Der Absatz der E‑Autos ist in Deutschland in diesem Jahr eingebrochen. Als Hauptursache gilt die gestrichene Kaufprämie. Wie gehen die Hersteller damit um? Was erwarten sie von der Politik? Darüber sprach ich mit Vertretern von Audi in Neckarsulm.
Festzustellen ist: Die Interessen der Autohersteller laufen in wichtigen Punkten auseinander. So drohen Volkswagen wegen des schleppenden Absatzes von Elektroautos im kommenden Jahr milliardenschwere Strafzahlungen, denn der Konzern wird die EU-Klimavorgaben für 2025 nicht einhalten können. Folglich drängen die VW-Vertreter auf ein Aufweichen oder Verschieben dieser Vorgaben. BMW hingegen verkauft deutlich mehr Elektroautos als die Konkurrenten. Für eine Verschiebung der Ziele bestehe keine Notwendigkeit, heißt es daher in München. Im Gegenteil: Die Politik dürfe jetzt nicht diejenigen belohnen, die in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben nicht gemacht hätten.[1] Von einem vorgegeben Verbrenner-Aus hält BMW jedoch nichts. Vom Verband der Deutschen Automobilindustrie kommt ein anderer Vorschlag: Das Verbot von fossilem Kraftstoff ab dem Jahr 2045.[2] Schaut man in die Welt, dann kann der Eindruck entstehen, die Verunsicherung auf der Nachfrageseite ist ein rein deutsches Problem. In China verkauft der Hersteller BYD im laufenden Jahr mehr E‑Autos, als das Unternehmen erwartet hatte und setzte sein Verkaufsziel auf 4 Millionen Stück hoch.[3] In Norwegen waren zuletzt 94 Prozent der Neuzulassungen elektrisch.[4]
Mercedes setzt nicht mehr ganz so konsequent auf „electric only“, erwartet aber dennoch, dass bis Ende des Jahrzehnts die E‑Autos inklusive Hybriden die Hälfte des Gesamtabsatzes ausmachen werden. So erwartet es auch BMW. VW würde eine Aufhebung des Verbrenner-Aus begrüßen, obwohl Konzernchef Blume überzeugt ist: „Die Elektrotechnologie ist dem Verbrenner hoch überlegen“. Opel möchte ab 2028 auf dem europäischen Markt ausschließlich nur noch rein elektrische Modelle anbieten. Bei Audi wird die Flaute bei Absatz von E‑Autos als vorübergehendes Phänomen betrachtet, wie CEO Gernot Döllner sagte. Bis 2027 soll in jedem Kernsegment ein rein batterieelektrisches Auto angeboten werden. Der letzte Verbrenner soll 2033 vom Band rollen.[5] Im Gespräch vor Ort wurde seitens des Autobauers darauf verwiesen, dass die globalen Märkte sich sehr unterschiedlich entwickeln. China als größter Markt und Leitmarkt setzt eindeutig auf batterieelektrische Antriebe. Der deutsche Markt hingegen ist von Unsicherheit bei den Rahmenbedingungen geprägt, was zeitliche Verschiebungen bei den Zielen wahrscheinlich macht. Dazu weiter unten mehr.
Besonders unter Druck sind die Zulieferer. Mit ZF Friedrichshafen habe ich in den letzten Tagen gleich mehrfach gesprochen. Das Unternehmen hat stark in die Elektromobilität investiert und bräuchte jetzt dringend einen höheren Absatz entsprechender Produkte. „Die Zukunft wird elektrisch sein. Zwar kommt die E‑Mobilität etwas später, aber sie kommt. Eine Rückkehr zum Verbrenner wäre ein Irrweg, denn der Klimawandel geht nicht an uns vorbei. Zumindest in Europa haben wir ja auch eine Regulierung, die auf ein klares Aus des Verbrenner-Pkws im Jahr 2035 abzielt.“[6]
Manche Argumente, die früher gegen E‑Autos vorgebracht wurden, gelten heute nicht mehr oder nicht mehr im früheren Maß: Die Reichweiten steigen, neue Batterietechnologien lindern die Rohstoffproblematik und senken die Kosten, die Ladeinfrastruktur wächst stetig und höhere Ladeleistungen verkürzen die Ladezeiten. Was bleibt sind vor allem die höheren Anschaffungskosten für die Fahrzeuge. Doch hier ist dazu zu sagen: Die meisten Leute wollen Autos mit Reichweiten, die sie nicht benötigen. Dies führt zu Kosten, die sie nicht bezahlen wollen. Bei Audi setzt man weiterhin klar auf batterieelektrische Antriebe („Wird sich durchsetzen“ und „Unsere Strategie ist klar“). Einzig kritischer Punkt, so die Einschätzung, ist der Restwert gebrauchter E‑Autos. Zudem braucht es eine noch besser ausgebaute Lade-Infrastruktur inklusive Schnellladens an Autobahnen.
