28.08.2022
Wiederaufbau der Bahnstrecken
Gemeinsam mit meiner Fraktionskollegin Karo Otte (wir arbeiten im Tourismusausschuss zusammen) war ich im Ahrtal im nördlichen Rheinland-Pfalz unterwegs. Unser Gesprächsschwerpunkt lag im Wiederaufbau des Tourismus. Ich habe mich dabei aber auch über die Schäden und den Sachstand beim Wiederaufbau der Schienenwege erkundigt.
Die Flutkatastrophe vor etwas über einem Jahr hatte unermessliches Leid in die Region gebracht. 180 Menschen verloren ihr Leben. Über das Versagen von Informationsketten und Verantwortlichkeiten wird nach wie vor diskutiert. In diesem Beitrag stehen die Schäden an der Schienen-Infrastruktur und der Sachstand bezüglich deren Behebung im Mittelpunkt. Dazu hatte ich mit Vertretern der Deutschen Bahn im Vorfeld der Lokaltermine in Bad Neuenahr-Ahrweiler und dem Stadtteil Marienthal sowie in den Gemeinden Rech und Dernau gesprochen.
Die Schäden an der Infrastruktur waren erheblich. Brücken waren und sind weggerissen, Bahnstrecken hat es weggespült. Der Wiederaufbau erfolgt auf Grundlage eines eigens dafür geschaffenen vereinfachten Baurechts. Dafür wurde das „Aufbauhilfegesetz“ durch den Bundestag beschlossen und das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) sowie das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) geändert. Auf dieser Rechtsbasis ist es beispielsweise möglich, kürzere Fristen bei der Vergabe von Bauleistungen zu setzen („erspart locker 10 Monate“) und Strecken ohne Baurecht zu elektrifizieren. Seit der Flut ist die DB dabei, weggeschwemmtes Material einzusammeln, so insbesondere Gleisschotter, um diesen nach der Reinigung wieder einbauen zu können. Bahndämme werden aber dort, wo sie auch von zukünftigen Hochwassern betroffen sein können, in veränderter Form wieder aufgebaut. Zwar sind Höherlegungen wegen Straßenkreuzungen und bestehenden Höhen an Bahnstationen nicht möglich, jedoch erfolgt der Wiederaufbau von Bahndämmen mit zementartigen Baustoffen in verfestigter, stabilerer Bauart. An den Brücken hat sich gezeigt, dass diese Flüsse zu sehr einengen und sich bei Fluten mitgeführtes Geröll, Baumstämme und Äste dort hängen bleiben und das Wasser aufstauen und die Bauwerke beschädigen können. Der Wiederaufbau von Brücken kann aus dem gleichen Gründen wie bei den Dämmen nicht höher erfolgen, wohl aber in der Bauart anders. Die Spannweiten werden größer, die Stützsäulen (die teilweise auch zukünftig im Flussbett errichtet werden müssen) werden schlanker und erhalten Tiefengründungen. Die Brücken erhalten einen Anprallschutz, was bedeutet, dass die Bemessungswerte eine stabilere Verankerung vorgeben. Die Infrastruktur wird auch unter anderen Aspekten nicht überall 1:1 wieder hergestellt wie früher. So wird die Leit- und Sicherungstechnik modernisiert (jedoch nicht auf digitale Stellwerkstechnik, da dies zulassungstechnisch schwieriger und langwieriger wäre), an einigen Stellen wird die maximale Geschwindigkeit heraufgesetzt (bspw. von 80 auf 100 oder 120 Stundenkilometer; Trassenverläufe und Kurvenradien werden jedoch nicht verändert) und teilweise werden Streckenabschnitte zwei- statt wie bisher eingleisig hergestellt.
Die Deutsche Bahn hat für den Wiederaufbau ein Kernteam aus 16 Mitarbeitenden eingerichtet. Die Planungen werden nach außen vergeben, von DB Consulting verantwortet oder gleich von den Baufirmen übernommen. Die Zusammenarbeit mit Kommunen und Behörden funktionieren relativ reibungslos und konstruktiv. Klagen vor Gericht sind keine anhängig. Erschwerend ist, dass noch nicht alle Straßen wieder endgültig aufgebaut wurden und auf Provisorien (insbesondere Brücken) keine Schwertransporte möglich sind.
Nachfolgend gebe ich eine Übersicht über den Stand des Wiederaufbaus auf einzelnen Strecken(abschnitten).
