Auf dem Weg aus der fossilen Abhängigkeit
Wie kann sich ein Automobilzulieferer, der von der Verbrennungstechnologie anhängig ist, auf zukunftsfähige Fahrzeugantriebe einstellen? Dieser Frage gingen wir bei einem Besuch des „Kolbenherstellers“ Mahle in Stuttgart-Bad Cannstatt nach.
Mahle, gegründet im Jahr 1920, wurde vor allem mit seinen Kolben („Kolben-Mahle“) bekannt. Mit diesem Produkt macht das Unternehmen angesichts seiner gewachsenen Produktvielfalt inzwischen aber nur noch rund zehn Prozent seines Umsatzes. Das Unternehmen mit seinen 78.000 Beschäftigten (3.000 davon in Stuttgart) an weltweit 170 Produktionsstandorten generiert einen Jahresumsatz von 12,8 Milliarden Euro. Eine Besonderheit: Mahle befindet sich im Eigentum der Mahle-Stiftung. Die Dividenden fließen ausschließlich gemeinnützigen Zwecken zu. Der Konzern gliedert sich in die vier Geschäftsbereiche Motorsysteme und ‑komponenten (hierunter fallen die berühmten Kolben), Filtration und Motorperipherie (zur Steigerung der Effizienz und Lebensdauer der Motoren und Reduzierung von Emissionen), Thermomanagement (es geht um die richtige Temperierung der Komponenten und des Raumes, also ums Heizen und Kühlen; bei Verbrennern ebenso erforderlich wie bei E‑Fahrzeugen) sowie Ersatzteile/Service. Das Unternehmen engagiert sich zunehmend im Bereich der E‑Mobilität: Es entwickelt und produziert Antriebsstränge sowie Steuerungs- und Leistungselektronik. Beim Thermomanagement geht es konkret um ein konstantes Temperaturniveau und eine gleichmäßige Temperaturverteilung zwischen den Batteriezellen zur Erhöhung der Leistung und eine lange Lebensdauer der Akkus.
Gemeinsam mit Mitgliedern der beiden Landesarbeitsgemeinschaften Mobilität und Wirtschaft der Grünen Baden-Württemberg habe ich das Unternehmen besucht. Unser Besuchsschwerpunkt galt der Frage, wie es einem Automobilzulieferer gelingen kann, sich von der Abhängigkeit vom (fossilen) Verbrennungsmotor zu lösen und sich zukunftsfähigen Antriebstechnologien zuzuwenden. Darüber sprachen wir u. a. mit Arnd Franz, einem der Geschäftsführer, und Dr. Achim Wiebelt von der „Vorausentwicklung“ (hier geht es um die Entwicklung von Produkten, die erst in 5 bis 10 Jahren auf den Markt kommen sollen).
Auf der Homepage von Mahle wird der Anspruch an sich selber wie folgt beschrieben: „Wir haben den Anspruch, Mobilität effizienter, umweltschonender und komfortabler zu gestalten, indem wir den Verbrennungsmotor weiter optimieren, die Nutzung alternativer Kraftstoffe vorantreiben und gleichzeitig das Fundament für die flächendeckende Einführung der Elektromobilität legen.“
Uns wurde berichtet, dass acht Prozent der Beschäftigten in der Forschung und Entwicklung tätig sind – ein verhältnismäßig hoher Wert. Man sei „voll unterwegs in Sachen Elektrifizierung“. So würde die Batteriesteuerung für E‑Bikes, die E‑Motoren für den Renault-Twizzy und E‑Roller geliefert. Auch im Nutzfahrzeugbereich sei Mahle tätig. Ab 2021/2022 werde mit einem spürbaren Markthochlauf bei der E‑Mobilität gerechnet. Für Batteriesysteme (keine Zellproduktion) und Brennstoffzellen-Komponenten beliefere man Hersteller wie Tesla. Sei Mahle im Pkw-Bereich vor einigen Jahren noch zu rund 80 Prozent vom Verbrennungsmotor abhängig gewesen, liege dieser Wert heute noch bei 40 bis 50 Prozent. Der Bereich des Thermomanagements mache rund 40 Prozent des Umsatzes aus und werde für Verbrennungs- und Elektromotoren gleichermaßen benötigt.
Eine sehr lebhafte Diskussion entwickelte sich an der Frage des Diesels und der Kraftstoffstrategie. Man werde auch weiterhin in den Diesel investieren, so die Aussage von Mahle. Noch immer seien viele Arbeitsplätze und sogar ganze Standorte wie der in Rottweil vom Diesel abhängig. Auch für den Klimaschutz sei der Dieselmotor noch unverzichtbar. Entscheidungen oder Überlegungen von Autoherstellern wie Renault, bei dem die Zukunft des Diesels jüngst in Frage gestellt wurde, könnten allerdings noch so einiges durcheinander wirbeln. In kleineren Autos würde der Dieselantrieb wegen seiner verhältnismäßig hohen Kosten auf jeden Fall an Bedeutung verlieren, mache jedoch bei Transport- und Langstreckenfahrzeugen weiterhin Sinn. Bei den Verbrennungsmotoren würden in den nächsten fünf bis acht Jahren noch Potentiale für Effizienzsteigerungen im Bereich von 12 bis 16 Prozent gesehen, beim Benziner ein klein wenig mehr als beim Dieselmotor.
Wenn man bei Mahle vom Dieselmotor rede, dann müsse das nicht bedeuten, dass man dem Dieselkraftstoff das Wort rede. Vielmehr könnten und sollten fossile Kraftstoffe durch Alternativen ersetzt werden. Das sahen auch wir (die Mitglieder der LAG) im Grundsatz so, sprachen uns aber dafür aus, E‑Fuels (aus Strom gewonnene Kraftstoffe) und Biokraftstoffe vorrangig dort einzusetzen, wo eine Elektrifizierung auch mittelfristig nicht möglich sein wird, so in der Schifffahrt und im Flugverkehr.
Mahle sprach sich für klare Rahmenbedingungen für die Zukunft des (fossilen) Verbrennungsmotors aus. Eine Möglichkeit sei ein steigender Anteil der Beimischung von alternativen Kraftstoffen. Besser seien Emissionsvorgaben, bei denen es auf eine Gesamtbetrachtung der Energie- und Schadstoffbilanz (Well to Wheel) ankomme.