden. Das entspricht 18% des gesamten Untersuchungszeitraums. Insgesamt konnten durch Streckensperrungen seit 2016 rund 32.000 Zugfahrten² nicht wie geplant stattfinden, fielen in Teilen oder vollständig aus oder wurden durch SEV ersetzt.
Bei der Betrachtung, wo gebaut wurde, stechen vor allem zwei Abschnitte ins Auge (siehe Abbildung 1). Einmal der Abschnitt Böblingen – Horb mit vier sperrungsinduzierenden Maßnahmen und einer gesamten Sperrzeit von 95 Tagen und zum anderen der Streckenabschnitt zwischen Tuttlingen und Singen, der in den vergangenen Jahren ebenfalls viermal für insgesamt 121 Tage gesperrt war.
Dabei stellt sich vor allem auf diesen Abschnitten, aber auch für die Gesamtstrecke, die Frage, ob sich Maßnahmen nicht besser bündeln lassen, um Sperrzeiten kürzer zu halten und die Beeinträchtigung für die Nutzer des Umweltfreundlichen Verkehrsmittels Bahn möglichst gering zu halten. Zumal die Deutsche Bahn auch immer wieder für ihre, zum Teil lang andauernden, Baumaßnahmen wirbt, indem sie von „integrierte[r] Bündelung“ (Bauinformationsflyer DB), etwa bei der 26 Tage andauernden Totalsperrung zwischen Bondorf und Horb im Mai und Juni 2018. Nun zeigt sich allerdings, dass im Sommer 2021, drei Jahre später, erneut langwierige Sperrungen für den Abschnitt Böblingen-Horb anstehen.
Auch zwischen Tuttlingen und Singen wird der Begriff „integrierte Bündelung“ (Bauinformationsflyer DB) verwendet, um über eine 13-tägige Sperrung im Herbst 2018 zu informieren. Derselbe Streckenabschnitt war jedoch schonmal, im Jahr 2012 für insgesamt 40 Tage, gesperrt. Damals sprach man von einer „Bündelung einer Vielzahl von Bauarbeiten“ (DB). Bereits ein Jahr nach der „integrierten Bündelung“ im Jahr 2018, kam es erneut zu Bauarbeiten und Sperrungen zwischen Tuttlingen und Singen. Diesmal wurde aufgrund von Gleisarbeiten die Strecke insgesamt 70 Tage dichtgemacht. Die „Maßnahme [sei] eskaliert“ schreibt die DB dazu in ihrem Baukorridorsteckbrief. Im Frühjahr 2021 ist es wieder der Abschnitt zwischen Tuttlingen und Singen, der, diesmal für 32 Tage aufgrund von Bahnübergangsarbeiten, beeinträchtigt ist.
Beide Beispiele zeigen, dass man kaum von „Maßnahmenbündelung“ sprechen kann. Bau- und Sanierungsbedarf von Schieneninfrastruktur zeichnet sich in der Regel frühzeitig ab zumal Bahnanlagen eine vergleichsweise hohe Lebensdauer haben. Sanierungsarbeiten sind sicherlich notwendig und Streckensperrungen dabei leider oftmals unvermeidbar, allerdings sollte ein gutes Baustellenmanagement in der Lage sein absehbare Arbeiten zu bündeln und Beeinträchtigungen damit möglichst zu minimieren. Der Deutschen Bahn ist dies auf der Gäubahn in den vergangenen Jahren nicht gelungen.
Hinzu kommt noch, dass so gut wie alle aufgeführten Projekte ausschließlich unbedingt notwendige Sanierungen im Bestand waren, die so gut wie keine Verbesserungen für Kapazität, Fahrzeit oder Fahrgastkomfort gebracht haben. Hier zeigt sich wieder einmal der Sanierungsstau, den die DB vor sich herschiebt.
Auch für die nächsten Jahre müssen sich die Gäubahnnutzer weiter auf Sperrungen einstellen und mit Schienenersatzverkehren arrangieren. 2023 steht die (Wieder-)Herstellung der Zweigleisigkeit zwischen Horb und Neckarhausen an, für welche die DB noch keine Aussage über den Umfang der Beeinträchtigung geben kann oder will. Auch der aktuell in Planung befindliche Tunnel Sulz-Neckarhausen wird mit Beeinträchtigungen verbunden sein und ab 2025 ist die Strecke zwischen Vaihingen und Stuttgart Hbf auf unbestimmte Zeit, aber für mindestens sechs Jahre unterbrochen. Welche weiteren Maßnahmen auf der Sanierungs- und Ausbaubedürftigen Bahnstrecke noch spontan anfallen und wie viele „integrierte Bündelungen“ auf uns zukommen, bleibt abzuwarten.
¹Siehe beigelegtes Tabellendokument. Aufstellung aus verschiedenen Quelle. Zahl nicht voll belastbar.
²Abschätzende Rechnung unter der Berücksichtigung der Sperrdauer, Sperrabschnitte und dort in diesem Zeitraum nach Fahrplan verkehrenden Züge.