Voreifelbahn (Rheinbach – Euskirchen)
Der Streckenabschnitt soll nach umfangreicher Erneuerung unter anderem von Gleisen, Bahnübergängen und Stellwerkstechnik Ende 2022 wieder in Betrieb gehen.
Erftalbahn (Euskirchen – Bad Münstereifel)
Der umfangreiche Wiederaufbau des zerstörten Bahndamms, die Erneuerung von Gleisen, Bahnübergängen und Brücken wird im laufenden Jahr nicht abgeschlossen werden können.
Eifelstrecke (Euskirchen – Auw an der Kyll)
Der Abschnitt Euskirchen – Kall wird noch im Jahr 2022 wieder in Betrieb genommen werden können, nachdem unter anderem der Bahndamm, der Oberbau sowie eine Brücke erneuert wurden. Länger dauern wird es mit dem Abschnitt bis Nettesheim, an dem der zerstörte Bahndamm wieder aufgebaut und Brücken aufwändig saniert werden müssen. Mit einer Fertigstellung wird 2024 gerechnet. Zwischen Nettersheim und Auw sollen entsprechend des Wunsches des Zweckverbandes noch in diesem Jahr wieder Züge rollen. Zuvor müssen Damm und Oberbau sowie Stützbauwerke saniert werden.
Ahrtalbahn (Walporzheim – Ahrbrück)
Entlang dieser Strecke waren wir unterwegs, um uns die Schäden anzuschauen. Wir sahen Brücken, deren eine Hälfte weggespült worden waren und Brückenstützen, die einsam aus dem Flussbett ragten. In Dernau liefen wir ein Stück an der Bahntrasse entlang, die kaum mehr als solche zu erkennen war, da es den Schotter weitgehend weggeschwemmt hatte. Das Bahnhofsgebäude und ein einsames Wartehäuschen standen da ohne Gleise. Dieser komplette Streckenabschnitt (5 Kilometer, weitere neun Kilometer sind weitgehend zerstört) muss wieder hergestellt werden: Acht Brücken, Gleise, nahezu alle Stützbauwerke, sieben Bahnübergänge. Ein elektronisches Stellwerk (ESTW) wird neu konzipiert. Zudem hatte die Flut mehrere Bahnhöfe zerstört. Die Wiederinbetriebnahme inklusive Elektrifizierung, Zweigleisigkeit zwischen Remagen und Walporzheim (war bis zur Flut bereits zweigleisig) sowie Geschwindigkeitserhöhung zwischen Remagen und Bad Neuenahr ist für Ende 2025 vorgesehen.
Hochwasserresilienter Wiederaufbau (Beispiele)
Eine Brücke in Walporzheim wird so wieder aufgebaut, dass kein Pfeiler mehr im Fluss liegen wird. Die Konstruktion wird schlank erfolgen, so dass sie bei Hochwasser überströmt werden kann. Die neuen Pfeiler werden tief gegründet und die Brücke wird einen Anprallschutz erhalten.
Neue und erneuerte Infrastruktur mit höherer Kapazität
Teilweise wird der erzwungene Wiederaufbau genutzt, um Vorteile für Fahrzeit und Betriebsqualität zu generieren. So soll auf einem neun Kilometer langen Abschnitt der Ahrtalbahn die Geschwindigkeit erhöht werden. Zudem soll eine Zweigleisigkeit hergestellt werden.
Auf der Eifelstrecke sollen auf mehreren Abschnitten zweite Gleise (wieder) in Betrieb genommen werden. Das zweite Gleis war nach Ende des Zweiten Weltkrieges abgebaut worden und kann nun auf fünf Abschnitten entsprechend des sich aus dem Betriebskonzept ergebenden Bedarfs wieder aufgebaut werden. Dafür muss kein Baurecht geschaffen werden. In den Tunnelabschnitten ist nach heutigen Vorgaben kein zweites Gleis mehr möglich. Auf der Eifelstrecke wird die Elektrifizierung leider nicht zeitgleich mit den abschnittsweisen Wiederinbetriebnahme der Strecke erfolgen können, was unter anderem an der aufwändigeren Stromversorgung liegt, die geschaffen werden muss.
Siehe zu unserem Besuch im Ahrtal auch diesen Bericht, dessen Schwerpunkt im Bereich des Tourismus und des Wiederaufbaus der Gebäude darstellt: https://www.matthias-gastel.de/im-ahrtal-ein-jahr-nach-der-flut/