22.02.2023
Diskussion über Antriebe für Nutzfahrzeuge
Neben einer Stärkung der Bahn für mehr Güter auf der Schiene kommt es für die Verkehrswende und die Klimaziele im Verkehrssektor ganz wesentlich auf die Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs an. Bei Iveco in Ulm habe ich mich über alternative Antriebe für Lastwagen informiert.
Iveco gehört zum Fiat-Konzern und ging vor wenigen Jahren eine enge Partnerschaft mit Nikola ein. Während Iveco auf eine breite Palette von leichten, mittelschweren und schweren Nutzfahrzeugen setzt, hat sich Nikola auf emissionsfreie schwere Nutzfahrzeuge spezialisiert. Daneben gehört Magirus zur Iveco-Gruppe. Dieses Unternehmen wiederum ist bekannt für seine Feuerwehrfahrzeuge wie Löschfahrzeuge, Drehleitern, Rüst- und Gerätewagen.
In Ulm wurde Ende 2021 ein neues Produktionswerk für die elektrische Sattelzugmaschine Nikola TRE in Betrieb genommen und die Produktion der Vorserie gestartet. Im 2. Halbjahr soll es „richtig“ losgehen. Die Produktionskapazität liegt bei 3.000 Lastwagen pro Jahr. Bisher würden die Batterien noch in den USA gefertigt werden, jedoch sei ein Standort für Lkw-Batterien in Europa geplant. Ob es auch zu einer eigenen Batteriezellproduktion kommen würde sei offen. Nikola verbaue Rundzellen. Das erfuhren wir vor Ort.
Ich war nicht zum ersten Mal bei Iveco und Magirus. Begleitet wurde ich von mehr als einem Dutzend Freundinnen und Freunden aus den beiden grünen Landesarbeitsgemeinschaften „Wirtschaft“ sowie „Mobilität“ und Mitgliedern der Grünen Jugend. Besonders gefreut hatte ich mich, dass meine Ulmer Kollegen Marcel Emmerich (Bundestag) und Michael Joukov (Landtag) mit dabei waren. Wir sprachen unternehmensseitig unter anderem mit Gerrit Marx, dem CEO der Iveco-Group und Thomas Hilse von Magirus. Beide nahmen sich viel Zeit für Gespräche im „Plenum“ sowie eine Führung durch das erwähnte neue Produktionswerk. In seinem Eingangsstatement gab der CEO einen Überblick über die Aktivitäten seines Unternehmens und erläuterte die Vor- und Nachteile verschiedener Kraftstoffe und Antriebssysteme für die Nutzfahrzeuge. Iveco verfolgt verschiedene Ansätze, so auch für den Einsatz regenerativer Kraftstoffe und den aktuell erforschten Wasserstoffverbrennungsmotor. Eine Elektrifizierung von Sonderfahrzeugen wie beispielsweise Mähdreschern mache keinen Sinn, da die Herstellungskosten in Relation zu den kurzen Einsatzstunden unverhältnismäßig hoch seien. Bei anderen Sonderfahrzeugen wie Müllfahrzeugen sei der Energiebedarf (Pressen!) für die derzeit verfügbaren Akkus derzeit noch zu hoch. Für andere Nutzungen sei der batterieelektrische Antrieb gut, jedoch müsste der Ausbau von Leitungsnetzen und hoch leistungsfähiger Ladeinfrastruktur für schnelles Laden zügiger voran gehen. E‑F-Fuels und Oberleitungen für Straßenfahrzeuge würden kritisch gesehen. Busse im Nahverkehr könnten mit fortschreitender Reichweite rein batterieelektrisch betrieben werden. Die Brennstoffzelle könnte bei entsprechendem Reichweitenbedarf im Nutzfahrzeugsegment hilfreich sein. Jedoch sei grüner Wasserstoff noch lange nicht wirtschaftlich absehbar. Bei den alternativen Antrieben sei die Batterie am schnellsten verfügbar. Diese sei energetisch auch am effizientesten. Die Brennstoffzelle könne noch nicht die benötigten Betriebsstunden leisten.
Wir sprachen auch gezielt die Bus-Thematik an. Busse von Iveco werden in Frankreich gebaut. Die Nachfrage nach E‑Bussen sei hoch, wurde uns auf Nachfrage berichtet. Die Brennstoffzelle käme zur Reichweiten-Vergrößerung zum Einsatz. In Ulm werden keine Busse gebaut, wohl aber für den deutschen Markt angepasst.
Ein Hightlight unseres Unternehmensbesuchs waren die Mitfahrten in vier Lkw mit vier verschiedenen Antrieben auf der Teststrecke. Mir hat die Fahrt im batterieelektrischen Lastwagen am besten gefallen, da dieser sehr ruhig fährt. Allerdings spürt man dann jede Unebenheit der Fahrbahn umso stärker.
In einem gemeinsamen Pressestatement des Unternehmens und mir gab ich folgenden O‑Ton ab: „Ich begrüße jedes Engagement von Unternehmen wie Iveco, den Schwerlastverkehr, Busse und andere Nutzfahrzeuge aus der fossilen Abhängigkeit zu befreien. Alternative Antriebe müssen zügig in die Anwendung kommen. Hierfür müssen wir als Politik unterstützend wirken und beispielsweise eine leistungsstarke Ladeinfrastruktur für E‑Lkw an Autobahnen aufbauen helfen.“
Gespräch mit Batterieforscher
Nach dem Unternehmensbesuch bei Iveco nahm ein Teil der Besuchsgruppe die Möglichkeit wahr, in Ulms Stadtmitte mit dem „Batterieforscher“ Helge Stein zu sprechen. Dieser wies auf die erheblichen „Energieverluste“ bei der Herstellung von strombasiertem Wasserstoff hin. Die viel direktere Stromnutzung über Akkus sei rund fünfmal energieeffizienter und die Speichertechnologie mache erheblich Fortschritte sowohl bei der Leistungsfähigkeit als auch bei der Verringerung besonders problematischer Rohstoffe. Hier einige Infos über unseren Gesprächspartner: Jun.-Prof. Helge S. Stein, der an der KIT-Fakultät für Chemie und Biowissenschaften am Institut für Physikalische Chemie forscht und lehrt, leitet am Helmholtz-Institut Ulm (HIU) die Arbeitsgruppe Angewandte Elektrochemie. Er befasst sich mit nachhaltiger Wasserstofferzeugung mittels Sonnenlicht und nachhaltigen Energiespeichern.
Foto 2. von links: CEO Gerrit Marx, 3. von links: Marcel Emmerich (MdB aus Ulm) und 3. von links: Michael Joukov (MdL aus Ulm) Fotograf: Patrick Vexler