Foto: Die Flüchtlingsunterkunft in Sindelfingen – die größte im Landkreis Böblingen – bietet Platz für Einzelpersonen und Familien.
12.12.2015
Bereits vor einigen Wochen wollte ich zusammen mit grünen Freundinnen und Freunden eine Flüchtlingsunterkunft im Landkreis Böblingen besuchen. Das Landratsamt hatte dies aber abgelehnt mit der Begründung, in der Wahlkampfzeit sei dies nicht möglich. Dafür hat der Landkreis dann aber alle Abgeordneten zu einem gemeinsamen Termin in der Sindelfinger Flüchtlingsunterkunft eingeladen. Der Einladung gefolgt war auch mein Landtagskollege Bernd Murschel. Schön war, dass auch Flüchtlinge aus dem Kreisgebiet und ehrenamtliche Helferinnen dabei waren.
Die Flüchtlingsunterkunft in Sindelfingen verfügt über 180 Plätze für Familien und Alleinstehende und ist damit die größte im Landkreis Böblingen. Das war für mich die erste Überraschung. Aus meinem eigenen Landkreis kenne ich mehrere Unterkünften mit 300 Plätzen. Die zweite Überraschung: Anders als anderswo wird im Landkreis Böblingen bewusst auf die Durchmischung von männlichen und weiblichen Einzelpersonen sowie Familien gesetzt. Auch nach Nationalitäten gäbe es keine Schwerpunktbildung. Dies, so bekam ich zu hören, würde sich positiv auf die Atmosphäre auswirken. Im Landkreis Esslingen hingegen sind in mehreren der Großunterkünfte ausschließlich Männer untergebracht (siehe meinen Beitrag über die Unterkunft in Aichtal). Da am Tag des Besuchs in der Unterkunft die Medien über Prämienzahlungen des Landkreises Böblingen für die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen in ihre Heimatländer berichtet worden war, war auch dies Thema im Gespräch mit dem Landrat und seinen Mitarbeiterinnen. Der Landkreis hat 3,5 Stellen für die Rückreiseberatung eingerichtet. Der Landkreis rechnet mit 200 freiwilligen RückkehrerInnen. Dabei handelt es sich überwiegend um Personen aus den Balkanländern, die kaum eine Chance auf ein Bleiberecht haben. Der Landkreis zahlt Prämien in dreistelliger Höhe aus. Aktuell leben rund 600 Menschen aus diesen Ländern in den Unterkünften des Kreises.
Das Gebäude, ein ehemaliges Hotel, schien mir übrigens als Flüchtlingsunterkunft sehr geeignet zu sein. Es ist weitläufig, bietet ausreichend Platz und ist ruhig, da es in verschiedene Trakte gegliedert ist. Zumindest als vorläufiges Obdach erscheint es wesentlich geeigneter als die meisten anderen Unterkünfte, die ich bereits gesehen habe. In den Zimmern sind vier bis maximal sieben Personen untergebracht. Die Betreuungskräfte (ein Heimleiter und eine Sozialarbeiterin) berichten, dass es nur selten zu Konflikten komme. Daher brauche man auch keinen Sicherheitsdienst und nachts brauche niemand vom Hauptamt anwesend zu sein.
Es ergaben sich in Sindelfingen interessante Gespräche mit Flüchtlingen. So mit einem jungen Mann aus dem Iran, der seit zwei Jahren (!) auf seine Anhörung wartet. Peinlich für unsere Bürokratie! Er hat im Iran Architektur studiert und hofft auf ein Bleiberecht und auf die Anerkennung seines Diploms. Aktuell arbeitet er bei einem privaten Sicherheitsdienst – und wird in einer Flüchtlingsunterkunft eingesetzt.
Mir ist es wichtig, mir so häufig wie möglich einen eigenen Eindruck von der Unterbringungssituation von Flüchtlingen, aber auch den Schicksalen der einzelnen Menschen zu erfahren.