Foto: Dicht an dicht stehen die Doppelstockbetten in der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Aichtal.
22.11.2015
Besuch in der Gemeinschaftsunterkunft in Aichtal
300 männliche Flüchtlinge aus 21 Ländern auf engstem Raum in einer ehemaligen Fabrikhalle: Ist das human, kann das gut gehen? In Aichtal (Landkreis Esslingen) habe ich mir eine solche Gemeinschaftsunterkunft angeschaut und mit Flüchtlingen, Betreuerinnen und Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes gesprochen.
Die Unterbringung von Flüchtlingen stellt die Kommunen vor immer größere Herausforderungen. Inzwischen werden Immobilien genutzt, die noch vor einigen Monaten wegen ihrer mangelnden Eignung erst gar nicht in Erwägung gezogen wurden. Dazu gehört auch die in einem Gewerbegebiet in Aichtal-Aich. Früher wurden in dem Gebäude Klebeetiketten produziert. Seit wenigen Wochen leben dort 300 männliche Flüchtlinge. Die ehemalige Produktionshalle mit ihren beiden Ebenen ist mit Doppelbetten und Spinden vollgestellt. Viel Platz zum Bewegen hat es nicht. Es gibt noch nicht einmal ausreichend Platz für Biertischgarnituren. Die meisten Flüchtlinge müssen daher auf der Treppe oder dem Bett sitzend essen. So lange das Wetter noch halbwegs warm und trocken war, konnte der kleine Hof hinaus zur Straße zum Aufenthalt oder die kleine Fläche hinter dem Gebäude zum Basketballspiel genutzt werden. Mit dem Wintereinbruch werden die Raumverhältnisse problematischer. Ein Flüchtling erzählte mir, dass es ihm zu laut sei, um Deutsch zu lernen. Das bestätigen auch die Ehrenamtlichen, die sich in erfreulich großer Zahl als Sprachhelferinnen und ‑helfer zur Verfügung gestellt haben. Apropos Personal: Es stehen den Menschen in der Unterkunft zwei hauptamtliche 50%-Kräfte der AWO zur Verfügung. Außerdem sind rund um die Uhr vier Wachdienst-Leute präsent. Sie berichten von täglichen, meist kleineren Konflikten. Häufig haben diese mit der Situation der Flüchtlinge zu tun, die ungeduldig auf die Gelegenheit warten, endlich ihren Asylantrag stellen zu dürfen. Das kann Monate dauern, wie einer der Flüchtlinge mir mit einem Schreiben in der Hand verdeutlicht: Er hat eine Einladung für April 2016, um seinen Asylantrag stellen zu dürfen. Dann hat es allein bis zur Antragstellung über ein halbes Jahr gedauert! Seine Anhörung hatte er dann aber immer noch nicht. Das schafft Unsicherheit und Unzufriedenheit und belegt die Unfähigkeit des Bundes, das Bundesamt für Migration endlich ausreichend mit Personal zu besetzen. Für einige Dinge, die das Leben in der Unterkunft etwas einfacher machen, könnte und sollte der Landkreis sorgen: Dazu zählen WLAN, Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und Möglichkeiten für Sport.
Bei allen Schwierigkeiten hebe ich auch in diesem Beitrag nochmal das außerordentliche Engagement von Ehrenamtlichen des „Runden Tisches Aichtal“ hervor: Sie leisten eine hervorragende Arbeit bei der Betreuung, der Sprachförderung und auch den Fahrdiensten zu Ärzten und Behördenterminen. Hierfür ein herzliches Vergeltsgott!