Mit interessierten Grünen-Mitgliedern aus der „Landesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft“ und Kolleg/innen aus dem Landtag war ich, wie schon erwähnt, vor Ort bei Audi in Neckarsulm. Wir sprachen mit dem Werksleiter, weiteren Führungskräften und einem Vertreter aus dem Betriebsrat. Unsere Themen waren die Transformation, die E‑Mobilität und die Beschäftigung. Bei der Kernmarke VW war in den letzten Wochen von Werksschließungen und möglichweise sogar von betriebsbedingten Kündigungen die Rede.[7] Insgesamt, ob bei Verbrennern oder bei den E‑Autos, ist der Absatz an Fahrzeugen nach Aussagen unserer Gesprächspartner im gesamten Volkswagen-Konzern zu gering. Dies liegt auch an der wachsenden Konkurrenz aus dem Ausland, insbesondere aus China. Das Ziel für das Jahr 2035, ab dem in der EU keine Pkw mit Verbrennungsmotor mehr neu zugelassen werden sollen, wird nicht in Frage gestellt. Die Bedingungen müssen klar sein und klar bleiben. Ein Problem stellen die drohenden Strafzahlungen dar, die den Konzern treffen werden, da er anteilig nicht genug E‑Autos absetzt. Hier wünscht man sich eine Änderung. Insgesamt aber ist der Kurs in Richtung „E“ klar. Das unterstützt auch der Personalrat. Debatten wie die um E‑Fuels schaden dem, da die zu Verunsicherungen führen, aber keinen gangbaren Weg darstellen.
Wir sprachen auch über das Personalthema am traditionellen Standort, an dem einst mit Nähmaschinen und Fahrrädern gestartet worden war, der aber auch Vorreiter bei den E‑Autos war. Die Werksauslastung wird in den nächsten Jahren steigen, da zwei neue Modelle in Produktion gehen werden. In Neckarsulm werden 16.000 Menschen beschäftigt, inklusive Zeitarbeitskräften. Auf Zeitarbeit wird gesetzt, weil phasenweise der Personalbedarf höher liegt. Es bestehen Chancen auf Übernahme – auch jetzt, in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten. Jährlich werden 270 Auszubildende eingestellt, die sich tendenziell schwerer finden lassen. Hinzu kommen dual Studierende. Stellen werden allmählich abgebaut. Die neueren, hochmodernen Fertigungsstraßen sind flexibel für elektrische und nichtelektrische Fahrzeuge nutzbar. Aktuell wird im Zweischichtbetrieb inklusive samstags gearbeitet.
Zuletzt habe ich die Bahnanbindung angesprochen. Audi bekommt seine Motoren auf der Schiene angeliefert und lässt die Fahrzeuge in großen Teilen per Bahn abtransportieren. Doch die Anbindung an die Strecke (Frankenbahn Stuttgart – Würzburg) ist schwierig. Erforderlich sind die Separierung des Gütergleises und eine zusätzliche Weichenverbindung zur Ausfädelung der S‑Bahn in Neckarsulm (siehe Paket 1 der Landesstudie). Zudem ist die Frankenbahn sehr stark ausgelastet, was zusätzliche Ausbauten sinnvoll macht, um von Audi benötigte „Slots“ zu ermöglichen.
Weiterführende Links:
[1] HBL Morningbriefing vom 23.09.2024
[2] Süddeutsche Zeitung vom 21.08.2024
[3] Business Insider vom 10.09.2024
[4] Auto Zeitung vom 19.09.2024
[5] Mobile.de vom 30.08.2024
[6] Wiwo 39/2024
[7] Merkur vom 18.09.2024